Alles eine Frage der Zeit / Es existiert ein Ende / Am Anfang aber steht die Zeit / Ich schlage sie tot“ – so heißt es am Schluss eines Gedichts von Jan Bereska, der durch eine andere Profession bekannter ist, aber zuallererst ein Lyriker war. Das erste Gedicht, das er gelten ließ, war „Jazz“ von 1970 über die Musik von Conny Bauer. Damals war der Sohn des Schriftstellers Henryk Bereska schon bekannt bei Leuten, die ab und an DEFA-Filme sahen, denn als Sechzehnjähriger hatte er 1967 in Herrmann Zschoches Gegenwartsfilm „Leben zu zweit“ mitgespielt und gerade eben die Rolle abgedreht, die seine beste bleiben sollte: den träumerisch veranlagten Krankenfahrer Peter, genannt „Mein lieber Robinson“. Es war das Regiedebüt von Roland Gräf nach einem Szenarium von Klaus Poche, und die Produktion hatte es schwer, den begabten jungen Mann zu bekommen. Jan hatte die Lehre vom Sozialismus mit der Wirklichkeit des „Prager Frühlings“ verglichen und war aufmüpfig geworden. Wahrscheinlich war er zum 20. Jahrestag der DDR auf eine RIAS-Ente hereingefallen und wollte die „Rolling Stones“ auf dem Springer-Haus spielen hören. Wegen „Zusammenrottung“ kam er zwei Wochen in Haft und war nun vorbestraft. In einem Buch über den Nachwuchs in der DEFA erzählte er in den neunziger Jahren von seiner prominentesten Rolle: „Die Dreharbeiten machten keinen Spaß, mir gefiel weder das ständige Wiederholen von Szenen, noch vermochte ich mich für meine Filmpartnerin oder die politisch nötigen Szenen zu begeistern. […] Auch während meiner Armeezeit konnte ich keinen Vorteil aus der ‚Schauspielerei‘ ziehen, im Gegenteil. Natürlich war meine Vorstrafe bekannt, und dann noch ein ‚Schauspieler‘! Ich war ein bunter Hund, und das ist bei der Armee nicht von Vorteil. Einmal sagte der Major, ein Politoffizier: ‚Ihnen glaube ich sowieso kein Wort, Sie sind doch ein Schauspieler!‘“
Auch, wenn Jan Bereska in den folgenden Jahren noch etliche Male vor die Kamera trat (am bekanntesten 1978 als Gruppenleiter Benedikt in dem Zschoche-Film „Sieben Sommersprossen“), war Schauspielerei kein Thema für ihn – wohl aber der Film. Die Möglichkeiten, mit diesem Medium nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen, reizten ihn. Er bewarb sich um einen Studienplatz der Fachrichtung Regie an der Babelsberger Filmhochschule und konnte nach ein paar beachtlichen Studentenfilmen 1978 bei der DEFA beginnen – als Regieassistent, wie so viele andere Regie-Absolventen. Später erhielt er die Möglichkeit, sowohl hier als auch beim DDR-Fernsehen als Autor zu arbeiten.
Obwohl Bereska der DDR-Politik immer skeptisch gegenüberstand, begriff er doch, wie viel mit der Abwicklung des Staates verlorenging. Er engagierte sich in Kulturvereinen, gründete die Kulturinitiative Förderband zusammen mit anderen Aktivisten, arbeitete mit jungen Leuten in Medienwerkstätten.
Wichtig blieben ihm seine vielen, meist lyrischen Texte, in denen er teils verbrämt, teils unverblümt seine Lebensumstände in der DDR und kurz danach reflektierte. Manchmal waren es private Betrachtungen, Fragen an sich und andere. Oft setzte er sich mit politischen Ideen und Gegebenheiten auseinander. In seinem an Brecht angelehnten „Lob des Kommunismus“ von 2006 heißt es: „Du würdest ihn begreifen / wenn du dir die Finger verbrennen willst / Er wäre gut für dich / jetzt da er tot ist / Die Dummköpfe haben ihn verschlissen / die übrigen haben ihn nicht gewollt“. Auf seiner umfangreichen Homepage kann man zahlreiche Gedichte lesen und mehrere seiner Regiearbeiten sehen.
Nach einem familiären Schicksalsschlag, dem Tod eines Sohnes, begann Jan Bereska eine stärkere Selbstbefragung. Ein Gedicht von 2020 lautet: „Früher dachte ich / ich wäre fehlerfrei / Doch heute weiß ich / dass meine Fehler / das Beste an mir waren“.
Im Februar ist er plötzlich gestorben, erst 72 Jahre alt. Und nein, Jan Bereska, nicht die Fehler waren das Beste, sondern die vielen Fragen, die Du uns gestellt hast.
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