von Heiko Hilker
Im Jahr 2004 hat die Sächsische Staatsregierung insgesamt 48 Gutachten in Auftrag gegeben. Dafür bezahlte sie zirka 1,8 Millionen Euro. Das hört sich erst einmal nicht viel an. Nehmen wir aber den vergangenen Fünfjahrplan von 1999 bis 2004, da sehen die Zahlen schon anders aus: 326 Gutachten für insgesamt 15,1 Millionen Euro. Darin enthalten sind noch nicht die Hunderte von gutachterlichen Stellungnahmen und die weiteren Beraterverträge. Es geht nicht um Peanuts, nicht um einige Euro, sondern es geht um Millionen Euro.
Dabei hat offensichtlich die Staatsregierung den Überblick verloren. »Die Notwendigkeit dieser Gutachten war in keinem Fall nachvollziehbar dokumentiert. Die Angemessenheit der Preise war nicht nachweisbar geprüft, Ausführungslisten wurden nicht immer vereinbart oder ohne Folgen für den Auftragnehmer nicht eingehalten, Abnahmeprotokolle lagen in keinem Fall vor«, so der Rechnungshof zur Gutachtenvergabe im Wirtschaftsministerium zwischen 1997 und 2001. Weiter heißt es: »Vielfach wurde entgegen haushaltsrechtlichen Bestimmungen und zum Nachteil des Staates vereinbart, dass 40 bis 60 Prozent der Vergütung schon mit Vertragsabschluss, also vor der Leistung fällig wurden.«
Oftmals erfolgte die Vergabe freihändig, nur selten gab es öffentliche Ausschreibungen. Zum Teil wurden unvertretbar hohe Vergütungssätze, bis zu 3472 Euro pro Tag, gezahlt. Das ist fast soviel wie ein Abgeordneter oder, um es anders zu vergleichen, zehn Hartz-IV-Empfänger in einem Monat erhalten.
Allein im Bereich der Biotechnologie wurden in nur zwei Jahren dreizehn Gutachten mit ähnlich lautenden Titeln in Auftrag gegeben. Diese kosteten über eine Million Euro. Anscheinend mit Erfolg, soll sich doch nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium die Zahl der Arbeitnehmer in diesem Bereich verdreifacht haben. Doch was heißt das absolut? Es gibt statt 350 Arbeitnehmern mittlerweile über tausend in dem Bereich der Kernbiotechnologieunternehmen. Ganz schön wenig für die vielen Gutachten und angesichts der zweihundert Millionen Euro, die insgesamt investiert wurden.
95 Prozent der Gutachten sind nicht für die Öffentlichkeit und auch nicht für die Abgeordneten gedacht. Warum wohl? Vielleicht könnte man ja doch aus einigen Gutachten Schlußfolgerungen ziehen. Hierzu ein Beispiel: Im Jahre 2001 gab das sächsische Wissenschaftsministerium eine Evaluierung der angewandten Grundlagenforschung in Auftrag. Die Ergebnisse lagen am 13. Juni 2002 vor. Es wurde festgestellt, daß die entsprechenden Mittel mindestens verdoppelt, auf achtzehn Millionen Euro aufgestockt werden müßten, wenn das Programm überhaupt Erfolge erzielen solle. In den Haushaltsdebatten ist man weit unter zehn Millionen Euro geblieben. Das Gutachten wurde dem Wissenschaftsausschuß zugestellt – allerdings erst einen Tag nach Abschluß der Haushaltsdebatten im Landtag Mitte Dezember 2002.
Das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium ließ eine Studie zur Vorbereitung eines Umweltprojektes mit der Republik Bashkortostan erstellen, eine Veröffentlichung ist nicht vorgesehen. Der Grund: »Die Information der Öffentlichkeit ist unzweckmäßig, solange kein gemeinsames Umweltprojekt vorliegt.« Da wird also eine Studie für ein Projekt erstellt, das es noch gar nicht gibt. Gutachten auf Vorrat. Aus dem Kultusministerium heißt es immer wieder: »Über die Form der Veröffentlichung wird nach Vorlage der Studie entschieden.« Das heißt, wenn die Studie, wenn das Gutachten dem Minister gefällt, dann wird es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sonst nicht.
So wird eine merkwürdige Auffassung von Gutachten deutlich. Die Staatsregierung sucht mit ihren Gutachten nur die Bestätigung ihrer vorhandenen Auffassung. Ja, für die Staatsregierung ist es die Aufgabe eines Gutachtens, alles für gut zu erachten, was die Staatsregierung will.
Zu fragen ist: Warum werden selbst heute, nach fünfzehn Jahren deutscher Einheit, immer noch so viele Gutachten in Auftrag gegeben? Mangelt es in der Staatsregierung an den entsprechenden Kompetenzen? Gab es eine falsche Personalpolitik? Die Minister loben doch immer wieder ihre Häuser, wie kompetent, wie schnell, wie gut ihre Mitarbeiter seien. Also müßte doch demzufolge die Zahl der Gutachten, die Zahl der Berater, die Zahl der gutachterlichen Stellungnahmen abnehmen. Das ist allerdings nicht der Fall.
Was spricht denn gegen eine Veröffentlichung der entsprechenden Gutachten? Wäre dies ein Eingriff in den exekutiven Kernbereich, der nach Artikel 53 der Sächsischen Verfassung geschützt ist? Interessant ist nicht, warum die Staatsregierung wie entschieden hat, welcher Minister welche Position vertreten hat, welcher Minister welches Gutachten eingeführt hat, um seine Auffassung zu bestätigen. Interessant ist etwas anderes: Welches sind die Grundlagen der jeweiligen Entscheidung? Die mit Steuermitteln finanzierten Gutachten gehören in den Landtag.
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