27. Jahrgang | Nummer 11 | 20. Mai 2024

Antworten

Ivan Ivanji, „Literat am Pulsschlag der Politik“ – Als ehemaliger Buchenwaldhäftling waren Sie, einer der bedeutendsten jugoslawisch-serbischen Schriftsteller, des Öfteren zu Gast in Weimar. Die Stadt hatte Sie zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Den KZ-Häftlingen haben Sie auch literarische Denkmäler gesetzt. In Ihrem Roman „Buchstaben von Feuer“ (2011) schilderten Sie etwa, wie die Schöpfer des Tores zur Buchenwalder Hölle den Faschisten für die Inschrift „Jedem das Seine“, deren lateinischer Ursprung suum cuique besagen sollte, dass jeder einen Rechtsanspruch hat, die Buchstaben des verbotenen Bauhauses „unterjubelten“ – in der Hoffnung, dass man eines Tages verstehen werde, was sie damit gemeint haben.

Als „Titos Dolmetscher“ beschrieben Sie in einem gleichnamigen Buch mit viel Ironie Ihre Erlebnisse an der Seite des jugoslawischen Präsidenten Josip Broz. Verdutzt waren Sie, als Tito bei einem DDR-Besuch von seinem alten Bekannten Walter Ulbricht mit „Walter“ angesprochen wurde, bis man Ihnen erklärte, dass „Walter“ Titos Deckname in der Illegalität war.

Sie haben als Dramaturg, Theaterdirektor, Diplomat, Übersetzer, Lehrer und Journalist gearbeitet. 95-jährig sind Sie am 9. Mai bei einem neuerlichen Aufenthalt in Weimar verstorben, wenige Kilometer von Buchenwald entfernt. Wir verlieren mit Ihnen einen der letzten Intellektuellen, der die „Welt zwischen den Blöcken“ im vergangenen Jahrhundert erlebt und eindrucksvoll beschrieben hat.

Michael von der Schulenburg, vormaliger UNO-Spitzendiplomat – Neulich haben Sie der Weltwoche ein einstündiges Interview gegeben, in dem Sie sich sachlich, fragend, erklärend zum Ukraine-Konflikt äußerten. Es war eine Aufforderung zum Nachdenken, zur Diskussion, zur Bildung – und also eine intellektuelle Freude. Sie sehen eine völkerrechtliche Pflicht zu Verhandlungen – auch mit Putin. Ihre Urteilskraft mag nicht nur aus jahrzehntelanger Erfahrung in Vermittlungsmissionen, sondern auch daher rühren, dass Ihr Vater Physiker und seinerzeit stellvertretender Direktor des Kernphysikalischen Instituts in Zeuthen war, einer Einrichtung, die später als Institut für Hochenergiephysik über Jahrzehnte ein Mitglied unserer Redaktion ausbildete und beschäftigte. Man wünscht Ihrer eigentlich vertrauten Art des Dialogs und Ihrer mit Peter Brandt und anderen erarbeiteten Sicht auf die Konflikte unserer Zeit, dass man Ihnen zuhöre und die Warnung vor größerem Unglück verstünde, das droht, wenn man nicht bald zum Frieden fände, in unserer Nähe und anderswo.

Christian Lindner (FDP), oberster Schuldenbremser – Dass Sie an Renten, Sozialausgaben und Entwicklungshilfe sparen wollen, überrascht wohl niemanden mehr. Aber darf auch Verteidigungsminister Boris Pistorius von Ihnen keine Großzügigkeit erwarten? Jedenfalls beschieden sie ihn und andere, die den Rüstungsetat in die Höhe zu schrauben verlangen, raffiniert verschlüsselt: „Im Übrigen ist fiskalische Resilienz auch eine Kategorie der Sicherheit.“ Bliebe die Frage, ob Sie dies auch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann abgesprochen haben. Die Rüstungs-Lobbyistin ist immerhin Spitzenkandidatin Ihrer Freien Demokraten für die Wahlen zum Europäischen Parlament.

Björn Höcke, Führer in der Thüringer AfD – Als häufiger Gegenstand der Medien haben Sie es nicht leicht, mitunter wurden Sie sogar absichtlich Bernd H. genannt. Nun auch noch das Landgericht Halle. Es verurteilte Sie vor wenigen Tagen wegen des Verwendens einer SA-Parole zu einer Geldstrafe. Dabei hätten Sie mehr erwartet, war jedenfalls manchen Medien, so dem Postillion, zu entnehmen. Das spöttelnde Organ meldet, Sie seien enttäuscht von der Strafe, sie bringe Ihre ganze Planung durcheinander. Und das, nachdem Sie schon vor Jahren „nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit“, sondern „auch eine tausendjährige Zukunft“ für Deutschland forderten. Sie hätten jetzt eigentlich auf eine Haftstrafe gesetzt, um im Gefängnis ein Buch zu schreiben. Sogar den schönen Titel „Mein Kampf“ hätten Sie schon geplant, der auf Ihren Kampf gegen die Justiz und das politische Establishment verweise. „Mir ist in meiner Zeit als Geschichtslehrer noch nie ein Buch begegnet, das so heißt. Insofern sollte es da keine Probleme oder irgendwelche Verwechslungsgefahr geben“, zitiert Sie Der Postillion. Nachdem Ihre Anwälte gegen das Urteil Revision eingelegt haben, klappt es ja vielleicht noch mit der Haftstrafe.