Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 23. Mai 2005, Heft 11

In Stellung

von Jürgen Scheich

Die Süddeutsche Zeitung ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Dünner ist ihr Korrespondentennetz in den vorigen Jahren geworden. Für das Blatt aus München ein Minus. Aber nicht davon soll die Rede sein, sondern von einem Buch, das die langjährige Lateinamerikakorrespondentin dieser Zeitung Eva Karnofsky nach dem Ende ihrer Arbeit für die Süddeutsche jetzt vorlegt. Besenkammer mit Bett, so der Titel, schildert das Schicksal von Hausangestellten im südlichen Amerika, die illegal und ergo ohne die geringste soziale Absicherung arbeiten müssen. Allerweltsschicksale!? Ja und nein. Denn das Phänomen ist weltweit zu beobachten. Auch in Deutschland soll es zwischen 500000 und anderthalb Millionen Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung geben.
Das Besondere an diesem Buch ist die Art, wie Karnofsky sich dieser Schicksale annimmt. Die Sozialreportage wird zum Krimi; eine Sozialstudie voller Spannung. Cata, die Protagonistin, eine junge Frau aus der peruanischen Provinz, vom Schicksal geschlagen, versucht ihren Traum vom eigenen Restaurant Wirklichkeit werden zu lassen. Vergeblich. Überfälle und Not werfen sie aus der Bahn. Sie geht nach Buenos Aires, der besseren Verdienstmöglichkeiten wegen.
Aber die argentinische Hauptstadt wird zum Alptraum. Ein Sklavendasein in Neuzeit erwartet sie. Der Leser erfährt viel über Geschichte der südamerikanischen Länder, fehlerfrei recherchiert und unakademisch dargeboten. Eva Karnofsky erweckt nicht nur Empathie, sondern auch Solidarität für Cata und ihre Leidensgefährten. Diese versuchen, mit dem unter Mühen erarbeiteten Geld ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Sie selbst gönnen sich kaum etwas. Ihre Liebe, ihre Sehnsüchte bleiben ungestillt. Hier hat sich eine Autorin überzeugend und ergreifend in Mitmenschen hineinversetzt. Bei aller notwendigen Distanz: Eva Karnofsky bleibt nicht cool. Und dieses Gefühl überträgt sich auf den Leser, so daß er mehr wissen will, wie dies alles für die »mucamas«, für dieses dienstbaren Geister ausgeht. Doch Argentinien, zumal in den letzten Jahren, ist nicht das erhoffte Paradies für die Einwanderer. Die Argentinier selbst , so sagen einige, sind Italiener, die spanisch sprechen und sich für Engländer halten. Was sind da erst die Einwanderer aus dem benachbarten Paraguay, aus Peru, aus Bolivien, aus diesen von indigenen Bevölkerungen dominierten Ländern?
Dieses Buch gibt Antworten. Hier schreibt eine Insiderin, die nicht nur erzählen kann, sondern auch den Verlierern der Geschichte emotional nahesteht. Auch das ist heute nicht mehr so selbstverständlich. Also, am Sonntagabend nicht Sabine Christiansen, sondern die Lektüre von Eva Karnofsky Besenkammer mit Bett. Das Schicksal einer illegalen Hausangestellten in Lateinamerika, und wir erfahren tatsächlich mehr über die Welt, wie sie wirklich ist.

P.S. Für Liebhaber südamerikanischer Küche finden sich in diesem Buch auch exzellente Rezepte, denn die Hauptfigur Cata ist eine hervorragende Köchin.

Eva Karnofsky: Besenkammer mit Bett. Das Schicksal einer illegalen Hausangestellten in Lateinamerika, Horlemann Verlag 2005, 245 S., 12,90 Euro