16. Jahrgang | Nummer 9 | 29. April 2013

Antworten

Andreas Rebers, einer der Favorit-Kabarettisten mindestens eines Teils der Blättchen-Redaktion – In der ARD-Sendung Satire-Gipfel äußerten Sie unlängst sinngemäß, Journalismus sei heute, wenn der Blinde aufschreibe, was der Taube gehört habe, der Legastheniker das kontrolliere, und wenn dann alle abends ins Fernsehen gingen und dort Grzimek für Menschen spielten. Damit haben Sie die Regel hierzulande (und wohl auch weiterenorts, wenn nicht global) knäpplichst auf den Punkt gebracht. Jedoch wäre die keine ohne bestätigende Ausnahmen. Wir kennen gleich mehrere – unter anderen die NachDenkSeiten (www.nachdenkseiten.de), die Rationalgalerie (www.rationalgalerie.de), aber auch …

Raed Saleh, Bürgermeister-Kandidat im Wartestand der Berliner SPD – Gern äußern Sie, dass man mit der Berliner CDU „in vielen Bereichen eine gute linke Politik“ machen könne. Nun gilt dies nicht für die Innenpolitik. Das gilt auch nicht für die Wirtschaftspolitik. Das gilt auch nicht für das Justizressort. Das gilt auch nicht für die Gesundheits- und Sozialpolitik. Diese Bereiche verantwortet allesamt die CDU. Das ist erklärtermaßen keine linke Partei, die will auch keine sein. Der große „Rest“? Nun ja, die zunehmende Zahl von Zwangsräumungen in Berlin und die kontinuierlich steigenden Mieten auch bei landeseigenen Wohnungsunternehmen als „gute linke Politik“ zu verkaufen, dazu noch die Beschäftigung rechtslastiger Staatssekretäre… Das Neue Deutschland veröffentlichte kürzlich ein interessantes Porträtfoto von Ihnen. Es zeigt die Geste des Daumenabzählens. Ist das nun der linke Daumen, oder ist das der rechte Daumen? Wir lernen also noch, was links oder rechts ist.

Hans-Michael Holczer, Böblinger Sportlehrer und Teamchef a.D. einer Mineralwasserfirma – Sie hätten „doch keine Ahnung davon, wie man solche Medikamente einsetzt“, erklärten Sie kürzlich vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dort läuft derzeit ein Betrugsprozeß gegen den Profi-Radler Stefan Schumacher, der sich durch heimliche EPO-Produkt-Einnahme 151.463, 50 Euro „erschlichen“ haben soll. Für Uneingeweihte: Das waren lediglich drei Monatsgehälter. Beobachter meinen, solche Äußerungen ihrerseits würden das Gericht milder stimmen. In der offiziellen Firmengeschichte Ihres Sponsoren heißt es: „Während der Tour de France 2008 ging Gerolsteiner auch medial neue Wege: Vor jeder Tagesschau wurde ein 20-sekündiger Spot ausgestrahlt, der tagesaktuell kuriose und interessante Erlebnisse des Team Gerolsteiner nahezu in Echtzeit präsentierte.“ Die tagesaktuelle Sache mit den A-Proben war den Mineralwassermanagern (cirka 213 Millionen Euro Jahresumsatz sind kein Pappenstiel) offenbar doch zu kurios. 2008 war Schluss mit dem Team Gerolsteiner. Ihre Argumentation allerdings überzeugt uns. Sie müssen nicht wissen, wie man das mit den Dosierungen und der Vergabe von CERA macht. Dazu sind die Ärzte da.

Willem-Alexander, König – Seit gestern sind Sie König der Niederlande. Wir gratulieren natürlich. Und spotten überhaupt nicht über das „Königslied“ („W wie Willem“ – wie einfallsreich!) des Hof-Compositeurs John Ewbank. Wir wissen, zu welchen Peinlichkeiten deutsche Schlagerkomponisten fähig wären, sollte Georg Friedrich Prinz von Preußen seinen heimlichen Traum wahr machen können. Nur fürchten wir, dass Sie Probleme bekommen werden, sollten Ihre demokratischen Untertanen das ihnen Versprochene einlösen wollen: „Lass mich wissen, wovon Du träumst, wonach dein Herz verlangt, ich werde nicht ruhen, ehe all das wahr geworden ist.“ Ihr Königreich hat zwar nur 17 Millionen Einwohner, aber wenn die alle kommen…

Hans-Peter Friedrich, Innenminister – Sie haben den Chef des Bundesverfassungsgericht mit den Worten gerüffelt, er möge, sofern er Politik machen möchte, sich um ein Mandat bemühen, ansonsten aber (so nicht gesagt aber gemeint) die Klappe halten. Wenn bei Ihnen auch nicht unerwartet so spricht daraus doch wieder einmal die nicht seltene und vor allem realitätsferne Arroganz von Amtsträgern wie Ihnen. Denn sieht man einmal davon ab, dass grade die Regierung, der Sie angehören samt deren Vorgängerkonstellationen schon seit Jahren in einer regelrechten Flut von Klagen in Karlsruhe sich erst mal versichern müssen, dass ihre Beschlüsse überhaupt verfassungsgerecht sind, Leute wie Sie also Ihren Job fröhlich auslagern, so muss ein Verfassungsbewahrer wie das Karlsruher Gericht allemal auch Prophylaxe leisten dürfen. Immerhin ließe sich so zum Beispiel eine weitere Ohrfeige für Ihre Regierung ersparen. Aber es ist wohl schon so: Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert …

Tomislav Nikolic, serbischer Präsident – „Ich bitte auf Knien darum, dass Serbien für dieses in Srebrenica begangene Verbrechen verziehen wird“, haben Sie als nunmehr erster serbischer Politiker von Rang öffentlich erklärt. In dem ostbosnischen Ort hatten serbische Milizen 1995 etwa 8.000 überwiegend männliche Muslime ermordet, wobei ein Kontingent niederländischer Blauhelmsoldaten der damaligen Uno-Schutzzone nicht eingegriffen hatte. Ihre jetzige Wortmeldung darf in Anbetracht des nationalistisch noch immer unversöhnlichen Streits im eigenen Lande als sehr mutig gelten und ist höchsten Respekt wert. Was daraus folgen wird, bleibt freilich abzuwarten, aber eine Rückkehr zum einst und lange Zeit friedlichen Zusammenleben der Ethnien auf dem Balkan wird ohne diesen Schritt nicht zu haben sein – allerdings werden dafür auch Kroaten und Bosnier um eine Anerkenntnis ihrer Mitschuld nicht umhin kommen.

Märkische Gymnasiasten, Verwahrloste – Bei Gott, hier ist nicht von allen märkischen Gymnasiasten die Rede – bewahre! Lediglich von jenen Drei, die auf der S-Bahn-Strecke von Strausberg nach Berlin zwischenzeitlich zur Nachbarschaft gerieten. Und unter Verwahrlosung ist hier beileibe auch nicht deren Äußeres zu nehmen, ganz im Gegenteil. Und nicht einmal dass sie sich über ihre Mitschüler unter Zuhilfenahme derbster Kraftausdrücke unterhalten hatten, wäre bemerkenswert – Pubertierende sind halt so. Aber von „Arschlöchern“ etcetera ging ihre Rede nicht, dafür wurden die ungenannt Bleibenden fröhlich als „ Nigger“, „Mongo“ und „Jude“ tituliert. Sicher, alle drei Knaben werden vermutlich (jedenfalls hoffentlich) einmal ganz normale Erwachsene werden. In welchem Maße aber ein sprachlicher und extrem menschenverachtender Rassismus heute offenbar tabulos ihren Wortschatz bestimmt, vermag sogar Hartgesottene durchaus noch zu erschrecken.

Philipp Rösler, Putziger – Mit der von Ihnen gewohnten Verve haben Sie sich ins Chemisette gestemmt und uns mit Blick auf Uli Hoeneß verallgemeinernd wissen lassen: „Wer Steuern hinterzieht, unabhängig von Amt und Person, kann kein Vorbild sein.“ In Bezug auf die 1987 wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilte FDP-Ikone Otto Graf Lambsdorff hat sich Ihr einschlägiges Urteil im Vorjahr in einem Interview der Welt am Sonntag noch ein klitzekleines bisschen anders gelesen: „Welt am Sonntag: Was lässt sich heute noch von Otto Graf Lambsdorff lernen, Herr Rösler? Philipp Rösler: Hartnäckigkeit. Geradlinigkeit.“ Grade Linien sind halt auch nicht mehr, was sie einmal waren.

Friederike Schwebler, grüne Berliner Wahlparteitagsdelegierte – Sie fordern in einem Antrag an den Parteitag die konsequente Verwendung des „Binnen-I“ in alle einschlägigen Begrifflichkeiten; sei es. Allerdings bestehen Sie darauf, auch Redewendungen wie „Herr der Lage“ in geschlechterneutrale Äquivalente umzuschreiben. „Frau der Lage“ entfiele damit allerdings wohl. Nicht geäußert haben Sie sich leider dazu, wie Christen ihren Herrgott korrekt umzuformulieren haben. Und wie man künftig etwas Schönes anders denn als herrlich bezeichnen müsste, sind Sie und leider auch schuldig geblieben. Wortsuche.com listet 420 Begriffe auf, die mit „herr“ anfangen – wasʼn Haufen Arbeit, die Sie da noch zu leisten haben, fraujemine … Nahezu unlösbar wird diese Aufgabe wohl dann, wenn es Familiennamen geschlechterneutral umzurubeln gilt. Ultimativer Hardcorfall dabei der Name „Herr-mann“ – mit noch zynischerer Geballtheit kann sich Patriarchalik nicht präsentieren! Um Winfried H. sogar als Minister in Baden-Württemberg salonfähig zu machen, hat sich dieser sich sicher per Kompromiss vom zweiten „r“ in seinem Namen getrennt.

Willi Weiland, Präsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes – Namens Ihres Vereins haben Sie jüngst scharfe Kritik an der Einführung einer City-Tax für Berlin-Besucher erhoben, da diese Ihre Mitglieder nachteilig belasten würde. Sogar eine Klage gegen diese Festlegung haben Sie in Aussicht gestellt. Sieht man von dem berechtigten Hinweis ab, dass nun die jeweiligen Hotels zu ermitteln haben werden, ob es sich um Besucher oder Geschäftsreisende handelt, von denen Letztere von der Abgabe befreit sind, sind uns weder von ihnen noch von ihren alldeutschen Kollegen kritische Einwendungen in Erinnerung, als die FDP 2010 Ihrer Branche eine Steuerersparnis von rund einer Milliarde Euro verschafft hat, indem sie die Mehrwertsteuer für Ihre Klientel von 19 auf sieben Prozent senkte.

Kristina Schröder, lustlose Familienministerin – Schade, Sie wollen nicht mehr. Dabei haben uns Ihre frisch-frei-fröhlich-unbekümmerten Auftritte immer von Herzen Freude bereitet. Und die Einsicht, Familienpolitik anhand der kleinsten Keimzelle, nämlich der eigenen Familie zu üben, ehe man sich so ins grobe Fahrwasser der großen Politik wagt, ist allerehrenwert. Zittern müssen jetzt allerdings die Kinder- und Jugendbuchverlage. Sie werden jetzt noch mehr Zeit haben, in den diversen Gute-Nacht-Geschichten ganz ganz viele ganz schlimme Wörter aufzuspüren. Na dann mal Gute Nacht!

Ali Chamenei, iranischer Großajatollah – Da Mahmud Ahmadinedschad verfassungsgemäß neuerlich nicht mehr zur anstehenden Wahl als Staatschef antreten darf, haben Sie als oberster Revolutionsführer knapp vorgegeben, wie Sie sich seinen Nachfolger vorstellen: „Ruiniere nicht das Ansehen des Landes, versprich nur, was Du auch halten kannst, behandle andere mit Respekt.“ Eine solch hoch gelegte Latte würde auch anderenorts kein Wahlkandidat zu überqueren in der Lage sein; Ihr Land droht, führungslos zu werden (wenn man von Ihnen mal absieht).