von Martin Nicklaus
Deutsche Soldaten sterben in Afghanistan im Kampf gegen den Terror? Müssen also junge Burschen ihr Leben lassen, damit im demnach schwer terrorbedrohten Deutschland Jahr um Jahr tausende Stellen bei der Polizei abgebaut werden können, für die Geld fehlt, während das Afghanistanabenteuer jährlich drei Milliarden Euro verschlingt? Meinen Politiker das, wenn sie vom „Opfer bringen“ schwadronieren?
Bisher vergrößerte der zur Aufbauhilfe verklärte Militäreinsatz Elend, Zerstörung und Armut, sowie, originellerweise, die Anbauflächen für Mohn und Cannabis. Von Al Qaida dagegen keine Spur, wie General Stanley McChrystal, Chef jener Mission, die für die Einheimischen den Terror repräsentiert, während sie die Taliban ihre Brüdern nennen, bestätigte.
Warum also sind unsere Truppen dort? Köhler Horst plauderte den grundgesetzwidrigen und durch Ammenmärchen von Mädchenschulen und Brunnenbohrern kaschierten Zusammenhang von Wirtschaftspolitik und Militäreinsatz aus. Bereits 2004 sah Ralf Clement, damals Leiter der Abteilung Hintergrund im Deutschlandfunk in der Bundeswehr ein Instrument der Außenpolitik, die wiederum Wirtschaftsinteressen dient. Freunde besonderer Literatur, hier das „Weißbuch 2006“ des Verteidigungsministeriums, wußten ebenfalls: „Die steigende Importabhängigkeit Deutschlands … von fossilen Energieträgern erfordert eine Intensivierung des Dialogs und der Kooperation zwischen Förder-, Transit-, und Verbraucherländern …“. Demnach, und das wäre doch mal eine recht hübsche Formulierung, führen wir derzeit einen intensiven Dialog mit einem Transitland. Natürlich führen die USA diesen Dialog und wir dackeln schwanzwedelnd, was „grenzenlose Solidarität“ genannt sein will, hinterher.
Ursprünglich bestand eines der propagandistisch herausgestellten Hauptziele der USA darin, Osama bin Laden, wegen seiner Verstrickung in die Septemberanschläge 2001, vom Hindukusch abzuholen. Eine Verstrickung übrigens, die dem FBI bis heute verborgen blieb, da man ihn dort lediglich wegen anderer Vergehen sucht. Dessen ungeachtet sahen wir gerade in Dubai, wie der Mossad unliebsame Gegner „abholt“, ohne sich dabei um Hotelkameras zu scheren. Eine kleine Kommandoeinheit ging rein, tötete einen Hamas-Führer und löste sich in Wohlgefallen auf.
Oberflächlich betrachtet, könnte man auf die Idee kommen, eigentlicher Sinn des Feldzuges seien die optimalen Bedingungen für den Anbau von Drogen, weil damit für gewöhnlich allerhand Dunkelweltliches finanziert wird, siehe Iran-Contra-Affäre. Ganz sicher aber meinte Zbingniew Brzezinski 1997 in seinem Buch „The Grand Cheesboard“, dessen Titel auf Lord Curzon Bemerkung vom Ende des Neunzehnten Jahrhunderts anspielt: „Turkestan, Afghanistan, Transkaspien, Persien, für mich sind das Figuren auf einem Schachbrett im Kampf um die Weltherrschaft“, etwas anderes bezüglich seines „eurasischen Balkans“, zu dem er neben alten Sowjetrepubliken Afghanistan zählt: „In diesem Hexenkessel geopolitischer Macht stehen somit der Zugang zu möglicherweise großem Reichtum, die Erfüllung nationaler und/oder religiöser Missionen und Sicherheit auf dem Spiel. In erster Linie jedoch geht es um Zugang zur Region.“
Ein Jahr vor dem Erscheinen des Buches waren die Taliban noch gern gesehene Gesprächspartner für US-Diplomaten und erst recht für die Verhandlungsführer der Ölfirma Unocal, unter ihnen ein gewisser Karzei, die eine Pipeline durch das Land ziehen wollten und sich von ihnen jene dafür notwendige politische Stabilität erhofften. Bald allerdings mußte Außenministerin Albright, die kein Problem darin sah, mit ihrer kruden Sanktionspolitik eine halbe Million Kindern im Irak zu töten, die Frauenrechtsfrage aufwerfen, da die Taliban sich einerseits erdreisteten, wegen der Pipeline mit einer weiteren, nichtamerikanischen Ölgesellschaft zu verhandeln, zum anderen sich unfähig erwiesen, Stabilität herzustellen.
Im Schatten dieser Weltlage bildet sich, ebenfalls 1997, das extrem nationalistische Project for the New American Century (PNAC). Unter den Gründern Dick Cheney, damals Chef von Haliburton, der erklärte: „Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der eine Region so plötzlich strategisch so wichtig geworden ist wie jetzt die kaspische Region.“
Den PNAC-Leuten war bewußt, und das schrieben sie in ihr Manifest, die offen angestrebte US-Weltherrschaft blieb bei der damaligen politischen Lage unerreichbar, ohne ein neues Pearl Harbor.
Aber erstmal schlug im Juli 2000 eine Bombe ganz anderer Art ein und zwar in Form einer Meldung vom Kaspischen Meer über den Fund des neu entdeckten gigantischen Öl- und Gasfeldes Kaschagan.
Nachdem PNAC und mit ihm die Ölindustrie Dezember 2000 mittels Richterspruch zu einer Wahlfarce, die an Erwin Chargaffs Bezeichnung der USA als „Dritte-Welt-Land“ erinnerte, hinter Bush II. die Positionen des Vizepräsidenten (wieder Cheney) und seines Stabschefs, des Außenministers und seines Stellvertreter sowie eines Präsidentenberaters besetzte, glaubten sie sich ihrem Ziel nahe.
Statt der erhofften Machtmehrung gelang es dem Präsidenten jedoch innerhalb kürzester Zeit, gekrönt von Gesichtsverletzungen nach dem feigen Angriff einer Brezel auf die präsidiale Atmung, sich und damit seine Nation, die unter Clinton in all zu großer, teilweise, und deshalb für andere Staaten um so unerträglicheren, berechtigten Selbstherrlichkeit badete, lächerlich zu machen. Dem Magazin Rolling Stone fiel daraufhin nur die wenig abwegige Frage: „Ist Bush blöd?“ ein. Politisch entstanden Spannungen mit den Chinesen wegen der Crew eines Spionageflugzeuges, mit Japan wegen einem von einem US-U-Boot versenkten japanischen Fischertrawler und entsprechenden Toten, mit der Weltgemeinschaft insgesamt wegen der Bombardierung des Iraks sowie der Ablehnung des Kioto-Protokolls.
Just in diese für Welteroberungspläne aussichtslose Situation krachen Flugzeuge in amerikanische Gebäude und die PNAC-Männer erhielten ihr Pearl Harbor. Mit Bezug auf „The Grand Cheesboard“ entstand bald der Verdacht, hier hätte sich jemand durch Opferung zweier Türme in eine günstige strategische Position gebracht. Für diese Interpretation sprach ein kurz vor den Anschlägen erschienener Bericht des US Energieministeriums, in dem es hieß: „Afghanistans Bedeutung besteht in seiner geographischen Lage als potentielle Transitroute für Öl- und Gas-Exporte von Zentralasien zum Arabischen Meer.“
Wie dem auch war, der zum Kriegskönig gewandelte Präsident nutzte, getrieben von PNAC, die Gelegenheit zum Aufbruch an den Eurasischen Balkan, sich mitten zwischen den Machtaspiranten China und Rußland, mit einem Heer aus aller Herren Länder, das gegen Freischärler aus aller Allahs Ländern kämpft, was der Generalbundesanwalt einen „nichtinternationalen Konflikt“ nennt, einen „unsinkbaren Flugzeugträger“ zu sichern.
Ein sinkbares Pendant, die USS Harry S. Trumen dagegen hält, in Begleitung des deutschen Schlachtschiffs „Hessen“, Kurs auf den Persischen Golf und wir dürfen gespannt schauen, welche weiteren Einsätzen der umgangssprachliche Kriegsminister Guttenberg meinte und wie der Truppenabzug Obamas aussehen wird. Zieht der amtierende Friedensnobelpreisträger in diesem Eurasischen Schach demnächst einfach nur seine Bauern westwärts und macht sich an ein Land mit „I“ ran?
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