28. Jahrgang | Nummer 4 | 24. Februar 2025

Erstmals um die ganze Welt

von Alfons Markuske

Um die Welt reisen kann heute jeder, dem es nicht am erforderlichen Kleingeld gebricht. Die Verkehrsmittel sind frei wählbar, und wenn man es nicht vorsätzlich oder durch Unachtsamkeit darauf anlegt, ist Unbill für Leib und Leben kaum zu befürchten.

Vor 500 Jahren freilich, als Ferdinand Magellan am 20. September 1519 mit einer kleinen Flottille von fünf Schiffen von Sanlúcar de Barrameda aus, einer Hafenstadt im südspanischen Andalusien, zu einer Expeditionsfahrt in See stach, die eigentlich „bloß“ eine Westroute zu den Molukken im Fernen Osten, den sogenannten Gewürzinseln, finden sollte und zur ersten Weltumsegelung wurde, sah das völlig anders aus. Ob man einen schiffbaren Kurs entdecken und ob man, falls ja, dann aber den Heimathafen auch wieder erreichen würde, ob man in letzterem Falle als Mitreisender unter den Überlebenden wäre – all dies war völlig offen. Und tatsächlich: Von den ursprünglich 240 Besatzungsmitgliedern kehrten nur 90 lebend nach Europa zurück; 55 davon allerdings vorzeitig – sie gehörten zur San Antonio, die im November 1520 an der Südspitze Lateinamerikas desertiert war. Für 18 der übrigen endete die Fahrt schließlich, als die Victoria als einziges der fünf Schiffen im September 1522 Anker vor der Mole von Sevilla warf. (Für die restlichen 17 dauerte es noch um einiges länger, denn sie waren mit ihrem Schiff im Archipel, zu dem die Molukken gehören und das heute Indonesien heißt, in portugiesische Gefangenschaft geraten.)

Magellan selbst war bekanntlich nicht unter den Rückkehrern; er hatte am 27. April 1521 auf den Philippinen im Kampf mit Einheimischen den Tod gefunden.

Im September 1522 mit an Bord zurück – Antonio Pigafetta. Der war selbst gar kein Seemann und keines sonstigen auf Hoher See nützlichen Handwerks mächtig.

Pigafetta entstammte einer vornehmen Familie aus dem italienischen Vicenza. Er war im Frühjahr 1519 als Mitglied einer päpstlichen Gesandtschaft an den Hof des spanischen Königs Karl I. gekommen und hatte dort von Magellans Expedition erfahren, die zur selben Zeit in Sevilla vorbereitet wurde. Der König gestattete ihm, als „Sobresaliente“ („Überzähliger“) – in den Heuerlisten Magellans bezeichnete dieser Begriff Passagiere ohne bestimmte fachliche Funktion an Bord – an der Reise teilzunehmen.

Pigafetta führte während der gesamten Reise Tagebuch und wurde so zum Chronisten der Reise. Unterwegs studierte er indigene Sprachen und machte sich mehrfach als Übersetzer nützlich. 1522 erreichte die Expedition die Insel Timor (entdeckt bereits 1512), wo man 18 Tage verbrachte und von der Pigafetta als Erster eine Beschreibung lieferte.

Nach der Rückkehr übergab Pigafetta Kaiser Karl V. eine Abschrift seines Tagebuchs. Dessen Original ist nicht erhalten. Wahrscheinlich um 1524 verfasste Pigafetta einen literarischen Reisebericht, der in vier handschriftlichen Kopien überliefert ist, drei davon auf Französisch und eine auf Venetisch, Pigafettas Heimatidiom. Bei keinem dieser Texte handelt es sich um ein Autograph Pigafettas, sie werden aber, da sie inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen, als authentisch angesehen. Ab etwa 1525 erschienen Druckfassungen, die erste in Französisch.

Von einschlägigen Fachleuten gelobt wurde und wird Pigafettas klare und präzise Sprache – gleich ob es um die Beschreibung der Zustände an Bord oder der Flora und Fauna an Land geht, ob um nautische Fakten oder die Menschen und ihre Gebräuche an den besuchten Küsten.

Im Jahr 1800 wurde in der Mailänder Biblioteca Ambrosiana die venetische Abschrift von Pigafettas Bericht aufgefunden und im Druck herausgegeben. Diese Edition bildete im 19. Jahrhundert die Basis für zahlreiche Übersetzungen in andere Sprachen und liegt auch der Neu-Übersetzung von Christian Jostmann zugrunde, die im Jahre 2020 bei der WBG, Darmstadt, erstmals erschienen ist und jetzt vom Verlag C.H.Beck in einer von Jostmann überarbeiteten Fassung herausgebracht wurde.

 

PS: Dass die Victoria via Indischen Ozean, um das Kap der guten Hoffnung und durch den Atlantik Spanien überhaupt wieder erreichte (und damit en passant die erste Weltumsegelung komplettierte), war in entscheidendem Maße dem erfahrenen baskischen Bootsmann Juan Sebastián Elcano zu danken, der nach dem Tod sämtlicher Schiffsoffiziere während des Aufenthaltes im indonesischen Archipel das Kommando übernommen hatte. Pigafetta allerdings erwähnt dessen Namen kein einziges Mal.

Und noch eine Kuriosität: Dank des mit täglichen Eintragungen penibel geführten Logbuches der Victoria konnte der Tag der Rückkehr nach Spanien genau datiert werden. Laut Pigafettas literarischem Bericht war es der 8. September 1522. Der aktuelle Kalender an Land stand allerdings erst auf einen Tag früher. Dieses Rätsel konnte seinerzeit nicht aufgeklärt werden, weil noch nicht bekannt war, dass man beim Überqueren des Pazifiks in Ost-West-Richtung oder umgekehrt die sogenannte Datumsgrenze passiert. Das hatte Magellans Flottille getan, und zwar, da man von Südamerika her kam, in rückwärtiger Richtung …

 

Antonio Pigafetta: An Bord mit Magellan. Bericht über die erste Reise rund um die Welt 1519 – 1521 (Übersetzung: Christian Jostmann), Verlag C.H.Beck, München 2025, 219 Seiten, 22,00 Euro.