von Thomas Langbein
Jürgen Trimborn jedenfalls nicht. Der 1971 in Köln geborene Medienwissenschaftler räumt mit seinem Werk „Arno Breker. Der Künstler und die Macht“ mit Geschichtsklitterung, Mystifizierung und bewusstem Wegschauen gründlich auf und schafft erstmalig eine hervorragend dokumentierte Biografie über den Lieblingsbildhauer Hitlers und Vorzeigekünstler der Nazis. Dabei betont der Verfasser, dass es sich um eine unautorisierte Arbeit handeln muss, denn die Familie Breker gewährte keinen Zugang zum Nachlass des Künstlers und auch der selbsternannte Verwalter des Brekerschen Erbes, Joe F. Bodenstein war nicht kooperativ. Jedoch helfen eine Vielzahl neuer Archivfunde sowie Aussagen oft mühselig gefundener Zeitzeugen darüber hinweg. Somit gehört Trimborn das Verdienst, mehr Licht in Brekers Leben gebracht zu haben. Er kommt so zu einer bedeutenden Korrektur des bisherigen Bildes. Zweifellos hätte die Biografie aber durch Straffung sich oft wiederholender resümierender Stellen gewonnen.
Der Werdegang Arno Brekers beginnt nach dem Ersten Weltkrieg mit der Ausbildung als Steinmetz und Studium an renommierten Lehranstalten. Die Wandervogelbewegung mit ihren linksbürgerlichen Tendenzen und die Begegnung mit avantgardistischen Kunstrichtungen tragen zu seiner Formung bei. Großen Anteil hatten auch jüdische und liberale Persönlichkeiten, deren prominentester der Kunsthändler Alfred Flechtheim war. Er vermittelte auch Kontakte zu wohlhabenden und bekannten Zeitgenossen, zuerst in Düsseldorf und Köln, dann in Berlin und vor allem in Paris, wo Breker von 1928 bis Ende 1933 lebte. 1932 erhielt er den Rom-Preis der Preußischen Akademie der Künste verbunden mit einem Studienaufenthalt in der Villa Massimo. Brekers Bekanntheitsgrad in der Kunstwelt stieg.
Umso unverständlicher ist sein Entschluss, Ende 1933 nach Deutschland zurückzukehren. Sein Förderer Flechtheim und andere hilfreiche Gefährten waren schon längst emigriert oder sahen sich Schikanen ausgesetzt. Trimborn erinnert, dass im Mai 1933 der neue Reichsminister für Volksaufklärung, Josef Goebbels, in Rom weilte und unter anderem mit den Stipendiaten der Villa Massimo zusammentraf. Später schildert Breker in seinen Memoiren den großen Eindruck, den Goebbels mit seinem Werben „für die neue Staatsform … ihre Ziele, Hoffnungen und Pläne“ bei ihm hinterließ. Der Rom-Aufenthalt sei „eine schicksalshafte Wende“ für ihn gewesen. Breker brach den Aufenthalt ab und siedelte nach Berlin über. Goebbels brüstet sich später in seinen Tagebüchern, Breker dem „Führer“ zugeführt zu haben.
Wieder in Deutschland half ihm besonders Max Liebermann, der sich auf Druck der Nazis bereits ins Privatleben zurückgezogen hatte und dem Breker 1935 die Totenmaske abnehmen sollte. Doch der Blick Brekers war auf die künstlerischen Vorstellungen der neuen Machthaber gerichtet und bereits 1935 zierten seine Werke offizielle Gebäude. In Vorbereitung der Olympischen Spiele 1936 geriet er erstmals ins Visier Hitlers. „Ich war besessen von der Aussicht, im Rahmen grosser architektonischer Zusammenhänge meine Skulpturen aufstellen zu können.“ Das war der entscheidende Bruch in Brekers Schaffen. Verstärkt setzte er künstlerisch rassistische und ideologische Vorstellungen der Naziführung um. Mit großer Hingabe fertigte der „Michelangelo des 20.Jahrhunderts“ Skulpturen, Plastiken und Reliefs für Hitlers geplante „Welthauptstadt Germania“. Von Albert Speer und Hitler erhielt er dazu umfangreiche Vollmachten und Privilegien. Der Einzug in die ehemalige Villa Walter Rathenaus, die Herrichtung des Schlosses Jäckelsbruch bei Wriezen (als Geschenk Hitlers) und der Bau von Staatsateliers gehören ebenso dazu wie die Beschäftigung von Zwangsarbeitern.
Die Freundschaften zu früheren Förderern und Helfern gingen dabei zu Bruch. Besonders tragisch sind die Schicksale der Witwe von Max Liebermann, die sich 1943 um der Deportation zu entgehen das Leben nahm und der Witwe seines alten Gönners Flechtheim, die am Vorabend ihrer Deportation Selbstmord beging. Im Fall von Anna Lenzberg, Witwe des früheren Düsseldorfer Senatspräsidenten, waren Appelle an Breker, den Abtransport der Siebenundsiebzigjährigen zu verhindern vergebens. Andererseits nutzte er seinen Einfluss, um nicht ohne Eigennutz Gefährdeten zu helfen. Peter Suhrkamp, im KZ Sachsenhausen interniert, sollte später behaupten, dass Breker ihm das Leben gerettet habe.
Wie andere Naziführer flüchtete Breker vor der herannahenden Roten Armee nach Süddeutschland, während die Zwangsarbeiter in den „Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker“ in Wriezen die verhassten Hitlerköpfe und Reichsadler zerschlugen und in die Alte Oder versenkten.
Mit konsequentem Leugnen seiner Verstrickungen in das NS-Regime und eigener Darstellung als Opfer in der Nachkriegszeit schuf er eine Legende, die sich immer mehr verfestigte. Die zweite Karriere Arno Brekers begann nach dem Spruchkammerverfahren 1948, das ihn nur als „Mitläufer“ einstufte. Nun war er offiziell entlastet und konnte sich zum bestbezahlten Bildhauer Nachkriegswestdeutschlands hocharbeiten. Porträtierte er früher Naziführer, so waren es jetzt Spitzen der deutschen Wirtschaft wie Quandt, Oetker, Gerling, Schickedanz, aber auch Ernst Jünger, Winifred Wagner und Altbundeskanzler Ehrhard Alte Seilschaften halfen ihm zudem wieder Fuß zu fassen. Trimborn gibt umfassend Auskunft zu Brekers Kontakten zur rechten Szene in der Bundesrepublik – beispielsweise zu Werner Naumann, ehemalig hochrangiger SS-Mann und Staatssekretär im Goebbelsministerium, der in den 50er Jahren aktiv gegen die junge Demokratie arbeitete, bis er 1953 von der britischen Besatzungsmacht verhaftet wurde.
Arno Breker starb hochbetagt 1991. Die gesamte Nachkriegszeit arbeitete er letztendlich erfolglos an seiner Rehabilitierung. Eingeständnisse einer Mitschuld oder gar Reue sucht man vergebens. Bezeichnenderweise schmückt seinen Grabstein der von Hitler persönlich verliehene Professorentitel. Wie die unversöhnliche Debatte anlässlich der Schweriner Breker-Ausstellung 2006 deutlich machte, ist Schaffen und Werk Brekers nach wie vor heftig umstritten.
Wie nun weiter mit Breker? Jürgen Trimborn schreibt im Epilog seines Buches, dass sich dessen Werk nicht problemlos in die Kunstgeschichte des vergangenen Jahrhunderts einreihen lässt. „Als Künstler, der wie kein anderer für den Kunstgeschmack Adolf Hitlers und seines Regimes gestanden hat, wird Arno Breker auch weiterhin eine eher historisch als kunsthistorisch aufschlussreiche Figur bleiben.“ Der Umgang mit Arno Breker wird sich zukünftig auf die vorliegende Biografie Jürgen Trimborns mit seinem umfangreichen Quellenmaterial stützen müssen.
Jürgen Trimborn: Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biografie, Aufbau-Verlag, Berlin 2011, 712 Seiten, 29,99 Euro
Schlagwörter: Arno Breker, Jürgen Trimborn, NS-Kunst, Thomas Langbein