28. Jahrgang | Nummer 9 | 5. Mai 2025

Flammenschlagen

Sendschreiben nach Sibirien

 

von Alexander Puschkin

Tief in Sibiriens Schächten sollt
Ihr stolz das schwere Schicksal tragen,
Denn nicht vergeht, was Ihr gewollt,
Nicht Eures Geistes hohes Wagen.

Des Unglücks milde Schwester, trägt
Die Hoffnung in die nächt’gen Räume
Des Kerkers lichte Zukunftsträume,
Bis die ersehnte Stunde schlägt.

Durch alle festen Schlösser dringt
Die Lieb‘ und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in Eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.

Die Fesseln fallen Stück für Stück,
Die Mauern brechen. Freies Leben
Begrüßt Euch freudig, und es geben
Die Brüder Euch das Schwert zurück.

 

Antwort auf Puschkins Gedicht

 

von Alexander Odojewski

Es trafen von des Sehers Saiten
die hellsten Laute unser Ohr.
Wir gierten, mit dem Schwert zu streiten,
doch fanden wir nur Ketten vor.

Stolz, Barde, sind wir auf die Ketten
und stolz auf unsere Kerkernacht.
Auch wenn wir tausend Wächter hätten,
würd heimlich doch der Zar verlacht.

Denn unser Leid wird fruchtbar sein.
Aus Funken wird die Flamme schlagen,
und unser gläubig Volk wird ein
geheiligt Banner tragen.

Aus Ketten wird ein Schwert! Entfacht
mit uns erneut das Freiheitsfeuer!
Gestürzt wird dann des Zaren Macht,
und alle Völker atmen freier.

Beide Gedichte wurden 1827 verfasst.

Der Vers „Aus Funken wird die Flamme schlagen“ wurde das Motto jeder Ausgabe der Iskra (Der Funke). Das war die von Lenin im Münchner Exil initiierte Zeitschrift der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, welche von 1901 bis 1903 erschien.