Kriegsdenkmäler sind in Deutschland weit verbreitet. „… kein anständiger Ort, der nicht ein Reklame-Kriegerdenkmal sein eigen nennt: ‚Immer wieder Krieg!‘“ (Kurt Tucholsky, 1927). In Gestalt von Gedenktafeln oder Stelen sind sie meist kunsthistorisch weniger wertvoll. Anders verhält es sich hingegen bei dem Berliner Kreuzbergdenkmal, einem „Denkmal im altdeutschen Styl“, das von keinem Geringeren als von Karl Friedrich Schinkel im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. entworfen wurde.
Die Geschichte des Kreuzbergdenkmals ist aber noch mit einer weiteren Person untrennbar verbunden: Kaiser (Zar) Alexander I. Der Zar wohnte nicht schlechthin nur der Zeremonie der Grundsteinlegung des Denkmals bei, sondern ihm war bei diesem Festakt als Zeichen der Wertschätzung seitens des Preußen-Königs eine zentrale Rolle zugedacht. Auf seiner Reise zur Teilnahme am „Aachener Kongress“ („Monarchenkongress“) 1818 war deshalb Berlin eine wichtige Station. Hier hielt sich Alexander I. vom 17. bis 20. September auf und gab der preußischen Hauptstadt „noch mehr Geräusch und Lebendigkeit als sonst“, wusste die Zeitung für die elegante Welt Mode, Unterhaltung, Kunst, Theater zu berichten.
Am 19. September fand die feierliche Grundsteinlegung des Denkmals auf dem Tempelhofer Berge statt. Über 20.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten waren bei diesem Festakt zugegen. Friedrich Wilhelm III. bekam von seinem Staatsminister Graf von Bülow Kalk und Maurerkelle gereicht, um den Grundstein zu legen. In eine Vertiefung des Steins wurde eine bronzene Platte mit folgender Inschrift einlegt:
„Dankbar gegen Gott / Eingedenk seiner treuen Verbündeten / Und ehrend die Tapferkeit seines Volks / legte / In Gemeinschaft mit Alexander I. Kaiser von Rußland / Friedrich Wilhelm III. / den 19. Ten September 1818 / diese Platte in den Grundstein des Denkmals / für die ruhmreichen Ereignisse / in den Jahren 1813, 1814 und 1815 / in Gegenwart / Sr. königl. Hoheit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen …“
Nachdem der Stein gesetzt war, reichte man Alexander I. den Hammer. Die Ehre der ersten drei Hammerschläge auf den Deckel, begleitet von drei Salven der 56 aufgestellten Geschütze, wurden ihm zuteil. Dann folgten die Hammerschläge des Königs, seiner Prinzen und der anderen Würdenträger.
Bei der Grundsteinlegung äußerte der preußische König, dass so fest wie die Lage dieses Steins der Bund mit seinem Freunde sein und bleiben solle. Daraufhin umarmte „jetzt Se. Majestät der König mit allgemein sichtbarer Rührung Seinen erhabenen Freund und Bundesgenossen, Se. Majestät den Kaiser von Rußland, und ein kräftiger Händedruck bestätigte öffentlich und feierlich das zum Heil beider Reiche und des gesammten Europas glücklich bestehende Freundschaftsbündniß“, so das Amts-Blatt der Preußischen Regierung zu Liegnitz.
Noch am 19. September erließ Friedrich Wilhelm III. folgende Kabinettsorder: „Nachdem auf den denkwürdigsten Wahlplätzen der gefallenden Helden Denkmäler errichtet worden, ist es Mein Wunsch, auch in der Hauptstadt des Reichs, Meinem treuen Volke, und insbesondere allen denen, die aus seiner Mitte den Kampf für Freiheit und Recht bestanden, als gemeinsames Anerkenntniß edler Hingebung für König und Vaterland, ein Denkmal von Eisen zu widmen. Am heutigen Tage ist der Grundstein dazu gelegt worden. Die Anwesenheit Meines erhabenen Freundes und Bundesgenossen, des Kaisers von Rußland Majestät, hat die Feier dieser Handlung verherrlicht. In Jahresfrist wird das Denkmal vollendet seyn: eine ehrende Erinnerung für die muthigen Streiter der großen Zeit, und eine ernste Mahnung an die Jugend des Volks, ihnen nachzueifern in Tapferkeit und treuer Liebe für König und Vaterland!“
Der König ließ es sich zudem nicht nehmen, auch eine Gedenkmedaille mit seinem und dem Porträt Alexander I. sowie mit der Platteninschrift und dem Bild des Siegesdenkmals prägen zu lassen.
Heute steht das Kreuzbergdenkmal in schlechtem Zustand als Ehrenmal für die Freiheit. Angesichts der Umstände der Grundsteinlegung muss es historisch (aber auch) als ein Denkmal preußisch-russischer Waffenbrüderschaft eingeordnet werden. In seiner über nunmehr 200jährigen Geschichte ist das allerdings nie erkennbar thematisiert oder gar gewürdigt worden. Die Erinnerung an den russischen Kaiser wurde gleichwohl mit dem Grundstein „begraben“.
In der deutsch-russischen Geschichte wechselten Freundschaft und Feindschaft als auch die Bündnisse beider Staaten. Unter der Überschrift „Andere Zeiten“ schrieb zum Beispiel das Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung am 19. September 1893 unter Bezugnahme auf die Äußerung des Kaisers gegenüber dem Bischof Eylert, der die Festpredigt bei der Grundsteinlegung hielt, „Ich hoffe Preußen und Rußland werden ewig vereint sein und bleiben unter Einem Vater!“ – „Es ist doch aber anders gekommen.“
Im Jahre 2015 konnte man sich im Berliner Martin-Gropius-Bau in der Ausstellung „Russland und Deutschland. Von der Konfrontation zur Zusammenarbeit“ darüber informieren. Eine gleichnamige Schau fand in Moskau statt. Solch eine Ausstellung wird es absehbar nicht geben. Wer will auch Kriegsbilder sehen?
Der Kriegsteilnehmer Tucholsky schrieb 1927 „Über wirkungsvollen Pazifismus“, dass es keinen Staat gibt, für den es zu sterben lohnt. „Es steht kein pazifistisches Kriegerdenkmal …“ Wofür lohnt es sich zu sterben? Gibt es einen „sinnvollen“ Tod? Darüber mag man streiten, sich aber nicht diffamieren.
Schlagwörter: Andreas Gängel, Kreuzbergdenkmal, Kriegerdenkmal, preußisch-russische Waffenbrüderschaft, Schinkel