von Andreas Dietrich
Haben Sie auch abgestimmt? Damals. Gegen die Rechtschreibreform? Falls Sie es taten, wie der Autor, so seien Sie versichert, es war völlig nutzlos. Für die Praxis ist es völlig bedeutungslos, ob Sie sich über das, was Sie in der allgemein bildenden Schule oder in der allgemeinbildenden Schule nicht gelernt haben, den Kopf zerbrechen. Wetten?!
Am 18. September 1999 informierte die Berliner S-Bahn auf dem Bahnhof Bundesplatz (gegen 22 Uhr) ihre Wehrten Fahrgäste mit einer handgeschriebenen Infotafel über diversen Schienenersatzverkehr. Ich glaube, man sollte das beim Wort nehmen – und sich zur Wehr setzen.
Jede beliebige Tageszeitung kann man aufschlagen, an jeder beliebigen Stelle. Kunde darüber, wie falsch geschrieben wird, im Sinne der »alten« Rechtschreibung und in dem der »neuen« findet sich zuhauf. Ein vademecum des »So bitte nicht«. Stil und gute Manieren sind dabei noch gar nicht betrachtet.
Da besucht man lieber eine Unternehmung, die nicht nur einem Ausländer gehört, sondern in der auch sonst, sowohl Mitarbeiter als auch Kunden, zu einem großen Teil sehr unterschiedliche Ausländer sind. Um das babylonische Sprachgewirr zu minimieren, wird hier als Verkehrssprache Deutsch verwendet. Das ist oft sehr liebenswert, denn wie sicher die deutsche Sprache gehandhabt wird und in welchen Varianten sie noch vom Muttersprachler als Muttersprache identifiziert werden kann, ist nicht selten geradezu beeindruckend.
Ganz anders ist das oft in den Unternehmungen, in denen Deutsch nicht nur Verkehrssprache, sondern auch Muttersprache ist. Lassen Sie sich entführen in eine Gegend, in der ein liebenswertes Deutsch gesprochen wird. Es folgt von nun an nur noch O-Ton:
Schmieren Sie wie ein Fink? Macht nichts. Unser Geschäftsführer ist sich nämlich sicher, daß er gerade an der Schrift seine Guggenheimer erkennt, egal ob es sich um einen Spezialisten handelt oder um Normallottoverbraucher.
Eigentlich wollten wir heute allen Kunden, die sich angemeldet hatten, unsere neuen Angebote vorführen. Aber es sind noch nicht alle da, warten wir also noch etwas. Bestimmt kleckern noch ein paar an.
Bitte keinen Streß, regnen Sie sich erst mal ab. Ihr Anliegen ist bei uns bestimmt in besten Händen. Wir werden Ihr Problem auf Herz und Nierenstein prüfen und finden schon die passende Lösung. Aber bezahlen müssen Sie. Am besten cash auf den Tisch. Nicht so wie der vorherige Kunde, der hatte nicht einen roten Heller, war verschuldet Loch und Löcher. Getan hat der, ein richtiger Schönheiliger.
Und Sie, mein Herr, Sie sind gleich dran – kleinen Moment bitte. Sie haben ja letzte Woche schon mal angerufen. Ich habe Ihr Problem sowieso im Hinterohr. Ja, ich sehe schon, daß Sie wie auf glühendem Kohl sitzen. Aber keine Bange, es wird alles klappen. Wir haben schon unsere Füße ausgestreckt, um Ihnen weiter zu helfen.
Aber Sie als Lernmensch – in welcher Schule arbeiten Sie doch gleich? – kann ja so leicht nichts erschütteln:
Vielleicht rufen wir zur Sicherheit noch mal schnell im Paneuropa-Center an, in unserer Aststelle da. Die da in der Nähe vom Kudamm, na Sie wissen schon?
Um die Zeit zu überstreichen, können Sie auch gern mit uns Mittag essen. Der andere Kollege hat extra frischen Hummer zubereitet. Der Kauf war eine Sache, sage ich Ihnen. Erst wollte man ihm ein Exemplar andrehen, das sich kaum noch bewegte. Augenscheinlich, es war bereits am Aussterben.
Oh, Sie sprechen Russisch! Einer unserer Mitarbeiter ist Russe. Mit ihm können Sie in seiner Spreche reden. Vielleicht erhalten Sie bei ihm gar die Chance, Ihr Russisch etwas zu erfrischen. In vielen Ländern habe ich bemerkt, daß Russisch gesprochen wird. In der Türkei war alles mit Russen unterfüllt.
Der große Chef, nee, ist nicht da im Moment. Ich bewundere mich auch schon, wo er nur bleibt. Wahrscheinlich steckt er auf der A10 im Staub. Er ist ein interessanter Mensch. Erzählt gern über seine Heimat. Heiß ist es dort, aber leider auch etwas einsam und öde, Savanne und so. Es gibt ein paar hohe Berge. Klettern Sie ruhig mal rauf. Von oben können Sie sich schnell selbst überzeugen: Ringsum nur nirgendwo. Sein Stamm ist aber schon seit langem sitzhaft geworden.
Er hat vor, in nächster Zeit mal Urlaub zu machen, will wohl in die schweizerische Schweiz. Mit dem Flugzeug. Habe ihn gewarnt. Da ist ja erst kürzlich wieder eine Maschine umgefallen, aus tausend Metern Höhe. Und dazu habe ich noch ein schlimmes Gewissen, denn ich hab’s ihm erst vorgeschlagen.
Jetzt aber erst mal Schluß. In ein paar Minuten habe ich Feierabend. Mein Kollege wird gleich da sein und sich für Sie benehmen. Im Büro machen wir beide immer Fliegenwechsel.
Wenn Sie nicht mehr warten wollen, dann ab zum Fleischer, Lyona kaufen.
Also bis neulich.
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