Nichts ist von Dauer, auch nicht ein Statement wie das erste Editorial, mit dem die Gründer des Blättchens Ende 1997 Anliegen und Selbstverständnis dieser Zeitschrift zu Papier gebracht hatten und das die derzeitige Redaktion bei ihrem Start vor nunmehr sechs Jahren nur unwesentlich modifiziert übernahm. Immerhin: Als gänzlich überholt muss auch 20 Jahre später kaum etwas davon bewertet werden.
Eine andere und in diesem Sinne neue Dimension haben mittlerweile allerdings die globale wie auch die einheimische Situation angenommen.
Nationale Gemengelagen wie der selbst nach über fünfundzwanzig Jahren deutscher Einheit noch immer evidente Ost-West-Gegensatz hierzulande sind gegenüber regionalen und globalen Krisen oder gar Kriegen zurückgetreten, bei denen auch Deutschland auf die eine oder andere Weise zu den Akteuren gehört. Die – noch – kaltkriegerische neue Gegnerschaft zwischen dem Westen und Russland sowie zunehmend auch die Interessengegensätze zwischen den USA und China nehmen immer bedrohlichere Züge an und rücken sogar nukleare Kriege wieder in den Bereich des Möglichen.
Die fundamentalistische Lesart des Islam, vulgo der Islamismus, ist durch mörderische, religiös fundierte Bruderkämpfe unter den Muslimen und Terror bis hinein in westliche Regionen zu einer bedrohlichen Macht angewachsen.
Afrika sowie der Nahe und Mittlere Osten sind nicht nur aus Gründen der Flucht vor Kriegen im Wortsinne in eine Bewegung geraten, die das bisherige Gefüge des nationalen Selbstverständnisses vieler Staaten erschüttert und völlig neue Lösungen verlangt.
Schließlich erfordert das Erstarken rechtsextremer und nationalistischer Gruppierungen und Parteien in Deutschland und anderen Staaten Europas sowie in den USA samt deren realer Machtgewinne die Gegenwehr der Kräfte der Vernunft, der Aufklärung und der Demokratie.
Parteipolitik im tradierten Sinne vermag als eine solche Kraft zu wenig, sie ist häufig sogar kontraproduktiv; da ist die deutsche Linke leider keine Ausnahme. Wo aber nur noch breite Bündnisse helfen, müssen Kompromisse auch über grundlegende Gegensätze hinweg gefunden werden. Was geschieht, wenn das unterbleibt, wissen wir aus den Jahren der Weimarer Republik. Auf rechthaberischen Realitätsverlust, von wem oder welcher Ideologie auch immer er ausgeht, ist scharfer Gegenwind die einzig angemessene Antwort.
Der über 20 Jahre Blättchen stark angestiegene Leserzuspruch besagt für seine Macher, vor allem für seine zahlreichen Autoren, dass wir uns der in dieser Zeit entstandenen über 500 Ausgaben nicht zu schämen brauchen. Und auch wenn es seinerzeit schmerzlich war, aus wirtschaftlichen Gründen auf eine gedruckte Ausgabe verzichten zu müssen, so hat das digitale und eben kostenlose Blättchen doch dem Projekt eine sichere Perspektive gegeben.
Wir wollen auch weiterhin zwischen den Stühlen sitzen, ohne beliebig zu werden, und weiter unverdrossen im Sinne des letzten Absatzes unseres ursprünglichen Editorials tätig sein, denn am darin formulierten Anspruch hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nichts geändert.
Margit van Ham
Wolfgang Brauer
Detlef-Diethard Pries
Wolfgang Schwarz (V.i.S.d.P.)
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