Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 15. März 2004, Heft 6

Sieg oder Holocaust

von Andreas Mink, New York

Angriff ist die beste Verteidigung: Das ist die Essenz des neuen Buches An End to Evil, mit dem David Frum und Richard Perle Amerika zum »Sieg im Krieg gegen den Terror« verhelfen wollen. Die Autoren sind mit dem Thema vertraut: Der 42jährige Kanadier Frum war Redenschreiber für George W. Bush und hat mit Titeln wie What’s Right und The Right Man vielbeachtete Studien über den Siegeszug der Republikaner und seinen Ex-Arbeitgeber vorgelegt. Perle ist der Schwiegersohn des Ur-»Neokonservativen« Albert Wohlstetter und gilt gerade in Europa als strippenziehender »Prinz der Finsternis«, als Spinne im Netz einer Verschwörung, die nach der Weltmacht greift.
An End to Evil ist ein schnellgeschriebener, kampflustiger Rundumschlag. Das ist durchaus erfrischend – etwa, wenn die Autoren eben diese nicht nur in Europa kursierenden Verschwörungstheorien frontal attackieren, die hinter der Bush’schen Außenpolitik eine »zionistische Kabale« ausmachen: Frum und Perle haben nichts zu verbergen. Sie argumentieren in brutaler Offenheit und geben sich dabei mit Kleinigkeiten wie dem Nahost-Konflikt nicht weiter ab. Ein Palästinenser-Staat wäre für sie wirtschaftlich und geographisch gar nicht lebensfähig und ohnehin erst nach der Zerschlagung von Hamas denkbar. Sie bieten hier keine praktikable Lösung an, da es ihnen eigentlich nur um die Sicherheit Amerikas geht. Die sei existentiell bedroht durch islamistische Terror-Netzwerke, die von saudische Geldgebern finanziert würden. Für Frum und Perle gibt es im Krieg gegen diesen Feind nur die Wahl zwischen »Sieg oder Holocaust«.
Für den Sieg in diesem epochalen Ringen ist es nach Überzeugung der Autoren unabdingbar, daß die USA nach innen und nach außen hin ihre Politik grundsätzlich neu ausrichten. Frum und Perle gefallen sich als Elefanten im Porzellanladen Washington, wenn sie eine Umstrukturierung von FBI, CIA und State Department fordern. Den ehrwürdigen Institutionen werfen sie Defätismus, Inkompetenz und selbstgefälliges Festhalten an einem verhängnisvollen Status-quo-Denken vor: Die Bürokraten in Washington wollten die Gefahr des islamistischen Terrors auch nach »9/11« nicht erkennen. Sie sollten deshalb im Rahmen einer tiefgreifenden Mobilisierung des gesamten amerikanischen Staatsapparates umfassend Kompetenzen an eine neu zu etablierende »Sicherheitsbehörde« abgeben. Dieser gedenken Frum und Perle im Verbund mit dem ebenfalls radikal zu modernisierenden Militär die Führung des »auf viele Jahre« und an vielen Fronten zu führenden Krieges gegen den Terror zu übergeben.
Neben den Islamisten präsentieren die Autoren eine lange Liste von Kriegsgegnern: Frankreich sei »ein Rivale, wahrscheinlich aber ein Feind«. Rußland und China seien bestenfalls unsichere Kantonisten. Akute Gefahr drohe vom korrupten saudischen Regime und vom kriselnden Staat Pakistan. Sofort losschlagen sollte Amerika aber gegen Syrien, den Iran und Nordkorea.
Nach dem Sieg im globalen Krieg gegen den Terror sehen die Autoren eine neue Ordnung, die der Menschheit – vor allem aber der muslimischen Welt – nicht nur Frieden, sondern auch eine nicht näher definierte »Demokratie« bringen werde. Wie für George W. Bush zuletzt in seiner Ansprache zur Lage der Nation ist Amerika auch für Frum und Perle ein »Land mit einer Mission«, die eine unilaterale Weltpolitik ohne Rücksicht auf das traditionelle Völkerrecht legitimiere. Es gelingt den Autoren jedoch nicht, glaubhaft darzustellen, wie der von ihnen ausführlich und dramatisch beschworene islamistische Fundamentalismus praktisch besiegt und von Marokko bis Indonesien durch ein ganz neues, also »demokratisches« Bewußtsein ersetzt werden könnte.
Wer hier differenzierte Argumente sucht, sollte berücksichtigen, daß die Vorschläge des visionären Duos auch als gezielte Provokation zu verstehen sind, die dem Absatz des Buches und – viel Feind, viel Ehr’ – dem Ruhm der Autoren dienen soll. An End to Evil gehört zu jenen Krawall-Titeln, mit denen Autoren aus beiden politischen Lagern – Linke wie Michael Moore und der Komiker Al Franken, Rechte wie der TV-Moderator Bill O’Reilly und die blonde Scharfmacherin Ann Coulter – seit vielen Monaten die amerikanischen Bestseller-Listen dominieren.
Damit ist die spannende Frage nicht beantwortet, inwieweit das Buch der Diskussion innerhalb der Bush-Administration Ausdruck gibt. Hier ist zunächst einmal festzuhalten, daß dem als »Hirn« des Präsidenten geltenden Berater Karl Rove derzeit nachgesagt wird, er wolle vor den Wahlen im November keinesfalls weitere Waffengänge. Die von Frum und Perle geforderten gewaltsamen »Regime-Wechsel« stehen also zumindest für 2004 nicht auf der Tagesordnung. Auch die von den Autoren in Aussicht gestellte Liquidation des saudischen Königreichs durch eine Abspaltung der Ölprovinzen am Persischen Golf – dort kann sich das Duo bizarrerweise einen schiitischen Separatstaat vorstellen – wird wohl so nicht stattfinden.
Zudem schreiben die beiden auch von einer Außenseiter-Position aus. Das aber erlaubt es ihnen, radikaler zu sein als Weggefährten wie Douglas Feith und Paul Wolfowitz, die unter Donald Rumsfeld die höchsten Positionen im Pentagon innehaben. (Feiths Sohn Daniel hat an dem Buch als Rechercheur mitgearbeitet.) Dabei haben die Autoren ihre Außenseiter-Position nicht gesucht: Richard Perle räumte seinen Posten als Vorsitzender des halboffiziellen Defense Policy Board, nachdem der New Yorker über fragwürdige Geschäfte des Pentagon-Beraters ausgerechnet mit saudischen Partnern berichtet hatte. Frum fiel 2002 in Ungnade, weil seine Frau auf Washingtoner Parties damit geprahlt hatte, nicht George W. Bush, sondern ihr kluger Gatte habe den Begriff der »Achse des Bösen« geprägt. Das »Evil« im Titel des vorliegenden Bandes versucht von der notorischen Formel zu profitieren, wird im Text jedoch nicht weiter thematisiert. Christlich-fundamentalistische Begriffe liegen den Autoren fern, obwohl etliche ihrer Vorschläge durchaus apokalyptische Konsequenzen produzieren könnten: Dem Kim’schen Regime in Nordkorea wird eine »Blockade zu Lande, zu Wasser und in der Luft« als Vorspiel eines »präventiven Atomschlags« zugedacht, sollte es sich nicht baldigst seiner Atomwaffen begeben.
Machtbewußt wie sie sind, achten Frum und Perle jedoch sehr genau darauf, George W. Bush nicht zu kritisieren, auch nicht in den langen Passagen, in denen sie sehr grob mit den Saudis ins Gericht gehen. Dieses Feld hat bereits Michael Moore vehement beackert – doch im Gegensatz zu Frum und Perle schließt der Dicke aus Flint, Michigan, seine saudi-feindlichen Tiraden stets mit dem Hinweis auf die engen geschäftlichen Verbindungen des Hauses Bush mit den arabischen Öl-Dynasten.

David Frum, Richard Perle: An End to Evil. How to Win the War on Terror, Random House New York, 2003, 284 Seiten.

Andreas Mink ist Chefredakteur des »Aufbau« in New York.