von Martin Nicklaus
Wenn Kohlendioxid bei der Erderwärmung den Einfluß hat, den uns die Debatten darum Glauben machen sollen, dann werden wir jämmerlich eingehen. Dafür sorgen schon China, Indien, Rußland, Japan und die sich in dieser Angelegenheit außerhalb von Verantwortung dünkenden US-Amerikaner.
Kohlendioxid gelangt nicht nur durch die Verbrennung fossiler Stoffe in die Atmosphäre, sondern auch weil die Waldgebiete mit einer Geschwindigkeit von 34 Fußballfeldern pro Minute vernichtet werden und in den zu Müllkippen umfunktionierten Weltmeeren das Phytoplankton stirbt. Seltsamerweise ist noch niemand auf das daraus folgernde Szenario Verknappung von Sauerstoff gekommen. Mit Blick auf die Nahrungskette Phytoplankton – Zooplankton – Hering – Kabeljau – Mensch könnte folgende Frage auftauchen: Was geschieht, wenn man das erste Glied der Kette wegschlägt?
Anfang der achtziger Jahre faszinierte einen Schuljungen die Vorstellung, wie alle mechanische Energie, dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik folgend, den Wärmetod stirbt. Eine Lok heizt nicht nur durch die Befeuerung, sondern auch durch die enorme Reibung der Maschine und ihrer Wagen, also aller Antriebsteile untereinander sowie der Räder an den Schienen; ganz besonders natürlich beim Bremsen. Den absoluten Knüller liefert die Glühbirne, von ganz Klugen Glühlampe genannt. Genau das ist sie natürlich nicht. Weil sie mehr Wärme produziert als Helligkeit, müßte sie eigentlich Heizung heißen, wird aber nur selten ihrer Eigenschaft entsprechend verwendet – zum Beispiel wenn sie einen Wasserhahn provisorisch vor Frost schützt.
Der Junge fragte damals seine Physiklehrer, ob nicht, bei soviel Energie, die in Wärme verpufft, die Temperatur auf der Erde ansteigen müßte? »Tut sie doch«, war die schlichte Antwort, illustriert mit einer Graphik, die eine Fieberkurve zeigte, deren Mittel Richtung oberen Bildrand strebte. Kulturell untermalt wurde das Szenario in Udo Lindenbergs Grande Finale: »Nun sind wir schon seit Abel und Kain hier in der Grütze rumgekrochen, nun fängt, ja muß das denn wirklich sein?, die ganze Scheiße auch noch an zu kochen.«
Ein Phänomen wie der Treibhauseffekt war damals in der DDR, wo unsere kleine Szene spielte, noch unbekannt, der Schutz der Natur in den fürsorglichen Händen einer weisen Partei- und Staatsführung, die ihrer Bevölkerung Bedrohungsszenarien nur im Zusammenhang mit dem Klassenfeind samt seiner Atomraketen vermittelte und die Eröffnung einer Umweltbibliothek als blasphemischen Akt fremdgesteuerter Staatsfeindfeindlichkeit bewertete.
Ganz offensichtlich wird die Erde wärmer. Temperaturmessungen sowie die schwindenden Gletscher liefern ein stimmiges Bild. Ständige Wärmeproduktion mittels fossiler Kohlenstoffe wie Kohle, Gas, Öl wird ergänzt durch solche aus Atomkraft, Wasser, Sonne und Wind. Weitere Unmengen Energie, die sich in Wärme wandelt, verbrauchen wir, um uns fortzubewegen, sei es in einem der Milliarden Autos, den Millionen Bahnen, Flugzeugen oder Schiffen, sowie zur Beleuchtung und zum Betrieb der Infrastruktureinrichtungen oder der Städte, Orte, Dörfer. Man bedenke nur den Aufwand, mit dem Laub jeden Herbst der Stadt verwiesen wird. Die privaten Haushalte sind voller Wärmeschleudern, seien es Waschmaschinen, Computer, Fernseher, Staubsauger oder das Heer der sonstigen Geräte, die uns unentbehrlich erscheinen.
Zwar wurde die Effektivität der Heizleistung pro Quadratmeter in Deutschland erhöht. Doch da mit den Ansprüchen die Wohnfläche pro Person wuchs, verrauchte der Effekt schnell. Wir produzieren Wärme, um zu kühlen. Erst waren es nur unserer Nahrungsmittel, inzwischen ganze Gebäude. Alles, was wir wegwerfen, ist unter Einfluß von Wärme entstanden. Wer ein Bild für die sinnlose Energievernichtung braucht, besuche eine Müllkippe. So wie dort das für den Menschen nicht mehr Verwendbare lagert, staut sich unsichtbar Wärme.
Nach dem Zweiten Weltkrieg potenzierte sich der bis dahin nur leicht ansteigende Energieverbrauch, was durch die Bevölkerungsexplosion noch verstärkt wird. Von 2,5 Milliarden Steinkohleeinheiten im Jahr 1950 stieg der Bedarf auf elf Milliarden. Enorme Energien werden frei bei den schier unaufhörlichen Kriegen mit ihren thermischen Waffen. Schon eine normale Flinte kann man nach drei Schuß nicht mehr am Lauf anfassen. Bomben, ganz egal ob sie Terroristen in Zügen verstekken oder aus Flugzeugen abwerfen, setzten nicht nur Not und Elend, sondern ebenfalls enorme Hitze frei.
Ergänzt werden die aktiven Wärmeerzeuger durch passive. Die aus mineralischen Baustoffen wie Lehm, Ton, Gips, Asphalt oder Beton errichteten Städte und Straßen speichern tagsüber kurzwellige Sonneneinstrahlung und geben sie in der Nacht in Form langwelliger Wärmestrahlung langsam ab. Anders ist das bei Wäldern und Feldern. Doch mit der zunehmenden Versiegelung der Flächen – in der Bundesrepublik jährlich etwa einmal Usedom – erhöhen wir deren Speicherfähigkeit.
Als die Erde nur durch ihren Kern und die Sonne erwärmt wurde, reichte die Nacht zur Kühlung. Seit der Mensch die Nacht, im Fieberwahn, zum Tag gemacht hat, nicht mehr. Ursache ist der überaus exaltierte Lebensstil eines Fünftel der Menschheit – Deiner und meiner – sowie der Irrglaube, er ließe sich noch irgendwie steigern und auf alle Erdenbürger ausweiten.
Bei der Formulierung des Treibhauseffekts liegt der politische Sinn in der Verwissenschaftlichung eines Problems, das dann per mathematischer Kunstgriffe, handelbare Emissionslizenzen hier, Senke dort, wegrechenbar sein soll.
Durch die raumgreifende Diskussion darüber verschwinden alle anderen Umweltfrevel aus der öffentlichen Wahrnehmung, hinter dem Eindruck, es würde etwas getan und vor allem nimmt der einzelne seine Verantwortung nicht mehr wahr, die ihn zu einem wirtschaftsschädigenden Verhalten animieren könnte. Kein Häuslebauer soll beunruhigt sein, wenn er seinen Beton auf die Wiese kippt, keinen Bürger darf ein schlechtes Gewissen quälen beim wohligen Wannenbad, kein Dosenbiertrinker soll sich Gedanken um den horrenden Energieaufwand zur Herstellung einer Alubüchse machen. Währenddessen geht am Horizont die Erde unter und von Ferne klingen die Gesänge des Herrn Lindenberg: »Immer lustig und vergnügt, bis der Arsch im Sarge liegt.«
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