An einem ziemlich heißen Sommertag des Jahres 2003 war ich das erste Mal in Roșia Montană, gemeinsam mit meinem ebenso neugierigen Vater. Wir hatten gehört, dass hier eine Initiative von lokalen Kleinbauern und jungen Städtern sich gegen eine Goldmine wehrte. Gemeinsam, ein paar Davids gegen einen mit Geheimdiensten und Kleptokraten verbandelten Goliath. Ich interviewte eine alte Ungarin zu ihrem Nein gegen das Gold. Die Sonne schien in Roșia und es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft …
Für die Leute dort begann der Widerstand einige Jahre zuvor. Zivilgesellschaft? Recht? Pustekuchen. Die „Gold“ genannte Roșia Montană Gold Corporation mit ihren an der Toronto Stock Exchange notierten Scouts von Gabriel Resources Ltd. kaufte den Leuten Boden und Häuser unter ihren Stühlen weg, baute eine sterile Ersatzsiedlung vor den Toren Alba Iulias/ Karlsburgs, schmierte und schaffte Fakten. Die Bürgerinitiative Alburnus Maior (nach dem aus der römischen Gründungszeit stammenden Ortsnamen) und die Kampagne „Save Roșia Montană“ stellten sich dagegen, klagten auf Einsicht, Durchsicht und Annullierung von Genehmigungen. Einmal ging der Satz „Wir beten das Gesetz an!“ durch die Runde.
Als jemand, der als Jugendlicher durch die späten 1980er Jahre in der DDR geprägt war, wurde das zu einem zivilgesellschaftlichen Déjà-vu. Jahr für Jahr ging es nach Roșia, wo die Kinder politisiert wurden, wo wir die durchaus solidarischen Rechtsextremen (es ging ja um „rumänische Erde“…) rausdebattierten. Jahr für Jahr ging es auf die Straßen, erst zögerlich, dann laut, irgendwann unaufhaltbar. Und, ja auch das, Jahr für Jahr diversifizierte sich die in diesem kleinen Dorf des Apuseni-Gebirges geborene Zivilgesellschaft meines Heimatlandes. Da gab es dann auch untereinander Auseinandersetzungen – durchaus schmerzhafte, aber die uns reicher machten. „Uniți salvăm Roșia Montană!“ war der Rhythmus, den wir mit sandgefüllten PET-Flaschen auf den Asphalt der Straßen und Boulevards des ganzen Landes hämmerten, der Beat in unseren Köpfen. Mich hat dieser Kampf, haben all diese Leute unwiederbringlich mit diesem Land verbunden.
Kurzum, die Entschlossenheit für dieses Dorf war riesig. Irgendwann gab die Regierung auf. Irgendwann wurde das nur noch von wenigen bewohnte Dorf auf die Liste für das UNESCO-Welterbe gesetzt. Irgendwann begann ein junger Rückkehrer superschicke Wollsocken unter dem Label „Made in Roșia Montană“ zu produzieren. Irgendwann entstand eine Pfadfindergruppe. Irgendwann zog die Gabriel Resources den rumänischen Staat vor das Internationale Schiedsgericht in Washington. Und es gab ein Geheul und Zähneklappern, dass wegen dieser dummen Kampagne unser armes Land nun Milliarden Euro an diese Firma Schadensersatz zahlen müsse. Fast glaubten wir’s.
Am 8. März 2024 wies der Schiedsgerichtshof alle Forderungen von Gabriel zurück. Alle? Alle! Alle! Kein Cent, nici un ban für die verhinderten Goldgräber. Es ist möglich.
Im Netz finden sich viele gute Informationen zu den über 20 Jahren Widerstand gegen die damalige Idee, ganze Dörfer zu zerstören, ein paar Tonnen Gold aus dem Fels zu sprengen und mit Zyanid auszuwaschen. Die Seen solcher giftigen Wahnsinnszustände gibt es sowieso in der Region.
Der Wortführer der lokalen Initiative von einst lebt zurückgezogen auf seinem Hof. Die Margit-Tante aus meinem Interview ist schon lange gestorben. In die Häuser werden neue Leute ziehen. Die Sozialstruktur nachhaltig verändert zu haben, kann sich die Goldfirma als Erfolg verbuchen. Sei’s drum. Zwei Menschen, die als Jugendliche sich mit Haut und Haar der Kampagne „Save Roșia Montană!“ verschrieben, will ich die letzten Worte hier geben. Sie sind stellvertretend für Hunderttausende, die sich für dieses Dorf einsetzten und ein ganzes Land verändert haben.
Manche von uns haben nach dem Urteil tagelang gefeiert. Das ist gut so. Blind für die Katastrophen auf allen Ebenen sind wir deshalb nicht. Aber so ein Sieg macht Mut! Denn eines ist klar, der nächste Sommer kommt bestimmt …
Tudor Brădățan, heute bei der Petitions- und Kampagnenplattform DeClic.ro: „Ich war immer der Meinung, dass Roșia Montană nicht als gerettet betrachtet werden kann, solange das Gold noch unter der Erde liegt. Es wird immer eine Handvoll gieriger Menschen geben, die reich werden wollen und bereit sind, vier Berge in die Luft zu sprengen, um das Edelmetall herauszuholen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ein Bergbauprojekt in der nächsten absehbaren Zukunft von vernünftigen Investoren finanziert wird. Solange es noch Menschen gibt, die sich gegen die Zerstörung der Umwelt wehren, wird Roșia Montană sicher sein. Wir haben in den letzten 20 Jahren bewiesen, dass Aktivisten manchmal auch gegen alle Widerstände gewinnen.”
Ramona Duminicioiu, heute Sprecherin von EcoRuralis, Verband der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern Rumäniens: „Dieser Sieg ist vor allem dem bäuerlichen Widerstand in Roșia Montană zu verdanken. Die lokale Gemeinschaft war die erste, die sich mobilisierte, und ist seit 24 Jahren das Haupthindernis gegen dieses illegale Bergbauprojekt. Die Bauern von Roșia Montană inspirierten ein ganzes Land und darüber hinaus, die sich zu einer sozialen Bewegung zusammenschlossen, die die postkommunistische rumänische Gesellschaft tiefgreifend veränderte. Die Kampagne ‚Save Roșia Montană‘ führte zu einer Einheit in der rumänischen Gesellschaft und zu einer Schule des Aktivismus, die das Erbe einer politisch engagierten Zivilgesellschaft mit einem strategischeren modus operandi hinterließ. Der Erfolg vor dem Schiedsgericht in Washington hat internationale Bedeutung. Es gibt Hunderte von Gemeinden, die gegen ähnliche Bergbauunternehmen kämpfen, und Staaten, die sich vor Schiedsgerichten ähnlichen Erpressungen ausgesetzt sehen. Der Erfolg Rumäniens steht für den Erfolg kleiner Gemeinden auf der ganzen Welt.”
Joachim F. Cotaru, geboren 1974, Historiker, lebt und wirkt in einer Longo maï-Kooperative bei Sibiu/Hermannstadt in Rumänien.
Schlagwörter: Goldabbau, Joachim F. Cotaru, Roșia Montană, Rumänien, Umweltschutz