Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 12. April 2004, Heft 8

Dümmer geht’s nimmer?

von Lotar Cibis

Von wegen! Wer das Spiel der Fernsehsender nicht durchschaut, wird schamlos abgezockt. Pausenlos werden wir Fernsehverbraucher aufgefordert, irgendein Votum abzugeben. Da wird in einem Vorabendmagazin, das von Tratsch und Klatsch lebt, aufgefordert, nur mal eine simple Frage zu beantworten, um vielleicht eintausend oder mehr Euro zu gewinnen: Wo liegt die Insel Rügen: a) im Mittelmeer oder b) in der Ostsee? Es gibt beinah täglich noch weitaus schwachsinnigere Fragen, auf die wir gefälligst antworten sollen, wenn wir unser Einkommen aufbessern möchten. Manchmal hat man den Eindruck, als schämten sich selbst die Moderatoren für die einfältigen Fragen. Aber natürlich ist mit solchen Anrufen für unsereinen nichts zu gewinnen – bis auf die Erfahrung eben, daß wir wieder einmal um Bares erleichtert worden sind, wenn wir in diese Anruf-Falle tappen.
Freilich macht bei diesem Theater auch jemand Gewinn, sonst würde man ja wohl kaum solchermaßen zum Mitmachen animiert. Mit jedem Anruf werden vom Telefonkonto des Telefonkunden 49 Cents fällig. Davon behält die Telekom 22 Cents für ihre Mühen ein, die sie mit dem Anrufer hat. Die anderen 27 Cents landen im Klingelbeutel des veranstaltenden Senders. Kleinvieh macht auch Mist.
Rufen nur genügend Leute an, dann finanziert der Sender damit den weiter vorn ausgelobten Betrag, den unter Ausschluß des Rechtsweges ein einziger Glücklicher bekommt. Außerdem bleibt noch ein Häufchen Geld übrig, das als Nettogewinn zu verbuchen ist. Ein kleinerer Privatsender finanziert sich ausschließlich über den Mitmachgedanken – das ist dann Bezahlfernsehen pur. Ein weiterer, gar nicht hoch genug einzuschätzender Aspekt: An Hand solcher Anrufe werden Einschaltquoten hochgerechnet, die letztlich darüber entscheiden, ob eine Sendung im Programm verbleibt oder durch eine publikumswirksamere ersetzt wird.
Hat der telefonierende Fernsehzuschauer hier noch eine, wenn auch verschwindend geringe Gewinnchance, so kann er bei einer anderen Abzock-Methode eigentlich nur Geld verlieren. Ob nun in Deutschland sucht den Superstar, Star Search oder Deutsche Stimme: Immer soll uns der Eindruck vermittelt werden, wir hätten ein gewichtiges Wort mitzureden – wenn wir nur schnell unser Votum abgäben. Auch hier sind die »Doppelverdiener« die Telekom und der Sender. Die Quoten bestimmen die Preise für die Werbeblöcke, mit denen die Sendungen zerhackt werden. Es geht dabei um richtig viel Geld. Allein drei Werbepausen von insgesamt achtzehn Minuten schlugen zum Beispiel für RTL bei einer Superstar-Folge mit brutto 2,3 Millionen Euro zu Buche.
Nicht nur hierzulande gibt der Erfolg den Veranstaltern recht. Die Reihe wurde bereits in England (Pop Idol), in den USA (American Idol), in Polen, Holland, Belgien, Frankreich, Norwegen, Kanada, Südafrika und im Mittleren Osten ausgestrahlt. Auch in Australien, Finnland und Island geht man auf die Suche nach einem neuen Superstar.
Ständig aufgefordert, per Telefonvotum dafür zu sorgen, daß der »Lieblingskandidat« im Wettbewerb verbleibt, scheinen tatsächlich viele Fernsehzuschauer zu finanziellem Opfer bereit. Wie groß war das Erstaunen in einer Familie meiner Verwandtschaft, als der »Einzelverbindungsnachweis« der aktuellen Telefonrechnung für einen einzigen Abend 60 Euro auswies. Der 13jährige Junior hatte seinem Favoriten bei der Superstar-Auswahl per Telefon den nötigen Vorsprung verschaffen wollen; die Eltern hatten sich längst vom Bildschirm zurückgezogen. Es war für den 13jährigen natürlich nicht nachprüfbar, ob sein Votum einem der Daniel Küblböcks geholfen hat, nur den Verlust des Taschengeldes, den konnte er genau nachprüfen.