Machtkampf, Verrat, Rache, Blutfehden und Intrigen – das Haus Plantagenet, das aus der Region von Anjou in Frankreich stammte, kämpfte mit allen Mitteln um den Thron Englands sowie seine französischen Besitzungen und gehörte zu den bedeutendsten Dynastien des hochmittelalterlichen Westeuropas. Die mächtige, sagenumwobene Adelsfamilie herrschte mehr als zwei Jahrhundertein direkter Linie – angefangen von Heinrich II., der 1154 gekrönt wurde, bis zu Richard II., der 1399 von seinem Cousin Henry Bolingbroke abgesetzt wurde. Darüber hinaus stellte sie bis 1485 in den Nebenlinien Lancaster und York ebenfalls die Könige von England.
Insgesamt vierzehn Plantagenets saßen auf dem englischen Thron. Damit reichte ihre Herrscherzeit vom Ende der normannischen Könige über die Zeit der Kreuzzüge und des Schwarzen Todes bis zum Beginn des Hundertjährigen Krieges über England und halb Frankreich. In der Blütezeit erstreckte sich das Reich von der schottischen Grenze bis zu den Pyrenäen. Die Plantagenets waren die am längsten herrschende Königsdynastie in England, und während sie regierten, entstanden einige der grundlegenden charakteristischen Merkmale, die wir heute mit England verbinden.
Der britische Historiker und Journalist Dan Jones widmet sich in „Kampf der Könige“ der wechselvollen Historie des mächtigen Herrschergeschlechts, die er zur leichteren Lektüre in sieben chronologische Abschnitte unterteilt hat. Für den Autor liegt der Höhepunkt der Plantagenets in England vor allem in der Zeit von 1254 bis 1360, wo es zu einer Konsolidierung des Reiches kam. Diese Phase ebnete Englands Weg zur konstitutionellen Monarchie und es kam zu einer Expandierung des Herrschaftsgebietes. Eine Voraussetzung war, dass die Königskrone in diesem Zeitraum relativ reibungslos von einer Generation an die nächste übergeben werden konnte. Danach schwand die englische Vormachtstellung jedoch genauso plötzlich, wie sie gekommen war. Im letzten Abschnitt zeichnet Jones ausführlich nach, wie schnell sich das Rad der Geschichte drehen kann.
Anhand zahlreicher Quellen und unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse beschreibt Jones die dauerhaften Machtkämpfe und Familienfehden, die politischen Schachzüge und blutigen Schlachten. Im Mittelpunkt stehen dabei die zentralen Protagonisten der englischen Geschichte während dieser Epoche – von Heinrich II. über Richard Löwenherz und Eduard III. bis zu Richard II..Neben kriegsgestählten Haudegen prägten auch schwächliche Monarchen die royale Geschichte Englands in jener Zeit, so wie Johann Ohneland, unter dessen Herrschaft fast alle französischen Gebiete verloren gingen. Außerdem kam es zu einer Rebellion der englischen Barone, die ihn 1215 zur Anerkennung der „Magna Carta“ zwangen, Ereignisse, die wichtige Voraussetzungen für die spätere Entwicklung von Parlament, Demokratie und Menschenrechten schufen.
Die knapp 700 Seiten handeln aber nicht nur von Meuchelmord und blankgezogenen Schwertern, auch die höfische Kultur, die Religiösität und das Alltagsleben werden betrachtet. Die Herrschaft der Pantagenets war innenpolitisch immer wieder von Pest-Epidemien und Bürgerkriegen herausgefordert. Hier werden Umstände und Strukturen sowie die Handlungsspielräume und die individuellen Faktoren kritisch beleuchtet.
In seinem Vorwort betont Jones, dass seine Beschreibung der englischen Geschichte nicht zuletzt unterhalten soll. Daher beschränkt er sich nicht auf eine ausführliche Darlegung der historischen Ereignisse mit all ihren Fakten und Details. Mit seiner kraftvollen und erzählerischen Sprache ist ihm eine wissenschaftlich fundierte, zugleich frische und lebendige Darstellung von „Englands schrecklichster Dynastie“ gelungen. Ergänzt wird das Buch durch einige historische Abbildungen und Karten, eine Liste der französischen Könige (1060 bis 1422) und die Stammtafeln der Normannen in England sowie der Plantagenets. Jones spannendes Werk macht die sagenumwobene Dynastie greifbar und ist für Geschichtsinteressierte äußerst lesenswert.
Ein Hinweis: Es handelt sich hier um die Taschenbuchausgabe, während die gebundene Ausgabe (2020, ebenfalls C.H. Beck) unter dem Titel „Spiel der Könige“ erschienen ist.
Dan Jones: Kampf der Könige – Das Haus Plantagenet und das blutige Spiel um Englands Thron (aus dem Englischen von Heike Schlatterer), Verlag C.H. Beck, München 2023, 680 Seiten, 20,00 Euro.
Schlagwörter: Dan Jones, Manfred Orlick, Plantagenet