21. Jahrgang | Nummer 18 | 27. August 2018

Antworten

Aretha Franklin, Queen of Soul – Mahalia Jackson, Ray Charles, Sam Cooke, die Ward Sisters und andere bekannte Musiker und Sänger besuchten die Gottesdienste Ihres Vaters. Martin Luther King war ein Freund der Familie. Dies prägte Sie, und der Gott, an den Sie glaubten, hatte Ihnen eine Stimme gegeben, wie sie nur alle Jubeljahre einmal in Erscheinung tritt: Sie berührten die Menschen, wo immer man Sie hörte. 1956, da waren Sie 14 Jahre alt, war ihr erstes Gospelalbum erschienen. Mit „Respect“ avancierten Sie Ende der 1960er Jahre zu einer Ikone der schwarzen Musik in den USA. Ihr Album „Amazing Grace“, 1972 erschienen, ist bis heute das meistverkaufte Gospel-Live-Album. 40 Top-Ten-Hits, 18 Grammys und mehr als 75 Millionen verkaufte Tonträger – das ist bloß die Statistik Ihrer Karriere. Der „Rolling Stone“ kürte sie 2010 völlig zu Recht zur besten Sängerin aller Zeiten. 2014 meldeten Sie sich mit „Aretha Franklin Sings the Great Diva Classics“ eindrucksvoll zurück – einem Album, auf dem Sie Stücke von berühmten Sängerinnen wie Gladys Knight, Barbra Streisand und Adele interpretierten. Ihr letztes Album, „A Brand New Me“ erschien 2017.
Jetzt sind Sie vor Ihren Schöpfer getreten, der, sollte er einen Faible für Soul, Gospel und Pop haben, zu beneiden ist! Wir hingegen neigen unsere Häupter in Trauer.

Kofi Annan, nun auch Heimgerufener – „Judas ist tot“, äußerte der ruandische Autor Gatete Ruhumuliza zu Ihrem Ableben. Als „Weltenlenker mit ruhiger Hand“ hingegen apostrophierten Sie die Kollegen der Berliner Zeitung in ihrem Nekrolog. Letzteres ist wohl doch etwas zu viel der Ehre, denn dass ein UN-Generalsekretär bisher je als „Weltenlenker“ hätte agieren können, da waren allein schon die fünf Ständigen Sicherheitsratsmitglieder mit ihrem Vetorecht vor, wenn denen das Hemd der eigenen Interessen mal wieder näher war als der globale Rock. Also eigentlich – immer.
Seit 1987 agierten Sie als stellvertretender UN-Generalsekretär und dann auch als Chef der Abteilung für Friedenserhaltende Einsätze. Als solcher verhinderten Sie 1994 einen Angriff der UN-Blauhelme in Ruanda auf ein Waffenlager. Deren Oberkommandierender hatte zuvor vor einer Vernichtung der Tutsi-Minderheit gewarnt, für die auch das nämliche Waffenlager genutzt werden sollte. Sie verwiesen die Entwicklung in Ruanda auch nicht an den UN-Sicherheitsrat. Der Rest ist bekannt: Bis zu einer Million Tutsi fielen einem entfesselten Mob zum Opfer. Erst zehn Jahre später rangen Sie sich durch, zumindest einen Teil der Verantwortung dafür zu übernehmen.
Und das Gemetzel an 8000 Muslimen im bosnischen Srebrenica, das niederländische Blauhelme hätten verhindern können, gehört ebenfalls zu Ihrer Bilanz.
Dass Sie ob anderer Qualitäten und Aktivitäten wie etwa dem Kampf gegen Aids oder den internationalen Terrorismus trotzdem zu etwas wie dem „personifizierte[n] Weltgewissen“, so jetzt in einem Nachruf, avancierten, sagt einiges über die Welt aus, in der wir leben. 

Deutscher Lehrerverband, aufklärend Anklagender – Fast 40.000 Lehrer, so informieren Sie, fehlen derzeit an deutschen Schulen. 10.000 Stellen seien unbesetzt, hinzu kommen rund 30.000, „die notdürftig mit Nicht-Lehrern, Seiteneinsteigern, Pensionisten und Studenten besetzt werden.“ Ihr beschämendes Fazit: „Einen derart dramatischen Lehrermangel hatten wir in Deutschland seit drei Jahrzehnten nicht mehr.“ Und Sie verweisen auf die ganz offenkundige Ursache für ein solches Desaster, bei dem zumindest in Berlin und Sachsen mittlerweile bereits von einem „Bildungsnotstand“ gesprochen werden muss: „Da ist in fast allen Bundesländern die Entwicklung verschlafen und seit Jahren nicht auf den Geburtenanstieg reagiert worden.“ Was für eine Ohrfeige für all jene, die die Schulen hinsichtlich ihrer Bauten und Ausstattung sowie nicht zuletzt der Lehrerschaft dermaßen heruntergewirtschaftet haben. Ob da a) irgendeiner mal seinen Hut nimmt und vor allem b) das für Gegenwart und Zukunft so essentielle Bildungswesen so revolutioniert, dass dies einen solchen Namen verdient? Wer daran glaubt, darf sich aussichtsreich um eine Mitgliedschaft in der Funkengarde von ABC-Schützen bewerben.

Rudy Giuliani, präsidialer Anwalt – In einem TV-Interview befragt, ob Sie Ihrem Mandanten Donald Trump zur Aussage vor Sonderermittler Mueller raten, haben Sie mit Ihrer Antwort eine neue Qualität des dialektischen Durchblicks begründet. Bezogen auf die derzeit untersuchten Vorwürfe gegen Trump wegen eventueller Einflussnahme Russlands auf dessen Wahl haben Sie geantwortet: „Truth isn’t truth“ also: „Wahrheit ist nicht Wahrheit“. Zur Postulierung ihm unliebsamer Nachrichten durch Trump als „fake news“ passt diese ideelle Volte immerhin perfekt; im Eiskunstlauf wären Ihnen allein dafür ganz hohe Haltungsnoten sicher.

Nicolas Maduro, Verzweifelter – Um das wirtschaftliche Superchaos Venezuelas wieder in irgendwie geordnete Bahnen zu lenken, wollen Sie nun mit einer Währungsreform die bis dato auf 33.000 Prozent (!) belaufende Inflation samt angeschlossener Versorgungsmisere umsteuern. Dass dazu auch die Anhebung des Preises für Benzin, das es bisher nahezu umsonst gab, auf ein nun internationales Niveau gehört, macht exemplarisch klar, welchen Webfehler die – nominell ehrenwerte – Sozialpolitik seit Chavez von Anbeginn hatte: Wiewohl dank (es sei wiederholt: achtbarer) sozialer Gründe gestaltet, sind auch Venezuelas Revolutionäre jener Chimäre aufgesessen, dass man Preise einfach nur politisch festlegen muss, die Wirtschaft werde sich dann schon danach richten. Dass dies nicht funktioniert, hätte Ihnen ein Blick auf den (auch wirtschaftlichen Ruin) der ehemaligen sozialistischen Ostblockstaaten lehren können. Nun also ist diese Praxis perdu und auch die Sozialpolitik Venezuelas liegt in Scherben wie eine Wirtschaft, die einst durch den Hintergrund der Ölvorkommen als solide unterfüttert angesehen werden konnte. Gewiss hat zu der nunmehrigen Malaise auch der Hass der USA gegen den sozialistischen Ansatz des venezolanischen Kurses beigetragen, im Kern ist das Desaster allerdings hausgemacht und erreicht worden ist das Gegenteil des Postulierten. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ – Prediger 1,9 …

Uli Hoeneß, „Charakter“-de-luxe – Was immer man von der medial genüsslich ausgeweideten „Affaire“ Mesut Özil hält: Wie Sie als Boss und Lautsprecher des FC Bayern dabei agieren, offenbart einmal mehr miesen Charakter. Nicht nur, dass Sie Özil – wem gegenüber ? natürlich Bild – noch im Juli mit den Worten denunziert haben, der Kicker habe „seit Jahren einen Dreck“ gespielt, nein, nun erklären Sie ihn, diesmal bei Sky-TV wahrheitswidrig, zu jemandem, der bei Arsenal London lediglich ein Ersatzspieler war und ist; pfui Deibel! Einer der weiteren Höhepunkte Ihrer televisionären Auslassungen ist indes die Aussage, dass es sich für einen Profiklub gehöre, eben wie beim FC Bayern, mit einem Gewinn abzuschließen. Denn (!) „Das halte ich für das Wichtigste, dass man nicht auf Kosten anderer Steuerzahler oder auf Kosten von Besitzern dieses Fußballgeschäft betreibt.“ Dass Sie diese rührende Rücksicht auf die Steuerzahler jahrelang nicht für nötig gehalten haben und 2014 wegen siebenfacher Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden waren, ficht jemanden mit Ihrem „Charakter“ nicht an – immerhin charakterisiert es ihn vortrefflich.

Jean-Marc Jeanneret, Präsident des Verbands für Verkehrsfachleute Schweiz (VSS) und selbstredend Autolobbyist – Da die Schweizer Geländewagen und SUV lieben, erarbeitet Ihr Verband, unterstützt vom Schweizer Bundesamt für Straßen, nun ein Programm zur Verbreiterung der Fahrwege – schließlich brauchen die Protzschlitten (nicht nur) schweizerischer Wohlstandsbürger mehr Platz als Klein- und Mittelwagen. Darüber, wie sich Regierungen den kapitalen Verwertungsstrategien der – wie wir wissen – korrupten Autoindustrie beugen, kann man nur noch ungläubig den Kopf schütteln. Und darüber, wie die Käufer solcher „Schwanzverlängerer“, derer es mit Sicherheit noch mehr gäbe, wären sie nur erschwinglicher, ihrer Manipulation sehr bereitwillig auf den Leim gehen ohne nach den Folgen zu fragen.

Max Renkl , Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals e. V. – Mit Gleichgesinnten haben Sie dieser Tage jener letzten Rede gedacht, die Ernst Thälmann vor seiner Verhaftung und späteren Ermordung an diesem Ort nahe Berlin gehalten hat. Das ist fraglos eine angemessene und verdiente Ehrung des KPD-Führers. Ist man nun aber ein – wie Sie kämpferisch zu formulieren beliebten – „Thälmann-Fresser“, wenn man solch Resümee Ihrerseits aus dem Wirken des Thälmannschen ZK nicht mehr blanko teilt? Dass es nämlich darum gehe, den kommenden Generationen zu vermitteln: Der Arbeiter und Revolutionär Thälmann, kompromisslos gegen Faschismus, Reaktion und Kapital, aber mit offenen Armen für alle fortschrittlichen und antifaschistischen Kräfte, für alle Werktätigen, dieser Thälmann ist unser Lehrer, ist unser Kompass für Zeiten, die mindestens genauso kompliziert werden wie es die damaligen waren. Ist Ihnen eine Qualifizierung Thälmanns als „Lehrer“ und „Kompass“ nicht selbst unangenehm ähnlich zu sehr vergleichbaren Stalin-Huldigungen? Wir sind nicht sicher, ob man den kommenden Generationen linke Personen und Lehren ungebrochen so vermitteln will wie eine Religion, wobei dies immerhin bestens in jener Tradition steht, die auch Thälmann seinerzeit praktiziert hat. Dass der auch von ihm verehrte Stalin im Übrigen in den Jahren des Freundschaftsvertrages mit der Hitlerei keinen Finger gerührt hat, um Thälmann zu befreien, sei hier nur angemerkt.

Désirée Amneris Saskia Pamela Aida Nick (61), platinblonde Unterhaltungskünstlerin – Man durfte Sie dieser Tage in der Bild-Zeitung anstarren, wie der liebe Gott Sie erschaffen hat. Und das hatte seinen Grund: „[…] ich finde, kurz vor der Rente sollte jeder einmal Nacktbilder machen. Sie sind ein Nachweis für das Leben, das ich geführt habe.“ Dieses Statement lässt uns, mit Verlaub, befürchten, dass manche Blondinenwitze nicht vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit enthalten …

Radio-Werber, gruselige – In welch sozialer Not muss sich ein Schauspieler und/oder Sprecher befinden, um im Dudelfunk-Radio der dortigen Werbung seine Stimme zu leihen? An manipulativer Primitivität ist die allgegenwärtige vokaleuphorische „Begeisterung“ für irgendwelche Produkte und vor allem (vermeintliche) Preisschnäppchen nun wirklich nicht zu überbieten. „Schahatz, was machen wir denn heute? Na zu Penny gehen, da gibt’s grade eingefrostete Hammerhaie für nur 99 Cent …“ Es gilt offenbar: Beschäftigungs- und Honorarnot kennt kein Gebot. Dass dies für die Texter der inkriminierten Slogans ebenso gilt, versteht sich.