von Edgar Benkwitz
Die Region Südasien mit Indien und Pakistan als deren bevölkerungsreichste Staaten arbeitet sich langsam aus Armut und Rückständigkeit heraus. Doch sie kommt nicht zur Ruhe. In Afghanistan bestimmen nach wie vor Bürgerkrieg und Terroranschläge die Lage, und zwischen Indien und Pakistan flammen immer wieder gefährliche Konflikte auf. Für die Weltmacht USA gäbe es genügend Ansatzpunkte, hier stabilisierend zu wirken. Doch zeigt ihr gescheitertes Vorgehen in Afghanistan, an der Regierung vorbei zu Regelungen mit deren Gegnern zu kommen, dass mehr getan werden muss, um im echten Sinn friedensfördernd zu wirken.
Hilfe hatte sich Präsident Trump von Pakistan erhofft, ausgerechnet von dem Land, das Usama bin Laden Unterschlupf gewährte und bis heute Terroristen unterstützt. Doch das vollmundige Versprechen von dessen Premierminister, die Taliban-Führung für die Trump-Diplomatie zu gewinnen und eine Regelung zu erreichen, schlug fehl. Pakistan hatte es jedoch geschafft, in kürzester Zeit vom beschimpften und geprügelten Paria zu einem Gesprächspartner auf höchster Ebene zu werden. Dank Donald Trump mit seiner Sucht nach fragwürdigen Deals und „friedensstiftenden Missionen“.
Pakistan ist so zumindest kurzfristig Gewinner eines diplomatischen Tauwetters mit den USA und rechnet sich weitere Chancen aus. Es hat seine Position gegenüber dem Erzfeind Indien, das in der US-Strategie eine große Rolle spielt, bedeutend aufgewertet. Das wird besonders im wieder aufgelebten Kaschmirkonflikt deutlich. Hier gelang es, den US-Präsidenten auf Positionen zu locken, die ein Abgehen von der traditionellen Haltung der USA darstellen. Ausgerechnet nach einem Gespräch mit dem pakistanischen Premier ließ Trump die Öffentlichkeit wissen, dass der indische Premier ihn während des G20-Treffens gebeten habe, im Kaschmirkonflikt zu vermitteln. Diese Behauptung wurde zwar umgehend vom indischen Außenminister zurückgewiesen, doch Trump ließ den Gedanken einer Vermittlung immer mal wieder aufleben. Zur Freude Pakistans, das den Konflikt seit jeher internationalisieren möchte, aber zum Ärger Indiens, das streng auf einer bilateralen Lösung beharrt.
Pakistan nutzte den Spielraum, den es bei den USA und bei Trump persönlich gewonnen hatte, weidlich aus. Doch der erhoffte Durchbruch, Indien wegen seiner Aktionen im indischen Teil Kaschmirs international zu isolieren und verurteilen zu lassen, blieb aus. Eine von Pakistan gewünschte Sitzung des UN-Sicherheitsrates fand nicht statt, nur auf Drängen Chinas gab es einen etwa 30-minütigen internen Meinungsaustausch. Auch die amerikanische Diplomatie bezog klare Positionen. Ohne das Hineindirigieren ihres Präsidenten bezeichnete sie die indische Politik in Kaschmir als deren innere Angelegenheit, Probleme müssten zwischen Pakistan und Indien bilateral gelöst werden. Das State Department rief Pakistan auch mehrfach auf, seine Rhetorik gegenüber Indien zu mäßigen und endlich konsequent gegen Terroristen und deren Organisationen vor zu gehen.
Doch die klaren und mahnenden Worte der US-Diplomatie scheinen vergeblich, schaut man sich die Äußerungen des pakistanischen Premierministers Imran Khan an. Die sind von Hass und Wut gegen Indien geprägt. Nicht nur, dass er wiederholt Modi und seine Politik mit Hitler und dem Faschismus verglich, von Genozid und Völkermord sprach, er heizte auch eine Hysterie über den möglichen Ausbruch einer atomaren Katastrophe auf dem Subkontinent an. Die Hälfte seiner Redezeit vor der UN-Vollversammlung, die er mit 50 Minuten maßlos überzog (vorgegeben sind 15 Minuten) widmete er Indien und Kaschmir. Dabei versuchte er, sich als Interessenvertreter der indischen Muslime darzustellen, warnte vor Hindu-Terror und brachte Terroranschläge und einen Dschihad ins Spiel.
Indien entgegnete diesen Tiraden ruhig und sachlich. Es hatte mit der Abschaffung des Autonomiestatus in seinem Bundesstaat Jammu und Kaschmir Tatsachen geschaffen, an denen es nicht mehr rütteln ließ. Allerdings war seine Diplomatie gefordert, der pakistanischen Offensive entgegenzutreten. Nun warb auch Indien verstärkt um die Gunst des US-Präsidenten. Ein Volltreffer war das gemeinsame Auftreten Donald Trumps mit Narendra Modi auf einer Massenveranstaltung im legendären Baseballstadion in Houston, der viertgrößten Stadt der USA. „Howdy, Modi“ (Wie geht es, Modi) war eine seit langem geplante Großveranstaltung der indischen Diaspora in den USA. Über 50.000 Inder und indischstämmige US-Bürger feierten die beiden Regierungschefs. Das medienwirksame Spektakel war für Modi ein Bad in der Menge, zudem lobte Trump ihn in den höchsten Tönen – er „habe ein zerrissenes Land vereinigt“ und das Recht, dessen Grenzen zu schützen. Er sollte „der Vater Indiens“ genannt werden. Damit hatte Trump allerdings Modi in sehr fragwürdiger Weise in die Nähe von Mahatma Gandhi gerückt, der in Indien als „Vater der Nation“ verehrt wird.
Doch Trump bleibt Trump, der vorrangig seine Deals im Auge hat. Das Meeting in Houston war für ihn eine Wahlveranstaltung, mit der er um die Gunst der indischen Einwanderungsgruppe buhlte. Diese ist mit weit über drei Millionen die zweitgrößte in den USA und wählt traditionell die Demokratische Partei.
Zugleich wurde auf die indische Regierung der Druck erhöht, um doch noch auf die vor der Auslieferung stehenden russischen S-400-Luftabwehrsysteme zu verzichten. Auch gegenüber China soll Indien seine Positionen überdenken. Während Indien am S-400-Geschäft festhält, scheint es stärker als bisher US-Positionen hinsichtlich des Indischen Ozeans entgegen zu kommen. Nach mehrjährigem Stillstand kommt plötzlich Bewegung in die sogenannte Quadrilaterale Gruppierung (Quad), bestehend aus Australien, Japan, den USA und Indien, die sich gegen ein stärkeres Engagement Chinas im Indik/Pazifik richten soll. Erstmalig trafen die Außenminister dieser Gruppe zusammen, weitere Treffen sind vorgesehen.
In Islamabad empfing derweil der pakistanische Außenminister Qureshi offiziell einen Großteil der afghanischen Taliban-Führung, bezeichnenderweise unter Beteiligung des Chefs des pakistanischen militärischen Geheimdienstes ISI. Im Grunde genommen eine Provokation gegenüber der afghanischen Regierung, aber auch gegenüber den USA. Doch Trump persönlich hat die Taliban ja erst aufgewertet, die nun noch selbstbewusster auftreten können. Das Treffen war ein erneuter Versuch, sich gegenüber den USA und speziell Präsident Trump in Stellung zu bringen. Im Raum steht das lockende Angebot, die „Friedensgespräche“ der USA mit den Taliban wiederaufzunehmen und doch noch zu einer Regelung zu kommen. Das soll offensichtlich auch dem angekratzten Image des pakistanischen Premierministers dienen. Dessen internationale Auftritte trugen ihm Kritik nicht nur im Ausland, sondern auch zu Hause ein. Der eigentliche Machthaber Pakistans, die Militärführung, ließ Unzufriedenheit erkennen. Dazu beigetragen haben offensichtlich Äußerungen Imran Khans auf einer Veranstaltung in New York, wo er als erster pakistanischer Politiker offiziell davon sprach, dass das pakistanische Militär und dessen Geheimdienst ISI al-Quaida-Kämpfer und andere Terroristen ausgebildet haben und Verbindungen zu ihnen unterhalten. Ein Tabubruch, der die Frage aufwirft, ob nicht damit die Tage eines Imran Khan als Premierminister gezählt sind. Es wäre nicht das erste Mal, dass der führende Politiker des Landes die Ungnade des Militärs erfahren muss.
Trump, Modi und Khan – ein Dreigespann, das viel bewegen könnte, aber nicht zusammenpasst. Jeder verfolgt strikt eigene Interessen, zumeist stark subjektiv eingefärbt. Premier Modi und sein Amtskollege aus Pakistan hielten sich übrigens zur gleichen Zeit in den USA auf. Ihre Reden vor der UN-Vollversammlung hielten sie am gleichen Tag, danach – um einen Tag versetzt – fanden ihre offiziellen Treffen mit dem US-Präsidenten statt. Doch sie fanden nicht zueinander, letztendlich zum Schaden ihrer Völker.
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