Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 16. August 2004, Heft 17

Heilige Geschlechtlichkeit

von Lotte Lund

Nicht nur, daß der Papst das Sommerloch nutzt, um für die 200. Auflage seiner Ängste ein unverdient großes Publikum zu gewinnen; er wird sekundiert von einer sehr rüstigen Ressource: den selbsternannten Nur-Ehefrauen der Welt! Da fragt man sich doch, wes Geistes Kind die sind – oder man wünscht sich, die Priester würden echte zeugen.
Der Wahrheit zuliebe: Es war unser Kirchenfürst, Ihre Arroganz Kardinal Ratzinger, der den 37seitigen Brief dem Papst zur Unterschrift vorlegte – insofern ist die Frage nach einem im Text potentiell enthaltenen Zeitgeist berechtigt. Der Text verdient eine zeilengenaue Auslegung, oder gar keine, weil er keinen einzigen neuen Gedanken oder Machtanspruch enthält, sondern nur die ganz alten – die aber höchst manipulativ als die innersten Wünsche der Frauen darstellt. Alle Genderinteressierten mögen ihn sich wahlweise übers Klo hängen oder als pointierte Kurzeinführung in das patriarchalische Gedankengut lesen – allen Nichtlesern sei gesagt, daß die Mann-Frau-Polarität hier nochmals aus der Heiligen Schrift begründet wird, begonnen bei der Schöpfung: Alles nach seiner Art; und wer sich gegen diese auflehnt, bekommt es mit Gott zu tun, das heißt, mit der Schlange …
Die rhetorischen Fähigkeiten des Briefschreibers Ratzinger sind nicht zu unterschätzen – nicht nur daß er die Existenz einer traditionellen Frauenbewegung oder gar einer feministischen Theologie rundweg leugnet, er belegt seine Theorien mit »grundlegenden Schriften« die, wenn man in die Fußnoten schaut, von ihm selber sind. Nach der Warnung, daß weibliches Streben nach Macht (= männlich) zu einer Verwirrung in der Anthropologie führe, kommt die Besinnung auf die eigentlichen fraulichen Werte: Sanftmut, selbstlose Liebe und »die Fähigkeit für den anderen«. Das erklärt auch, wieso sie gar nicht traurig sein müssen, in der katholischen Kirche nichts zu werden, denn Zitat: Die Frauen sind berufen, unersetzliche Vorbilder und Zeugen dafür zu sein, wie die Kirche als Braut mit Liebe auf die Liebe des Bräutigams antworten muß. Ein garantierter Lacher ist der Nachsatz: Man solle die Frauen nicht auf Mutterschaft reduzieren – auch die christliche Jungfräulichkeit hätte großen Wert.
Gottes Stellvertreter auf Erden sitzt bekanntlich im Weißen Haus. Pünktlich zeitgleich zu dem Sendbrief des Papstes kam daher auch auf die amerikanischen Bestsellerlisten ein Handbuch der ehelichen Liebe. Die Autorin, Dr. Laura, Moderatorin einer der größten Weiberwichswachprogramme in Amerika, stellte es im BBC vor und warb für die beauuuuuutiful polarity. Im Gegensatz zu der gewohnten Rama-Astrologie, nach der Männer vom Mars und Frauen von der Venus etc. pp und bloß verschieden seien, ist ihr Buch eine Publikumsbeschimpfung.
Als ihre Motivation beschreibt die Moderatorin zahllose Anrufe unbefriedigter US-amerikanischer Ehefrauen, die sie einfach nicht mehr ertrug und denen sie nun mal sagen mußte, wer hier seit zweitausend Jahren eigentlich schlecht behandelt wird und wer sich den Rücken krumm arbeitet nur zu unserem Wohlgefallen: die Männer. Mit einem großgeschriebenen DIE. Es gibt nämlich nur eine Sorte und für die jetzt eine praktische Handlungsanweisung. Das Buch hat den schönen Titel The proper care and feeding your husbands.
Neben der wohlbekannten Ehefrauentrias: gut aussehen – gut kochen und never say never to sex (Jungs, funktioniert das eigentlich wirklich? Keine öffentliche Antwort erforderlich!) wurde darauf hingewiesen, daß alle Handlungen der Männer darauf abzielen, eine freundliche Ermunterung einer weiblichen Person zu bekommen. Der bedauernswerten Feministin, die dazugeschaltet wurde und eigentlich sehr vorsichtig den Neuigkeitswert dieser Klischees hinterfragte, wurde jahrhundertelange Giftspritzerei vorgeworfen. Der Feminismus habe nämlich die emotionale Power der Frauen total unterdrückt. Noch immer gelänge es jeder Frau, ihren von der Arbeit gestreßten Gatten sofort umzustimmen, wenn sie nur nackt im Türrahmen sagte: Hallo darling. Lets have passionate sex! Wo die hier manipulierten männlichen Emotionen sitzen, wurde nicht diskutiert. Statt dessen, daß man den Feministinnen den Neid schon in der Stimme anhöre – was weiteren Einspruch erschwerte. Da war sie wieder die Schlange …
Das Buch ist ein Bestseller, und große amerikanische Verleger wollen über die Maßen investieren, um es nach Europa zu bringen. Vermutlich schmeißen sie es bei der nächsten Terrorabwehrbombardierung zusammen mit der Bibel großflächig über Europa ab.
In meiner angeborenen weiblichen Sanftmut unterstelle ich dem vatikanischen Redenschreiber natürlich eine größtmögliche Kenntnis des Weltgeschehens – insofern könnte man die Enzyklika als Kompliment an eine mittlerweile beunruhigende, das heißt Konsequenzen zeitigende Frauenbewegung lesen. Allerdings kann sich Herr Ratzinger beruhigen: Solange wir solche »Freundinnen« des Frauentums haben, können seine Feinde ruhig noch einen trinken gehen.
Mädels, seid bereit, und vergeßt nicht, euch morgens zwischen elf und zwölf nackt hinter der Haustür aufzuhalten – vielleicht hat der überarbeitete Postbote ein Erholungsbedürfnis. Und wir haben endlich wieder eine Aufgabe.

Lotta, Lottae, femininum.