19. Jahrgang | Nummer 21 | 10. Oktober 2016

Antworten

Raed Saleh, sozialdemokratischer Selbstkritiker aus Berlin – „Wenn wir auch nur annähernd in den Ruch kommen, mit finanzstarken Eliten zu klüngeln, trifft das eine linke Volkspartei bis ins Mark.“ Diesen tollkühnen Satz gaben Sie dieser Tage im Berliner Tagesspiegel von sich. Steigen ihre Ex-Senatoren wie Peter Strieder oder Walter Momper jetzt aus der Beratertätigkeit für Immobilien- und Bauunternehmer aus? Sorgt der Noch-Senator Andreas Geisel dafür, dass aus seinem Bezirksverband Lichtenberg die gestückelten Parteispenden an den generösen Großspender zurückgehen? Haben Sie gar eine Direktive verabschiedet, dass ab sofort bei der Besetzung von Aufsichtsrats- und vorstandsposten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein SPD-Parteibuch eher ein Hinderungs- denn ein Beschleunigungsgrund ist? Wenn dem nun wirklich so sein sollte: Dann glauben wir ab sofort wieder, dass eine Partei, die sich „Volkspartei“ nennt, tatsächlich die Interessen des Volkes vertritt. Aber Sie haben ja nur einen „Essay“ geschrieben. Diese literarische Gattung ist grundsätzlich offen für Fiktionen, Mythen und gelegentlich auch Irrationales. Das macht ihren Reiz aus.

Birgit Kelle, Lieblingsfeministin der deutschen Rechtskonservativen – Nach ihrer im Zusammenhang mit den Dirndl-Träumereien Rainer Brüderles geäußerten Aufforderung, anpöbelungssensible Frauen mögen doch gefälligst die Bluse zuknöpfen – der Adeo Verlag verkaufte diese Doppelpöbelei 2013 als „Sachbuch“ – war klar, dass auch Sie auf die arme Jenna Behrends (CDU), die sich öffentlich gegen den Sexismus von Funktionären ihrer Partei wehrte, losdreschen: „Wenn man böswillig ist, könnte man schlussfolgern, dass der Vorwurf an einen weißen, alten Mann in der Politik, er habe sexistisch gehandelt, erfahrungsgemäß eine Menge Publicity bringt. […] Für den Bekanntheitsgrad von Jenna Behrends hingegen ist diese Aktion Gold wert.“ Das durften Sie der Welt auf focus-online mitteilen. Wir stellen fest: Sie sind böswillig. „Wer schmeißt denn da mit Lehm?“, frug einst Claire Waldoff, um im selben Atemzuge hinzuzufügen: „Der sollte sich was schäm!“ Schämen Sie sich, Frau Kelle, das ist eine gute christliche Tugend! Gerade Fundamentalistinnen sollten diese gelegentlich pflegen.

Stanislaw Tillich, Dresdner Festredner, auch Ministerpräsident – „Nach dem Aufbau müssen wir jetzt aufholen.“ Diese frohe Botschaft verkündeten Sie zu den Einheitsfeierlichkeiten den versammelten Festgästen und den anwesenden Mikrofonen. Aber, äh, wann passierte das doch gleich mit der Einheit? Vor etwas über einem Vierteljahrhundert? Lästerte doch neulich einer unserer Autoren über die Mecklenburger – von wegen 100 Jahre später und so… Wir werden mit ihm ein ernstes Wörtchen reden. Auch Sachsen! Aber immerhin plant man dort im Unterschied zu den Pommeranen das Aufholen… Ein berühmter Sachse, allerdings ein Leipziger, prägte einst das Wort vom „Überholen ohne einzuholen“. Herr Tillich, Sie werden doch nicht etwa nach dem Aufholen ans Überholen gehen wollen? Sie erinnern sich doch noch, wie das endete.

Marko Schiemann, Bautzener CDU-Grande – „Wir haben in Bautzen Probleme“, räumten Sie jetzt ein. Aber wo Kummer ist, da ist der Trost nicht fern: In Bautzen sei es nicht schlimmer als in anderen Städten. Genau das ist das Problem.

Robert Drewnicki, Wahlkampfberater aus Berlin – Sie haben den Berliner SPD-Spitzenregierenden Michael Müller beraten. Immerhin hatte die SPD im September satte 21,6 Prozent eingefahren. Mit dem Rest des Wahlvolkes wollen Sie nicht mehr so richtig, zumindest nicht mit denen, die die AfD gewählt haben. Die seien „eher älter, mittel bis niedrig gebildet, Arbeiter und Arbeitslose“. Sie könnten sich keine SPD-Politik vorstellen, mit der diese Wähler wieder gewonnen werden könnten. Wir auch nicht. Da werden wohl 21,6 Prozent demnächst als einsamer Spitzenwert an güldene Zeiten erinnern…

Reinhold Messner, Genie – Kunst kann jeder, weil jeder schon mal zumindest als Kind im Kino war. Warum sollen nun ausgerechnet Sie nicht in einer neuen Lebensphase als Filmregisseur die Achttausender der Filmkunst in Cannes oder Venedig erstürmen? „Still Alive? Das Drama am Mount Kenya“ heißt das Wunderwerk, mit dem Sie die Menschheit beglücken wollen. Es geht um einen abgestürzten Bergsteiger. Wenn das mal kein Omen ist… Obwohl, zum Eröffnungsfilm der Berlinale wird’s allemal langen.