Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 27. September 2004, Heft 20

Nur Handpuppen?

von Alfred Fleischhacker

Ich weiß nicht, ob das Statistische Bundesamt in Wiesbaden weiß, wieviele Universitätsabsolventen westdeutscher Herkunft ihre akademische Laufbahn mit wissenschaftlichen Untersuchungen über das Jammertal DDR begannen. In eine der jüngeren habe ich mich aus persönlichen Gründen vertieft. Schließlich verdanke ich mein Leben dem Asyl, das mir die Regierung in Whitehall 1939 gewährte. Mithin mußte ein Buchtitel über zwei Freundschaftsgesellschaften, nämlich DDR-Großbritannien und Britain-GDR mein Interesse wecken.
Auf gut 300 Buchseiten untersucht Hans-Georg Golz, was die beiden Gremien in fast vierzig Jahren, im jeweils eigenen Land, aber auch miteinander trieben. Die vorliegende Arbeit besticht durch erkennbaren Fleiß des Autors. Methodisch verfährt er indes nach einem schnell durchschaubaren Trick. Jede eigene These belegt er mit Aussagen von Damalshandelnden. Golz, ein erfahrener Redakteur beim Deutschland Archiv in Köln, fand fast immer ein seine Ausführungen stützendes Zitat. Es bedurfte mit Sicherheit eines großen Zeitaufwandes, um auch Halbsätze aus Reden, Gesprächen, Protokollnotizen von DDR-Mandatsträgern zu finden, die sich paßgenau einfügen ließen. Damit wird auf den ersten Blick eine gewisse Authentizität bewirkt. Gab es dennoch Lücken, schloß Golz sie mit Verweis auf Dokumente aller Art. Sie reichen von Aufbau (New York) bis zu Die Zeit (Hamburg). Auch die Anzahl der zitierten Personen umfaßt fast das gesamte Alphabet von Augstein, Ex-Chefredakteur und Herausgeber des Spiegel, über Axen, ehemals Mitglied des SED-Politbüros bis zu C. Zilliacus, viele Jahre erst Labour-, dann unabhängiger linker Abgeordneter im House of Commons.
Zwei Überlegungen prägen die Arbeit. Zum einen: Was auch geschah – es passierte immer nur auf Anweisung der SED. Zum anderen: Die Aktivitäten, so unterschiedlich und vielfältig sie auch gewesen sein mögen, blieben bis zu ihrem Ende fast völlig wirkungslos. Die Akteure, egal ob britische oder deutsche Staatsbürger, letztlich mehr oder weniger willen- und hirnlose Handpuppen, die von den Strategen der SED zappelnd vorgeführt wurden. Lediglich der erst in den achtziger Jahren gegründeten Scotland-GDR-Society gesteht Golz zu, einen gewissen Einfluß auf das Denken von Schotten über die DDR erworben zu haben.
Günter Gaus, der vor wenigen Wochen verstorbene herausragende Publizist und Diplomat, hat einmal gesagt: »Wir haben oft so getan, als gebe es nur die SED und daneben nur noch eine geknechtete graue Masse.« Dieses Vorurteil begleitet die Dissertation des Herrn Dr. Golz von der ersten bis zur letzten Seite. Folgerichtig gab er ihr auch den Titel Verordnete Völkerfreundschaft.

Hans-Georg Golz: Verordnete Völkerfreundschaft. Das Wirken der Freundschaftsgesellschaft DDR-Großbritannien und der Britain GDR Society. Leipziger Universitätsverlag, 39,00 Euro.