23. Jahrgang | Nummer 17 | 17. August 2020

Ein Faszinosum der Fernsehgeschichte

von Manfred Orlick

Zerzauste Haare, abgekaute Zigarre, schielender Blick, verknautschter Trenchcoat, zerbeulter Peugeot 403 … Wenn dieser schräge Typ auf dem abendlichen Bildschirm auftauchte, wusste jeder Zuschauer Bescheid: Das waren die Markenzeichen des scheinbar schusseligen Inspektors Columbo. Wenn der von Peter Falk gespielte Lieutenant mit seinem Hund namens „Hund“ in Los Angeles auf Mörderjagd ging, schnellten in den USA, Deutschland und vielen anderen Ländern die Einschaltquoten zuverlässig nach oben. Dabei gab es weder Schießereien noch Schlägereien. Außerdem wusste der Zuschauer immer mehr als der Inspektor.

Die Krimiserie „Columbo“ ist bis heute Kult; ihre Folgen haben immer noch einen festen Platz im Fernsehen und werden fortlaufend wiederholt. (Auf meiner Receiver-Festplatte tummeln sich bestimmt zwei Dutzend Episoden.) Mittlerweile verbindet der dienstälteste Ermittler der Fernsehgeschichte schon mehrere Generationen. Die Serie lebte vor allem von der Figur des skurrilen Inspektors Columbo. Dabei war Columbo kein schneidiger Philip Marlowe, sondern der Prototyp eines Anti-Helden, ja er scheute sogar Schusswaffen. Er verfügte über keinerlei Autorität. Sein Aussehen ließ eher einen Clochard als einen Beamten vermuten. Die Rolle des kauzigen Typen sollte zunächst der Sänger und Entertainer Bing Crosby übernehmen; doch mit 66 Jahren war er wohl schon zu alt für eine längere Serie. Er lehnte das Angebot ab mit der Begründung: die Dreharbeiten würden ihm die Zeit für seinen geliebten Zeitvertreib, das Golfspiel, rauben. So konnte der kleine Italoamerikaner Peter Falk eine der berühmtesten Rollen der TV-Geschichte ergattern. Er starb 2011 im Alter von 83 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills.

Michael Striss, ein evangelischer Pfarrer mit cineastischen Leidenschaften, schildert in seiner ausführlichen Publikation die Geschichte der Serie, ihrer Schöpfer und natürlich des Haupthelden. Zunächst widmet er sich der Person des Inspektors und des Geheimnisses um seine Person. So war bereits die Nichtpreisgabe seines Vornamens Bestandteil dieses Geheimnisses. Überhaupt gab Columbo biografische Hintergründe kaum preis.

Danach widmet sich Striss dem öffentlichen Auftreten von Columbo, das eher eine Zumutung war. Wo immer er auftrat, wirkte er irgendwie völlig fehl am Platze. Meist erntete er nur Unverständnis und Spott. Allein seine Dienstpflichten brachten ihn in Kontakt mit den Menschen. Doch er verbiss sich in jeden noch so hoffnungslosen Fall. Sehr liebevoll werden Columbos Marotten beschrieben, sein zur Schau getragenes skurriles Verhalten. Er spielte Katz-und-Maus mit dem Verdächtigen und lullte ihn von Beginn der Ermittlungen an ein, um ihn in Sicherheit zu wiegen, bis er ihn am Ende mit seinen banalen Fragen überraschte und nervte. „Ach, was ich Sie noch fragen wollte.“ Da wusste der Zuschauer: jetzt wird es eng für den Täter. Columbo war der Mann der vielen Fragen. Manchmal fragte man sich, ist dieser Kerl wirklich so dämlich, wie er tut. Alles nur ein großer Bluff.

Striss beleuchtet nicht nur den Mythos der Serie und seiner Figur, sondern macht sich auch auf die Suche nach literarischen Columbo-Vorbildern. Abgesehen von Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Pater Brown stand wohl eher der brummige Untersuchungsrichter Porfirij Petrowitsch aus Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“ Pate. Ein Großteil der Publikation nimmt die Vorstellung der immerhin 69 Folgen der Columbo-Serie ein. Start war im Februar 1968 mit „Mord nach Rezept“ (ein gelungener Einstand für die neue Serienfigur); die letzte Folge „Die letzte Party“ hatte ihre Erstausstrahlung im Januar 2003. Also 35 Jahre Columbo. Zu jeder Episode gibt es zahlreiche Hintergrundinformationen (Drehbuch, Regie, Produktion, Musik … und eine Auflistung der Darsteller). Ergänzt werden diese Details durch eine Inhaltsangabe, Beschreibungen einzelner Charaktere und die Schilderungen von Szenen oder Episoden. Die aktualisierte Neuausgabe (bisher bei BoD – Books on Demand erschienen) vermittelt ein vollständiges Bild der berühmten Serienfigur, ergänzt durch zahlreiche Abbildungen.

Michael Striss: Columbo. Der Mann der vielen Fragen. Analyse und Deutung einer Kultfigur, Büchner-Verlag, Marburg 2019, 510 Seiten, 25,00 Euro.