Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 26. Mai 2008, Heft 11

Klarere Worte statt schärferer Töne (II)

von Heerke Hummel

Lieber Herr Stelbrink! Nichts lag mir ferner, als Georg Fülberth »zurechtzuweisen«. Das habe ich auch nicht getan. Ich berief mich auf ihn als Autorität, um auf die Gefahr hinzuweisen, daß DIE LINKE in Ermangelung neuer theoretischer Fundamente sozialdemokratisch verwässert. Bei meiner Auseinandersetzung mit »konservativen Kommunisten« habe ich an Fülberth schon gar nicht mehr gedacht, hatte ihn auch persönlich nicht im Auge. Weder ihn noch andere habe ich zu »Zitatenhanseln« »degradiert« und bitte darum, mir das nicht zu unterstellen! Mir geht es um eine ganz sachliche Feststellung der Veränderungen in der Weltökonomik im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts.
Die habe ich verschiedentlich an anderer Stelle behandelt (vergleiche neben meiner Internetseite zum Beispiel den Text Der Wert in der Finanzform, der in der Juni-Ausgabe von Utopie kreativ erscheint; oder Währung ohne Basis, in: junge Welt, 10. August 2006). Meine Schlußfolgerung daraus: Das Geld hat mit seiner Abkopplung vom Edelmetall aufgehört, selbst eine (»allgemeine« – Marx) Ware zu sein, und sich in ein reines Arbeitszertifikat verwandelt. Wieviel gesellschaftliche Arbeit in einem Produkt vergegenständlicht ist (der Wert einer Ware), wird nicht mehr im Gebrauchswert einer Geldware dargestellt (Marx), sondern direkt, wenn auch verschleiert ausgedrückt, in Arbeitsmengen. Denn die Geldeinheit vertritt und repräsentiert nicht mehr eine bestimmte Menge Ware (Gold), sondern direkt eine bestimmte Menge gesellschaftlicher Normalarbeit, je nachdem wieviele Geldeinheiten im Durchschnitt pro Arbeitsstunde tatsächlich vergütet werden.
Dies ist allerdings eine andere ökonomische Beziehung als die, die Marx – den damaligen Verhältnissen entsprechend – im Kapital untersuchte. Mit Warenproduktion, auch kapitalistischer, wie von Marx untersucht, hat das alles nichts mehr zu tun. Auf 250 bis 300 Dollar Devisen- und Finanztransaktionen, heißt es, kommt heute ohnehin nur noch ein Dollar wirklicher Warenverkehr, so daß diese Transaktionen gar nichts mehr mit wirklicher Erzeugung von Gütern und Waren zu tun haben. Wir brauchen daher eine neue Analyse der heutigen (Finanz-) Gesellschaft.
Wir brauchen eine solche neue Analyse, um die Idiotie und den Wahn offenzulegen, denen die ganze heutige Gesellschaft mit ihrem Glauben verfallen ist, Finanzvermögen sei Reichtum. DIE LINKE braucht sie als Orientierungsrahmen, wenn sie die Übel der heutigen Welt an der Wurzel bekämpfen will. Dabei kann es nicht darum gehen, den gesellschaftlichen Sachreichtum noch einmal zu Volkseigentum zu erklären. Es kommt darauf an, mit ihm vernünftig zu wirtschaften beziehungsweise – auf der Grundlage entsprechender Rechtsvorschriften – wirtschaften zu lassen. Und dafür bedarf es, denke ich, eines neuen Verständnisses vom Wesen des Geldes in seiner heutigen Konstitution.
Die bestehenden Verhältnisse sind nicht durch eine Partei zu verändern, sondern nur durch die ganze Gesellschaft. Auch das sollte eine Lehre aus dem vorigen Jahrhundert sein. Mit einer neuen Theorie muß die Grundlage für ein neues Denken in der ganzen Gesellschaft geschaffen werden. Diese neue Aufklärung halte ich für die vielleicht größte Herausforderung der Linkspartei und überhaupt der Linken. Politiker und Parteien können immer nur Impulse geben. Bereit sein zu handeln, muß die Gesellschaft als ganze – nicht aufgrund diktatorischer Zwangsmaßnahmen, sondern aus Einsicht in die Notwendigkeit.. Ich würde also vorschlagen, weiter sachlich darüber zu diskutieren!