28. Jahrgang | Nummer 20 | 17. November 2025

Neue Hoffnungen in Irland

von Brigitta Wagner

Wahlen für das Amt eines Staatspräsidenten können eine amtierende Regierung in ihrer Politik bestätigen oder eine Richtungsänderung einleiten. Der Staatspräsident der Republik Irland ist nach gegenwärtigem Verständnis weitgehend mit repräsentativen Aufgaben betraut, wobei bereits der gegenwärtige Staatspräsident Michael D. Higgins neue außenpolitische Akzente, beispielsweise zum Gaza-Konflikt, setzte. Irische Staatspräsidenten werden direkt vom Volk für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt und können für maximal zwei Amtszeiten diese Position innehaben.

Nach dem Wahlsieg von Sinn Féin („Wir selbst“) bei den letzten Wahlen im Dezember 2024 in Nordirland und der Besetzung des Amtes der Ersten Ministerin durch Michelle O’Neill, eine Sinn Féin-Abgeordnete, zeichnen sich ähnliche Veränderungen in der Republik Irland ab.

Sinn Féin ist in beiden Parlamenten in Nordirland und der Republik Irland vertreten, gegründet im Jahr 1905 mit dem erklärten Ziel, eine vom Vereinigten Königreich Großbritannien eigenständige Republik durchzusetzen. Durch den anglo-irischen Vertrag von 1921 wurde Irland die staatliche Teilung der Insel in die Republik Irland und den zum Vereinigten Königreich Großbritannien gehörenden Teil Nordirland, letztendlich mit militärischen Mitteln, aufgezwungen.

In der Republik Irland regierten im Wechsel oder in Koalitionen vorrangig zwei Parteien, Fine Gael (übersetzt etwa „Familie der Iren“), die den anglo-irischen Vertrag unterstützten, und Fianna Fáil (übersetzt etwa „Soldaten des Schicksals“), die den anglo-irischen Vertrag ablehnten und anfangs den Treueeid gegenüber dem britischen König verweigerten. Erster Parteivorsitzender von Fianna Fáil war Éamon de Valera, ein ehemaliges Mitglied des linken Flügels von Sinn Féin, beteiligt am Osteraufstand 1916, Ministerpräsident und später Staatspräsident der Republik Irland in den 1950er Jahren. Bemühungen um Wiedererlangung der staatlichen Einheit beider Teile der irischen Insel tauchten in den Wahlkämpfen der Republik in den vergangenen 100 Jahren immer wieder auf, ohne mit letzter Konsequenz betrieben zu werden. Für die seit Dezember 2024 das Regierungsamt innehabende Koalition aus Fianna Fáil, Fine Gael und einer Regionalpartei in der Republik steht das Streben nach staatlicher Vereinigung der beiden Inselteile explizit nicht auf der Tagesordnung.

Mit dem überwältigenden Sieg von Catherine Connolly bei der Wahl für das Amt des Staatspräsidenten im Oktober 2025 scheint eine Trendwende in der irischen Innen- und Außenpolitik möglich.

Die Zustimmung von 63,4 Prozent der Wähler ist eines der besten Wahlergebnisse, das jemals in der Geschichte der Republik erreicht wurde, damit übertraf sie ihre Konkurrentin Heather Humphreys sehr deutlich, die nur 29,5 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Ein dritter Kandidat schied nach Verwicklungen in eine Immobilienaffäre aus. Einziger Wermutstropfen der Wahl ist die relativ große Zahl der ungültigen Stimmen, die auf ihren Wahlzetteln eine restriktive Migrationspolitik forderten.

Wofür steht Catherine Connolly, deren Namen man außerhalb Irlands bis vor kurzer Zeit kaum kannte?

Sie wuchs als neuntes Kind einer katholischen Familie mit dreizehn Geschwistern in einfachen Verhältnissen in Galway auf und engagierte sich bereits früh in katholischen gemeinnützigen Projekten. In Wahlkampfauftritten, teilweise in fließendem Gälisch vorgetragen, setzte sie sich von ihrer Konkurrentin Heather Humphreys ab, die auf Erfahrungen in mehreren Ministerämtern verweisen konnte und immer wieder die Liebe zur gälischen Sprache und zur irischen Identität beteuerte, jedoch seit Jahren in der Beherrschung des Gälischen nur wenige Floskeln hervorbrachte.

Der Verweis auf die gälische Sprache und den eigenständigen Beitrag der Iren zum Weltkulturerbe traf offensichtlich den Nerv, nachdem den Iren jahrhundertelang die kulturelle Eigenständigkeit abgesprochen wurde. Künstlerische Beiträge von Iren wurden einem gemeinsamen britischen Kulturerbe einverleibt. Gälisch wird zwar nur noch von einer Minderheit auf der Insel gesprochen, ist jedoch augenscheinlich ein Indiz für die kulturelle Abgrenzung von Großbritannien. Schulen mit einem vollständig in Gälisch gestalteten Curriculum wenden sich an Schüler aus einem überregionalen Einzugsgebiet.

Ursprünglich engagierte sich Catherine Connolly in der irischen Labour Partei, aus der sie im Jahr 2000 austrat. Entsprechend ihren Abschlüssen als klinische Psychologin und Juristin arbeitete sie mehrere Jahre in beiden Berufsfeldern.

Erste politische Verantwortung wurde ihr zunächst als Stadträtin in Galway und später als Bürgermeisterin Galways übertragen. Von 2016 bis 2024 gehörte sie dem Parlament der Republik Irland an.

Im Sommer 2024 entschloss sie sich, für das Amt des Staatspräsidenten mit der Unterstützung von Sinn Féin, der Sozialdemokraten, der irischen Labour Partei, der Grünen, People before Profits und weiterer kleiner Gruppierungen zu kandidieren.

In ihren Wahlkampfauftritten griff sie Themen auf, die verschiedene Bevölkerungsschichten offensichtlich ansprachen:

  • baldige Entscheidung in einem Referendum über die staatliche Vereinigung beider Teile der Insel,
  • strikte Einhaltung der Neutralität; Irland ist im Gegensatz zu Großbritannien kein NATO-Mitglied und sollte es nicht werden,
  • kritische Anmerkungen zum EU-Kurs von Ursula von der Leyen, die eine neoliberale und militärische Agenda verfolge,
  • Fortsetzung des liberalen Abtreibungsrechts,
  • Schaffung von ausreichendem Wohnraum für alle Bürger.

Junge Bürger verwiesen immer wieder darauf, dass Iren durch schiere Not gezwungen waren, ihr Land zu verlassen und fern der Heimat für ihr Überleben zu sorgen. Iren wollen nicht länger ihr Land verlassen müssen.

Mit großem Widerwillen registrierte man von deutscher offizieller Seite Catherine Connollys Statement über die deutsche Wirtschaft, „die versuche den militärisch-industriellen Komplex anzukurbeln“, Sie stellte Verbindungen dieser Entwicklung mit vergleichbaren Prozessen in den 1930er Jahren in Deutschland her.

Die Kritik an der gegenwärtigen EU-Politik interpretierten EU-Ratsmitglieder als EU-skeptische Haltung der neuen Staatspräsidentin, die jedoch immer wieder ihre pro-europäische Strategie betonte. In beiden Teilen Irlands hat die EU-Mitgliedschaft messbare ökonomische Vorteile gebracht, die man nicht verlieren möchte. Über die Jahre der gemeinsamen Mitgliedschaft beider Inselteile in der EU haben sich langfristige Verarbeitungsketten diesseits und jenseits der Landesgrenze entwickelt, die nach dem Brexit Großbritanniens unterbrochen wurden und nur durch ein kompliziertes Vertragswerk mit hohem Bürokratieaufwand erneut ausgehandelt werden mussten.

Mit Blick auf die weltpolitischen Konfliktherde verkündete Connolly: „Als neutrales Land haben wir die Pflicht, unsere Neutralität zu nutzen, um Machtmissbrauch anzuprangern, egal wo dieser stattfindet, ob durch Russland oder Amerika, durch welches Land auch immer.“

Mit dem Amtsantritt von Catherine Connolly am 11. November 2025 als Staatspräsidentin wird sich zeigen, ob ihre Landsleute gewillt sind, ihrem ambitionierten Kurs zu folgen und bei den kommenden Parlamentswahlen, spätestens 2030, das von ihr getragene Linksbündnis zu stärken.