21. Jahrgang | Nummer 9 | 23. April 2018

Willkommene Reprint-Ausgaben

von Manfred Orlick

Alte, meist historische Publikationen sind häufig nur noch in Archiven oder in den Lesesälen der großen Bibliotheken zugänglich. Da ist jeder interessierte Leser erfreut, wenn es endlich eine Reprint-Ausgabe gibt, die einen ständigen Zugriff ermöglicht. Meist sind diese Reprint-Ausgaben auch noch preiswert, während man für das Original im Antiquariat oder bei eBay horrende Preise berappen muss. Wem es also allein auf den Buchinhalt ankommt, ist mit Reprint-Ausgaben gut beraten.
Manche Verlage haben sich auf Reprint-Ausgaben spezialisiert, so der Thüringer Verlag Rockstuhl in Bad Langensalza. Neben zeitgenössischer Regionalliteratur sind hier in den letzten Jahren eine Vielzahl von historischen Büchern, Landkarten und Kalendern erschienen – von der Chronik bis zum Wanderbuch, vom amtlichen Eisenbahnfahrplan bis zum Stadtplan. Seit seiner Gründung im Jahr 1990 veröffentlichte der Verlag Rockstuhl rund 1400 Titel. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der Thüringer Regionalliteratur, aber der Verleger Harald Rockstuhl widmet sich auch historischen Titeln aus anderen Regionen. Davon konnten in den letzten beiden Jahren vor allem die halleschen Leser, die an Stadtgeschichte interessiert sind, profitieren. In über zwanzig Reprint-Ausgaben wurde fast das gesamte Werk des Schriftstellers und Heimatforschers Siegmar von Schultze-Galléra der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Schultze-Galléra (1865–1945) widmete sich ein Leben lang der Geschichte der Stadt Halle und des Saalkreises – von der Stadtgeschichte über das Sagenbuch bis zur Beschreibung des „Dunkel- und Nachtlebens im 18. Jahrhundert“. Er gehörte zwar zu den Begründern der wissenschaftlichen Regionalgeschichte, Historiker werfen ihm allerdings fehlende Quellenangaben für seine Betrachtungen und Forschungen vor. Nichtsdestotrotz wird aber bis heute fleißig bei Schultze-Galléra abgeschrieben.
Auf ein besonderes Interesse stieß jetzt die Reprint-Ausgabe seiner dreibändigen „Topographie oder Häuser- und Strassen-Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale“. Nach der Erstausgabe zu Beginn der 1920er Jahre waren die Bände nicht wieder erschienen. Dabei gibt es wohl nur wenige Städte in Deutschland, die über eine derartige umfangreiche Lebensgeschichte ihrer Straßen und Gebäude verfügen. Der erste Band umfasst Alt-Halle, das heißt die Stadt in dem mittelalterlichen Festungsbezirk. Im zweiten Band, ein Doppelband, widmete sich der Heimatforscher den Vorstädten und Stadterweiterungen (südlicher und nördlicher Halbkreis). Der dritte Band bringt schließlich die Eingemeindungen von 1900: Giebichenstein, Trotha und Kröllwitz. Das dreibändige Werk umfasst den Zeitraum von den Anfängen der Stadt bis zum Jahre 1914.
Schultze-Galléra berichtet ausführlich über die Baugeschichte und die wechselnden Besitzverhältnisse der einzelnen öffentlichen und privaten Häuser. Nebenbei erfährt man, wie die Straßen zu ihrem Namen gekommen sind. Es ist wie ein lehrreicher Spaziergang durch die Stadt vor hundert Jahren. Viele der beschriebenen Gebäude sind allerdings durch Kriegseinwirkung und vor allem Abriss längst verschwunden, sodass sich das Stadtbild gravierend verändert hat. Beim Erscheinen stießen die Bände damals auf große Neugier, denn hier fanden viele Hallenser erstmals interessante Informationen zu ihrem Stadtviertel, ihrer Straße, ja sogar zu ihrem Haus. Die geschichtlichen und kulturhistorischen Darstellungen sind aber auch heute noch eine stadtgeschichtliche Fundgrube.

Siegmar Baron von Schultze-Galléra: Topographie oder Häuser- und Strassen-Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2018, Reprint-Ausgabe, drei Bände (vier Teile) insgesamt 956 Seiten, jeder Band 19,95 Euro.