25. Jahrgang | Nummer 25 | 5. Dezember 2022

Antworten

Alexander Osang, geschätzter Journalist – Wir haben Ihr jüngstes Spiegel-Portrait über Angela Merkel aufmerksam gelesen. Es ist unterhaltsam und aufschlussreich, wozu wir gratulieren. Wir fragen uns jedoch, ob Sie sich absichtsvoll jedes eigenen Urteils enthalten, oder ob Sie, angesichts des noch ausstehenden Urteils über Merkels Kanzlerschaft, sich nicht trauen anzudeuten, was Sie denken. Es hätte uns interessiert. So allerdings liest man nacheinander das Folgende: „Alles, was sie jetzt noch tun kann, ist, Fehler zugeben, auf die Knie fallen“ – gleich anschließend erwähnen Sie, dass Wolfgang Schäuble meinte, sie hätte sich zu entschuldigen, jener Mann, der als Einziger zu Eis wurde, während alle anderen Gäste einer Veranstaltung in Halle heftig applaudierten, als Frau Merkel sich zu ihrer ostdeutschen Herkunft bekannte. Weiter: „Ihre Bilanz werde immer verheerender“ – wie eigentlich kann diese Bilanz so zeitabhängig sein? Eine Fotografin lassen Sie behaupten, Angela Merkels „Augen … verloren den Glanz“ – was man als eine zudringliche Erklärung ansehen sollte, wie auch die vielen abgelichteten Merkel Portraits nur zeigen, dass auch Kanzler altern. Sigmar Gabriel folgt mit dem Urteil „Sie war eine gute … auch große Kanzlerin. Es gibt überhaupt keinen Grund für sie, sich für etwas zu entschuldigen.“ Mag das etwas undifferenziert gesagt sein, jedenfalls war sie eine gebildete, bedachtsame Kanzlerin und verhalf Deutschland – gemessen an den heutigen Verwerfungen – zu Stabilität. Wir registrieren mit Interesse die Bemerkung der Diplomatin Merkel, die unter Hinweis auf Helmut Kohl zu bedenken gab, dass dieser „jetzt schon an die Zeit denken würde, in der man Beziehungen mit Russland aufnehmen kann“. Wahrscheinlich glaubten Sie, man könne Angela Merkels Politik nur ganz leise würdigen, so leise, dass man wahrlich kaum erkennt, wozu Sie neigen. Seien Sie mutiger, andere sind laut.

Sami Khedira, Fußball-Weltmeister 2014 mit klugem Kopf – Zum Auftakt der diesjährigen WM gaben Sie der Berliner Zeitung ein Interview. Der einigermaßen verkrampfte Interviewer Jan Christian Müller kam erst ganz zum Schluss auf die ihn eigentlich interessierende Frage: „Welche Rolle spielen die Erwartungen an die Spieler, sich in Katar ständig politisch zu äußern?“ Müller meint natürlich deutliche Worte der Kritik an den katarischen Zuständen – oder Symbolhandlungen wie das Wedeln mit Regenbogenfahnen vor dem Anpfiff.

Ihre Antwort: „Sie gehen auf Geschäftsreise nach Katar, und zwar auf die größte Geschäftsreise, die sich ein Fußballer vorstellen kann: eine Weltmeisterschaft.“ – Geschäftsreise, damit bringen Sie es auf den Punkt. Etwas anderes ist das schon lange nicht mehr. Und warum, zum Teufel, sollen die Jünger des runden Leders Dinge zustande bringen, zu denen sich die eigentlich dafür zuständigen Regierungspolitiker nicht in der Lage sehen?

Laurenz Nurk, Gewerkschaftsaktivist – Sie erinnern in Ihrem Gewerkschaftsforum daran, dass nach Angaben der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) 2020 in Deutschland exakt 97 Bau-Beschäftigte bei ihrer Arbeit ums Leben kamen, nahezu die Hälfte durch Abstürze aus großer Höhe. Das war ein Anstieg von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Statistisch hatte sich auf dem Bau bundesweit alle vier Tage ein tödlicher Unfall ereignet.“ Trotz des Anstiegs, fürchten Sie, werde sich an der täglichen Praxis auf dem Bau nichts Substantielles ändern, „da die Unternehmen mit geschickten Werkverträgen versuchen, auch die gesetzlich festgelegten Mindestlöhne und Sicherheitsstandards zu unterlaufen und vermehrt vor allem Wanderarbeiter beschäftigen“. Eine Analyse der IG BAU ergab, dass in den Arbeitsschutzbehörden der Länder im Schnitt rechnerisch nur ein Aufsichtsbeamter für 26.000 Beschäftigte zuständig ist. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) empfiehlt eine Quote von 1 zu 10.000. Gewiss wollen Sie diese Information nicht als Relativierung der oft wiederholten berechtigten Kritik an den Arbeitsbedingungen beim Bau der WM-Stadien in Katar verstanden wissen. Aber eine Mahnung, die Missstände im eigenen Land nicht zu übersehen, ist es allemal, und zwar eine nur zu berechtigte.

Stefanie Remlinger (Grüne), nebenberuflich Wettermacherin – Sonst sind Sie Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, aber ein klitzekleines Hobby darf wohl erlaubt sein. In Ihrem Amt muss man sonst zu allen möglichen Events traben und kluge Sprüche drechseln, die zudem den auch nicht unbedingt vor Weisheit triefenden Sprechblasen der Regierenden Bürgermeisterin Paroli bieten können. Die ist von einer anderen Partei, und die Stadt ist mal wieder im Wahlkampf.

Auf dem Bebelplatz mussten Sie jetzt zur Eröffnung eines Weihnachtsmarktes beitragen. Was sagt man da als Grüne Originelles? Das Wetter „sei unsere größte Leistung“ in diesem Jahr, tönten Sie voller Selbstbewusstsein. Platsch, da war sie, die Bananenschale! Sie haben diesen extrem heißen Sommer und das anschließende Mistwetter veranstaltet? Und ich dachte immer, dafür wäre mein Wetterfrosch in seinem Glasbottich haftbar zu machen! Also grün ist der auch … Steht in einer Ecke Ihres Amtszimmers rein zufällig eine Leiter?

Robby, Zirkusschimpanse – Sie wurden 54 Jahre alt und starben kürzlich in Celle. Im Kreise Ihrer Lieben, wie es so schön heißt. Das war die Zirkusfamilie vom Circus Belly. Die Tierschützerorganisation PETA hatte versucht, Sie für Ihre letzten Jahre in einer Schimpansenauffangstation zu deponieren. Setzt man voraus – wir tun das –, dass Schimpansen wie alle Menschenaffen intensive soziale Kontakte zu ihrem Umfeld aufbauen und extrem leiden, wenn es zerstört wird, hätten die PETA-Leute Ihnen schweres seelisches Leid zugefügt und Ihr Leben vermutlich um einige Jahre verkürzt. Ihre freilebenden Artgenossen werden im Schnitt 30 bis 40 Jahre alt. Sehr unglücklich können Sie also nicht gewesen sein. Vielleicht sollte Belly-Direktor Klaus Köhler für die nächste Saison jemanden von PETA engagieren? Aber das wäre nun wieder – wegen der notwendigen Kostümierung – hart an der Grenze zum „Apefacing“ und mithin rassistisch. Das wollen wir im Interesse der universalen Affenrechte nun auch wieder nicht. Doofe Idee …

Ach Robby, wir hoffen sehr, Sie sind glücklich im Affenhimmel. Hoffentlich bekommen Sie eine Loge zugeteilt – wegen des ungestörten Blicks auf die Manege der irdischen Albernheiten.