von Helge Jürgs
Den Namen Karl-Heinz Schreiber und den Begriff der Rechtsstaatlichkeit in einem Munde zu führen, kommt der Versuchung nahe, die Dreifaltigkeit noch durch den Beelzebub zu erweitern. Widmet man dem Aufmerksamkeit, was da -zig Jahre mehr oder weniger vor unseren Augen abgelaufen ist, kommt fast zwangsläufig jener Satz eines (hier amerikanischen) Jurastudenten in Erinnerung, wo jener die ersten Erfahrungen seines Studiums mit den Worten zusammenfasst: „Je mehr ich vom Recht kennenlerne, desto mehr erstaunt es mich daß es nicht verboten ist.“ (Joseph Heller, Endzeit)
Mehr als 20 Jahre hat es hierzulande gedauert, ein Urteil gegen den Rüstungslobbyisten, Waffenschieber und Steuerhinterzieher nun rechtskräftig zu machen. Wobei das Urteil sich freilich nicht gegen den ebenso profitablen wie todbringenden deutschen Kriegsgüterexport richtet, sondern lediglich gegen eine private Steuerhinterziehung des langjährig im sicheren Kanada Siedelnden. Schreiber, der langjährige CSU- und vor allem Strauß-Intimus, von Franz-Josef wie auch von dessen Sohn Max, war in den letzten 30 Jahren in so ziemlich alles verwickelt, was die Politik an besonders Schmutzigem und Widerwärtigem zu bieten hatte. Hier nur einige Stichworte unter anderen: Maxwell-Affäre, CDU-Spendenaffäre (unter anderem Geldkoffer für Schäuble), Airbus-Affäre, „Fuchs“-Panzer-Affäre, Schäuble-Koffer etc. pp. Und all das in trauter Zwei- oder Mehrsamkeit mit jeder Menge Polit- und Rüstungsprominenz, und mit dem BND ebenfalls. Wobei: Alles am Fall Schreiber ist natürlich rechtsstaatlich korrekt. Wirklich! Vorwurf, Anklage, Auslieferungsbemühungen, Prozess – alles war öffentlich, und straffrei davon gekommen ist er auch nicht. Aber alles verlief eben auch genau nach Wunsch von Politik und Wirtschaft, wenn es darum ging, den Mann an der Verwirklichung seiner Drohungen zu hindern, auszupacken, wenn man ihn nicht ungeschoren ließe.
Der Fall Schreiber erinnert fast zwangsläufig an einen grade erst Verstorbenen, dessen rechtsstaatliches Schicksal bei allen Unterschieden von Tatgegenstand und Tatort sehr ähnlich war: Wie Schreiber hatte auch DDR-Unterhändler Alexander Schalck-Golodkowski mit Bundesdeutschland Geschäfte getätigt, die beide Seiten unter dem Teppich der Öffentlichkeit hielten, weil ihr Inhalt zumindest zu Teilen zynisch und schmutzig war. Was bei Schreiber profitabler Rüstungsexport hieß, war bei Schalck – auch wenn auch andersartig profitabler – Ausverkauf von DDR-Tafelsilber. Franz-Josef-Strauß, dies sei nur angemerkt, war in beiden Fällen ein Hauptprotagonist. Während das üble Wirken Schreibers durch mediale Aufmerksamkeit ans Tageslicht kam, bescherte dieses „Schicksal“ Schalck-Golodkowski der finale Ruin der DDR.
Rechtsstaatlichkeit hatte natürlich auch hier obwaltet; der in das Exil der Alt-BRD geflüchtete Schalck wurde 1996 zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, auf Bewährung natürlich. Auch eine zweite Strafe erledigte sich de facto – einmal der mit ihr verbundenen Bewährung und zweitens durch ein Krebsleiden, das Schalck verhandlungsunfähig machte – bis 2015, als er in dauerhaft medialer Ruh (!) am Tegernsee nun verstorben ist. Karl-Heinz Schreiber nun hat soeben auf nochmalige Berufung am BGH verzichtet. Die sechseinhalb Jahren, zu denen er verurteilt worden ist, sind zwar nun final rechtskräftig – in einer Gefängniszelle verbringen wird er sie allerdings kaum – die seelischen und körperlichen Wunden, die ihm die böse Welt durch ihre perfiden Nachstellungen geschlagen haben, lassen das nicht zu. Und so wird er seinen Lebensabend ebenso in bayrischer Umgebung verbringen können, wie Schalck dies bis dato auch vergönnt war. Das obige Zitat aus Joseph Hellers Roman hier zu wiederholen, verbietet lediglich journalistisches Stilempfinden…
P.S.: Zwei klitzekleine Nachbemerkungen seien gestattet. Von unserem Bundespräsidenten, der einst ins Licht der politischen Öffentlichkeit traf, als unter anderem er nahe Rostock ein geheimes Lager von Waffen öffentlich machen half, die seitens der DDR – natürlich ebenfalls geheim – in Spannungsgebiete jener Art verschifft werden sollten, die mit damaligen Ostblock-Interessen zu tun hatten, war bezüglich des Rüstungsexports der Bundesrepublik – einst wie jetzt – nichts Pastorales oder Machtvolles zu vernehmen. Und: Es sind auch nirgendwo Proteste oder gar Arbeitsniederlegungen wegen der Rüstungsexporte durch jene Beschäftigten dokumentiert worden, die in deutschen Waffenschmieden mit der Herstellung von Kriegsgerät ihr (gutes) Geld verdienen; dies nur, weil der Schwarze Peter (auch) in dieser Angelegenheit nicht allein beim Watschenmann Politik liegt…
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