Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 6. Februar 2006, Heft 3

2766,64 Zloty

von Gerd Kaiser

Die Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung (FPNP) in Warschau hat im großen und ganzen die bescheidenen Auszahlungen für Opfer deutscher Herrschaftspolitik in Polen zwischen 1939 bis 1945 abgeschlossen. Beispielsweise erhielt ein Kind, das damals jünger als sechzehn Jahre in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten mußte, 2766,64 Zloty sowie eine gewisse Zeit später nochmals 255,65 Euro – natürlich in Zloty ausgezahlt. Seit vergangenem Jahr werden soziale und medizinische Beihilfen für die ständig kleiner werdende Gruppe polnischer Naziopfer immer wichtiger. Insgesamt waren es knapp drei Millionen Polen gewesen, die ihrer Freiheit entweder völlig oder teilweise beraubt, hinter Stacheldraht und in Baracken zusammengepfercht oder auf deutschen Bauernhöfen von ihren Familien auf Jahre getrennt leben mußten.
Im Oktober 1991 legte die Stiftung ihr Archiv an, im Spätherbst vergangenen Jahres war der Bestand auf insgesamt fünftausend laufende Meter Akten angewachsen, insgesamt mehr als zehntausend Einheiten. Es sind Briefe, Postkarten, Berichte und Erinnerungen, letztere vor allem von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Ferner verfügt das Archiv über Akten deutscher Behörden, zeitgenössisches Kartenmaterial, Filmaufnahmen und Mitschnitte von Rundfunksendungen. Ein Schwerpunkt des Archivbestands sind Quellen zur massenhaften Ausbeutung polnischer Arbeitskraft.
An der Sammlung beteiligt sind neben der Stiftung unter anderem die Polnische Vereinigung der Opfer des Nazismus, das Internationale Auschwitzkomitee und der Polnische Verband ehemaliger politischer Häftlinge in hitlerschen Haftanstalten und Konzentrationslagern.
Im Oktober 2005 stellte die Stiftung der Öffentlichkeit eine Ausstellung zum Thema Erinnerung bewahren vor. Eröffnet wurde sie im Dorf Mnichow, einem von dreihundert polnischen Dörfern, die während der Okkupation – ähnlich wie das tschechische Lidice – von Grund auf zerstört und deren Bewohner ermordet wurden. Ehe die Ausstellung auch im Ausland zu sehen ist (es ist auch an Deutschland gedacht), wird sie in weiteren polnischen Dörfern und Städten gezeigt werden; später soll sie »Gastrecht« im Sejm und im Senat erhalten.
Nach einem ersten Band – Erinnerung bewahren (2005) – werden, beginnend 2006, zwei Bände jährlich, mindestens zehn Bände mit annähernd fünfhundert Seiten Text, Fotos, Faksimiles erscheinen, die ausgewählte Quellen aus dem einmaligen historischen Fundus des Archivs der Stiftung enthalten. Der erste und bereits erschienene Band stellt vor allem die Erinnerungen von polnischen Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern vor, die damals zwischen acht und 28 Jahren alt waren. Die weiteren Bände sollen neben Erinnerungen auch historische Dokumente enthalten. Einige Bände werden dem Schicksal spezieller Opfergruppen gewidmet sein und speziellen Orten der Verfolgung. Professor Dr. Jerzy Sulek sagte gegenüber dem Autor in einem Gespräch Anfang Oktober 2005 in Warschau über das Anliegen dieses neuen und einmaligen wissenschaftlichen und editorischen Projekts: »Wir sind es den Opfern schuldig, jenen die überlebt haben, und jenen, die für immer von uns gegangen sind. Ihnen gebührt unsere Erinnerung, die Erinnerung daran, was sie zwischen 1939 und 1945 erleben mußten.«
Für den der polnischen Sprache nicht mächtigen deutschen Leser dürfte wichtig sein, daß jeder Band mit einer knappen deutschsprachigen Zusammenfassung schließt. An Hand des Editionsprogramms darf bereits jetzt davon ausgegangen werden, daß die Materialien weitere Forschungen zur Geschichte, Medizin, Soziologie, Politologie, Psychologie und Pädagogik anregen und bereichern werden.

Zachowac Pamiec. Relacje i wspomnenia obywateli polskich z pracy niewolniczej i przymusowej na rzecz III. Rzeszy 1939-1945 (Erinnerung bewahren. Berichte und Erinnerungen polnischer Bürger an die Sklaven- und Zwangsarbeit für das III. Reich 1939-1945), Hsg.: Fundacja »Polsko-Niemieckie Pojednanie« (Stiftung »Polnisch-Deutsche Aussöhnung«). Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Jerzy Sulek, Einführung und Bearbeitung von Dr. Józef Lipiec und Dr. Henryk Piskunowicz, Warszawa 2005, 478 Seiten, Fotos, Faksimiles. Die FPNP ist folgendermaßen zu erreichen: 00-921 Warszawa; ul. Krucza 36; Internet: www.fpnp.pl