von Hubert Thielicke
Das vergangene Jahr stand im Zeichen des Jubiläums „500 Jahre Reformation“, im Mittelpunkt Martin Luther, der spiritus rector der kirchlichen Umwälzungen. Weitere Jubiläen sind in Vorbereitung, so in Worms die „Lutherschau 2021“. Auf dem Wormser Reichstag hatte sich der Reformator 1521 geweigert, seine Lehre zu widerrufen, was ihm die Reichsacht einbrachte, vor der ihn sein Gönner, der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, durch die vorgetäuschte Entführung auf die Wartburg rettete – eine frühe Form von fake news gewissermaßen. In der Stille der Burg fand der Wittenberger Professor die nötige Muße, um das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen, eine theologische wie auch sprachliche Glanzleistung.
Dass die Reformation aber nicht das Werk eines Einzelnen war, zeigte die im thüringischen Mühlhausen 2016 eröffnete Sonderausstellung „Luthers ungeliebte Brüder“, die sich durchaus von obigem Mainstream unterschied. Es ging um alternative Reformatoren wie Thomas Müntzer, Heinrich Pfeiffer oder Andreas Karlstadt, die abseits des Wittenberger Weges eigene reformatorische Gedanken entwickelten und von Luther als „Erzteufel“ verunglimpft wurden. „Unsere Ausstellung fand eine gute Resonanz, was sich nicht nur an den Besucherzahlen zeigte“, schätzt Thomas T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen, ein. „Auch viele Besucher aus kirchlichen Kreisen werteten es durchaus positiv, dass wir auf Tendenzen eingingen, die vom Luther-Kult vergangener Jahrhunderte überlagert wurden.“
Die Sonderausstellung bleibt nun auf absehbare Zeit im Bauernkriegsmuseum in der Kornmarktkirche.
Aber schon denkt man in Mühlhausen weiter. Die thüringische Reichsstadt spielte 1525 eine wichtige Rolle im Großen Deutschen Bauernkrieg. Heute hat hier die Thomas-Müntzer-Gesellschaft ihren Sitz; das 1975 gegründete Mühlhäuser Bauernkriegsmuseum ist der erste und größte Gedenkstättenkomplex zum Bauernkrieg. Es mag also nicht wundern, dass aus dem Städtchen bereits die Idee zu einer Landesausstellung 2025 über den Bauernkrieg kam, der in Thüringen in der Schlacht von Frankenhausen gipfelte. Wie auch die Sonderausstellung von 2016 fand das Projekt von Anfang an große Unterstützung vor Ort, insbesondere durch Oberbürgermeister Johannes Bruns und Landrat Harald Zanker, beide SPD.
Auch die Thüringer Landesregierung von Bodo Ramelow (Die Linke) zog sofort mit und traf die Entscheidung, in Mühlhausen und Bad Frankenhausen eine Landesausstellung zum Thema „500 Jahre Bauernkrieg“ durchzuführen, wie aus der Staatskanzlei zu erfahren war. Das Jahr 2025 biete den Rahmen, erstmals nach dem Ende der europäischen Teilung die Thematik in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Bauernaufstände fanden ja nicht nur im thüringisch-sächsischen Raum, sondern auch im heutigen Baden-Württemberg, in Tschechien, der Schweiz, Frankreich oder Italien statt. Die Landesausstellung würde in den europäischen Kontext eingebettet, bundesweite und europäische Kooperationen werden angestrebt. Kultur- und Europaminister Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke) regte Gespräche mit Tschechien zum Thema Jan Hus und Hussitenkriege an. Mit der Planungs- und Forschungsphase soll 2019 begonnen werden.
In Mühlhausen läuft die Vorbereitung, baut man die nationale und internationale Vernetzung aus. Als Vorsitzender der Thomas-Müntzer-Gesellschaft ist Museumsdirektor Müller in Sachen Bauernkrieg unterwegs. So referierte er über „Müntzer und der deutsche Bauernkrieg“ auf einer Konferenz über „Bauernkriege weltweit“ in Südkorea. Im nächsten Jahr wird er auf Einladung einer Universität in Neuseeland einen Vortrag zum Thema halten.
Bundesweit spielt die Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Bauernkriegsmuseen mit 11 Standorten in fünf Bundesländern Mittel- und Süddeutschlands eine wichtige Rolle. In Thüringen selbst ist eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Standorten angedacht. Während es in Mühlhausen vor allem um die historische und rezeptionsgeschichtliche Seite des Projekts gehen könnte, würde sich Bad Frankenhausen vor allem auf die kunsthistorische Seite konzentrieren, wofür es mit dem monumentalen Bauernkriegspanorama des Leipziger Malers Werner Tübke über hervorragende Bedingungen verfügt.
Versteht sich, dass bis dahin noch vielfältige wissenschaftliche Arbeiten nötig ist. Wie weit zieht man den Kreis im Hinblick auf die anderen europäischen Bauernaufstände? Um welchen Zeithorizont soll es gehen? So hatte der Große Deutsche Bauernkrieg von 1524–1526 vor allem im Süden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eine ganze Reihe Vorläufer wie beispielsweise die Bundschuhverschwörungen oder den Armen Konrad.
Ein solches, groß angelegtes Projekt würde die nationale und internationale Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Ereignis deutscher und europäischer Geschichte lenken, das in der DDR große Aufmerksamkeit fand, in der alten Bundesrepublik aber kaum eine Rolle spielte. Nicht umsonst bedauerte der damalige Bundespräsident Johannes Rau in seiner Memminger Rede am 10. März 2000, dass es zu lange gedauert habe, bis die Ereignisse von 1525 als „Teil deutscher Freiheitsgeschichte verstanden und angenommen wurden“. Leider hat sich daran aber seither wenig geändert. Im Gegenteil, eine Untersuchung der Müntzer-Gesellschaft über den „Bauernkrieg im Schulbuch“ zeigte, dass dieser im Schulunterricht immer weniger Beachtung findet.
„Luthers ungeliebte Brüder“, Ausstellung im Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche, Mühlhausen, Di–So: 10–17 Uhr; weitere Informationen im Internet.
Sarah Lösel / Thomas T. Müller: Luthers ungeliebte Brüder. Alternative Reformationsideen in Thüringen, Schriftenreihe der Mühlhäuser Museen, 104 Seiten, 9,95 Euro.
Schlagwörter: Bauernkrieg, Hubert Thielicke, Martin Luther, Reformation