von Günther Drommer
Neulich stand ich zum erstenmal vor dem Flaschenrücknahme-Automaten von »Netto«. Den bei »Kaisers« kannte ich schon. Zwischen beiden besteht ein gravierender Unterschied. Bei dem einen heißt die Devise: Flaschenboden voran, bei dem anderen jedoch: Hals voran. Ehe ich diesen Unterschied begriffen hatte, waren drei Flaschen als nicht zurücknehmbar wieder aus dem Loch herausgekommen. Ich war grundlos wütend, obwohl ich das parfümierte Zuckerwasser doch wirklich dort gekauft und die Flaschen bei der Rückgabe gar nicht verwechselt hatte, worauf ich als alternder Mann doch ziemlich stolz bin. (Nebenbei: Ich krieg auch noch fast jede Büchse auf, trotzdem werde ich im fortgeschrittenen Greisenalter vor geschlossenen Büchsen verhungern, die sich mir alten Deppen dann hohnlachend verweigern. Glückliche Jugend!)
Herr Mehdorn weiß bestimmt nicht, wo er welche Flaschen gekauft hat und demzufolge auch wieder zurückgeben muß, und ob er heute die Stelle findet, wo man bei einem Päckchen in Scheiben geschnittenen Bierschinkens ziehen, knicken oder drehen muß, wage ich zu bezweifeln. Dieser letzte Satz ist jedoch beileibe keine Aufforderung zur Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Lande oder, Gott behüte, zur endlichen Vollendung der halben Revolution von 1918.
Dann drehten sich die Flaschen ordentlich, und ich begriff, die eine hat den Bauch weiter oben, die andere weiter unten, die dritte hat zwei Bäuche, und das alles weiß die Maschine. Und zum Beispiel die ganz ohne Bauch, die gibt sie zurück, die gehören einem anderen Discounter, wie der Koofmich von früher heute heißt. Eine Flasche kam dann doch zurück: Barcode nicht erkannt! So ähnlich wird das in wenigen Jahren sein, wenn du deinen neuen fälschungssicheren Personalausweis mal nicht dabei hast. Dann werden sie dir vorsorglich einen Barcode an die Innenseite deiner Haut genäht haben (tut überhaupt nicht weh), dich in eine Art Computertomographen schieben, drehen und passieren lassen: Barcode erkannt! Hauptsache nur, du hast auch den Bauch an der richtigen Stelle, sonst wirst du abgeschoben zu einem anderen Discounter. Deutsche Bürokratie eben. Die ist und bleibt unergründlich. Auch deshalb ist die DDR einst untergegangen: Ihre Bürokratie war von der des Volksteils auf der anderen Seite mit Leichtigkeit zu übertreffen, oder zu toppen, wie es heute heißt.
Nehmen wir nur mal die Deutsche Post. Seit ich Lesen und Schreiben kann, gucke ich bei jedem Brief zuerst auf die Marken. Sind die nicht abgestempelt, was tatsächlich hin und wieder vorkommt, ich schätze vielleicht zwanzigmal in meinem ganzen Postkundenleben, dann schneide ich die Marke aus, weiche sie in einer Untertasse mit Wasser von ihrem Untergrund ab (geht auch bei den neueren), trockne sie zwischen Küchenkrepp und bei nächster passender Gelegenheit, obwohl etwas krumpelig, klebe ich sie gnadenlos mit Büroleim noch mal auf. Das werde ich solange so treiben, bis die Post Konkurs anmeldet, was sicher bald passieren kann, denn Bahn und Post, und ihre beiden Ehemaligen, die Herren Mehdorn und Zumwinkel, sind ja Brüder in Christo. Der eine hat sich als nächstes eine Fluggesellschaft vorgenommen, wenn das Bugrad bei der Landung einer Maschine bricht, das macht auch Wirkung. Bei dem anderen Herren warten wir noch. Sollte der wieder zur Post gehen, um später seine feudalabsolutistische Abfindung etwas aufzubessern, könnte er zum Beispiel einen Automaten in Auftrag geben, der zuverlässig zum zweitenmal aufgeklebte Marken erkennt und Leute wie mich dingfest macht. Maschinen zu konstruieren, die Briefe und Karten gleich richtig abstempeln, das schaffen die sowieso nie. Herzliche Sommergrüße.
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