Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 6. Dezember 2004, Heft 25

Kurz notiert

von Klaus Hansen

Widerstand heute. Hautmitteilungen sind Mode. Früher ein Erkennungszeichen für Seebären und Totschläger, gehören sie heute zum Outfit von Bürohengsten. Einst sah man sie nur auf Fahndungsfotos, heute findet man sie sogar auf Wahlplakaten der Konservativen. Sechs Millionen Deutsche sind tätowiert, sagt die Statistik. Man zeigt sich gerne gezeichnet. Nicht mehr dilettantisch von Hand und krakelig wie bei Seebären und Totschlägern, sondern perfekt nach den Schablonen der börsennotierten Tattoo-Industrie. Wer provozieren und die Polizei aktivieren will, der zeige ungeniert seine blanke, von keinem besitzanzeigenden Brandzeichen entstellte, seine heil davongekommene Haut. Das ist heute Widerstand genug.
Auf Umwegen. Eines Tages erhielt der Westmann die Gelegenheit, trotz roter Ampel den Fuß auf dem Gas zu lassen und einfach weiterzufahren. Man hatte den grünen Rechtsabbiegepfeil aus der DDR übernommen. Der Westmann war begeistert. Bei Rot über die Ampel rauschen zu dürfen, das hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen getraut. Jetzt machte der Westmann von der neuen Freiheit auch dann Gebrauch, wenn sein Fahrziel geradeaus lag.
Gebildete Kaputtmacher. Lauter starke Männer mit schwerem Gerät. Glänzende Bizeps und die schaffende Lust der Zerstörung prägen das Bild. Die Abbruchfirma ist gut im Geschäft. Doch kaum, daß man das alte Mehrfamilienhaus aus dem Weg geräumt hat, steht ein makelloser Bürokomplex da. Nicht ohne Hintersinn hat der Firmeninhaber, ein ehemaliger Linksradikaler und darum stellungslos gebliebener Gymnasiallehrer, sein Unternehmen Demontagen Sisyphos genannt.
Zwischentöne. »Ballastexistenz« darf man heute nicht mehr sagen. Weil es ein Naziwort ist. Hört man jedoch auf den Ton, mit dem die Leute das erlaubte Wort »Sozialhilfeempfänger« aussprechen, meinen sie nichts anderes. Ob in einem Land »Unkraut« wachse, schrieb einst Altmeister Weisgerber, hänge von der Sprache seiner Bewohner ab. Da haben wir es gut in Deutschland! Wir leben seit langem in einem Land, in dem nur noch »Wildkräuter« wachsen und die »Spontanvegetation« gedeiht. Die Hoffnung, daß eines Tages »Sinti« und »Roma« die »Zigeuner« ersetzen, haben wir allerdings aufgegeben.