von Axel Fair-Schulz
Die US-Regierung von Bush II und seinem sinistren Strippenzieher Dick Cheney macht es differenzierend Denkenden aller Lager beim besten Willen nicht leicht, Amerika und seine politische Kultur nuanciert zu betrachten. Ganz zu schweigen von der Schar ultraagressiver und radikalkonservativer TV-pundits, die wie Rush Limbaugh, Ann Coulter und Sean Hannity die nordamerikanischen Radio- und Fernsehwellen überschwemmen. Verglichen mit diesen demagogischen Fußsoldaten der Bush-Junta waren Propagandisten à la Karl Eduard von Schnitzler und Gerhard Löwenthal fast noch Musterbeispiele eines ausgewogenen Journalismus. Coulter, in ihrem von fanatischem Haß gegen alles, was nicht ultrarechts ist, versteigt sich in ihren Verlautbarungen zu immer bizarreren Positionen. So schrieb sie in ihrem Nachruf auf den rechts-evangelikalen Prediger Jerry Falwell, dieser hätte mit seiner Diagnose durchaus recht gehabt, daß die Anschläge vom 11. September nur wegen der von »Heiden und Abtreibern und Feministen und Homosexuellen und Lesben …« verschuldeten Schwäche Amerikas möglich waren. Allerdings beklagt sich Coulter darüber, wie der ehrwürdige Christ Falwell nur als Hauptschuldigen Ted Kennedy vergessen konnte.
Solch tollwütiges Geschwätz verbreitet die Dame auch in Buchform, zumeist mit großem finanziellen Gewinn. Desweiteren deklariert Coulter in Treason: Liberal Treachery from the Cold War to the War on Terrorism offen ihre Symphatie für Senator Joe McCarthy. Der gewiß nicht übermäßig linke – liberale – Historiker Arthur Schlesinger jr. jedoch sowie selbst Präsident Harry S. Truman und George Marshall, werden von Coulter als prosowjetische Landesverräter denunziert. Mit derartigen Machwerken schaffen es Coulter und Konsorten immer wieder auch auf die Bestsellerlisten der New York Times. Übrigens bedauerte Coulter es mehrfach, daß der Oklahoma-City-Bomber Timothy McVeigh nicht auch die Zentrale der von ihr als linksradikal bezeichneten New York Times gleich mit in die Luft gejagt habe.
Neben den vulgären TV-Kampfhunden der Bush-Kamarilla gibt es noch die sogenannten NeoCons, ein Netzwerk intellektueller rechter Weltveränderer, die sich zumeist auf die viel komplexeren Ideen von Leo Strauss berufen und deren führende Vertreter sich in den vergangenen Jahren durch erstaunliche Inkompetenz, Naivität und Korruption selbst um Rank und Würde brachten. Das Beispiel von Paul Wolfowitz’ Übervorteilung seiner Lebensgefährtin sowie seiner eigenen ideologischen Borniertheit bei seinem Vorgehen in der Weltbank ist noch sehr gegenwärtig. Ganz zu Schweigen vom Irak-Krieg, dem großen Projekt der NeoCons nach Bushs Machtübernahme.
Inzwischen hat sich ein anderer ihrer führenden Vertreter, Francis Fukuyama – in Deutschland in erster Linie wegen seines nur allzuoft mißverstandenen The End Of History and the Last Man bekannt – vom NeoCon-Mainstream distanziert und mit America at the Crossroads: Democracy, Power, and the Neoconservative Legacy seine ehemaligen Gesinnungsgenossen einer tiefschürfenden Kritik unterzogen. Ironischerweise beschreibt Fukuyama, wie »leninistisch« die NeoCons den Gang der Geschichte durch ihre kämpferische Entschlossenheit beschleunigen und in die vermeintlich richtige Richtung drängen wollen. Bei den bolschewistischen Leninisten führte dies zu einer Tragödie, so Fukuyama in Anspielung auf Marx, bei den unter Bush II in die Schlüsselstellen Washingtoner Macht gelangten Neokonservativen wurde es zu einer Farce.
Doch sollte sich gerade eine emanzipatorische Linke von den Bushisten – einschließlich ihrer diversen Vorgänger und Nachfolger – keine Schwarz-Weiß-Malerei aufschwatzen lassen und auch die durchaus vorhandenen völkisch-konservativen Wurzeln kruder antiamerikanischer Reflexe klar erkennen. Ein unrühmliches Beispiel für diese Art von antiamerikanischem Diskurs ist der konservative Polemiker Jochim Fernau.
Sein von Bildungskitsch für einen mittleren Geschmack nur oberflächlich verdeckter Kulturchauvinismus und Amerika-Haß sind besonders in seinem Machwerk Halleluja: Die Geschichte der USA sichtbar, das an Unausgewogenheit und barem Unfug schwerlich zu überbieten ist. Leider gibt es auch eine linke Tradition antiamerikanischer Reflexe. Selbst ansonsten sehr lesenswerte Arbeiten wie Gerhard Zwerenz’ Sklavensprache und Revolte: Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West sowie Käthe Reichels Windbriefe an den Herrn b.b. sehen in den USA wenig mehr als eine infantile Populärkultur und einen recht monolithisch geprägten American Way of Life, wobei Reichel zumindest auch ein anderes und kritischeres Amerika andeutet.
Wir sollten Hans Mayers Warnung aus dem zweiten Band seiner Memoiren, Ein Deutscher auf Widerruf, nicht vergessen. Ernsthafte Amerikabeobachter und Besucher merken bald, wie »einem Klischee, das sich bestätigt, fast immer ein anderes entspricht, das von der Realität sogleich widerlegt wird«. Die USA sind eben nicht nur das Land des militärisch-industiellen Komplexes, vor dem übrigens selbst der republikanische Präsident Eisenhower warnte, sondern zugleich das Land von kämpferisch-kritischen Geistern wie Henry David Thoreau und der legendären Gewerkschaftsaktivistin Mother Jones sowie Martin Luther King, um nur wenige Beispiele zu nennen. Zivilgesellschaftliche Bestrebungen für Bürger- und Sozialrechte haben in dieser ältesten Demokratie der Neuzeit tiefe Wurzeln. Jürgen Kuczynski berichtete über seinen ersten Amerikaaufenthalt in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wie enthusiastisch er die amerikanische Literatur und Kultur in sich aufgenommen habe. Schließlich, so Kuczynski, habe es nicht in allzu vielen Ländern gleich zwei siegreiche bürgerliche Revolutionen (1776 und 1865) gegeben. Bei aller berechtigten Kritik an spezifischen Strukturen und Administrationen sollte dies immer mitgedacht werden.
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