von Arndt Hopfmann
Das war er also, der Gipfel der Entwicklung. Wie fast immer, wenn es bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs der selbst ernannten »führenden Industrieländer« um derart gewaltige Themen geht, stehen vor allem Nebensachen im Mittelpunkt – zum Beispiel »der Neue«; Rußlands Präsident Putin erwies sich nicht nur als beeindruckend versiert im Umgang mit fernöstlichem Eßgerät, er hat sich auch gekonnt in den Kreis der G 7 eingefügt und diesen damit zur G 8 veredelt. Nur die Medien zieren sich noch ein wenig und machen pikiert einen kleinen, aber wesentlichen Unterschied, wenn von den »7 großen Industrienationen und Rußland« berichtet wird.
Ansonsten wurde eine Menge Geld – angeblich sollen 1,2 bis 1,5 Milliarden Mark für die Gipfelteilnehmer und deren Sicherheit ausgegeben worden sein – für eher touristische Aktivitäten, small talk über Judo und Sumo und jede Menge heiße Luft verpulvert. Herausgekommen ist dabei herzlich wenig.
Nachdem fünfzig Jahre Entwicklungspolitik für die meisten Länder der Dritten Welt in das Fiasko chronischer Überschuldung geführt haben und die Zahl der absolut Armen (Menschen mit einem »Einkommen« von einem US-Dollar oder weniger pro Tag) weiter wächst und bis 2010 wahrscheinlich die Zwei-Milliarden-Grenze überschritten haben wird, sollen es nun die moderne Kommunikationstechnologie plus Internet richten. Staatsmänner, die wahrscheinlich größte Schwierigkeiten hätten, selbst eine e-mail auf den Weg zu bringen oder im Internet »online« zu gehen, fühlen sich berufen, eine »Charta für eine globale Informationsgesellschaft« zu verabschieden, in der dreist davon ausgegangen wird, daß Entwicklung heute und morgen nur noch mit und im Internet stattfindet beziehungsweise stattfinden wird. Offenbar sind den Armen und Hungernden in Zukunft Disketten statt Getreide als Nothilfe zugedacht. Mit Hilfe von Computerterminals könnten sie sich dann bald – so fern nicht gerade der elektrische Strom abgeschaltet ist (was selbst in Ländern wie Brasilien oder Indien fast täglich und fast überall passiert) – in Echtzeit via Internet die gedeckten Tische der »Wohlhabenden Welt« betrachten und in prachtvollen virtuellen Warenhauskatalogen blättern. Satt werden würden sie davon allerdings nicht.
Das ist wahrscheinlich auch gar nicht der hintergründige Sinn der »globalen Informationsoffensive«. Vielmehr geht es um den globalen Zukunftsmarkt in der »IT-Branche« – sowohl bei »hardware« und »software« als auch bei »brainware«. Während sich die Austauschverhältnisse (termes of trade) für die meisten typischen »Dritte-Welt«-Erzeugnisse seit Jahren stetig verschlechtern, wollen die nordwestlichen Länder nun offenbar ihren wachsenden Computerindustrien neue Absatzmärkte erschließen. In den derart in das »Informationszeitalter« integrierten Importländern darf sich dann eine – gemessen an der Gesamtbevölkerung – verschwindend kleine Protoelite an moderner Technologie schulen, um Paßfähigkeit für die Bedürfnisse des Westens zu »entwickeln«. Die besten Köpfe dürfen dann sogar auf eine »green« oder eine »blue card« hoffen und wenigstens zeitweise die Verheißungen des Wohlstands in der Realität begreifen (und genießen). Für die weniger Glücklichen findet sich natürlich auch kostengünstige Verwendung. Die dürfen zu Hause, zu einem Bruchteil der Lohnkosten, die in der »Ersten Welt« aufgewandt werden müßten, software entwickeln, Flugpläne erstellen oder Abrechnungsdaten eingeben. Wenn das mal nicht der Gipfel der Entwicklung ist?
Ach ja, da war doch noch etwas – die zwanzig ärmsten Länder der Welt sollen bis Ende des Jahres entschuldet werden, so es ihnen gelingt, sich für diese Maßnahme zu »qualifizieren«. Im Klartext heißt dies nichts anderes, als daß sich nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds gesteuerter, neoliberal inspirierter »Strukturanpassungspolitik« diese Länder soweit entwickelt haben, daß sich dort nun gar nichts mehr entwickelt. Da unter diesen Umständen nichts mehr zu holen ist, können ihre Schulden nun auch gestrichen werden. Neue Kredite bekommen sie allerdings nicht; höchstens unter einer Bedingung: wenn sie Computer und Zubehör aus den Industrieländern kaufen.
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