von Septentrionalis
Es mag nicht jeder und jedem ins Auge springen, aber Männer sind in der Regel – rein physisch – größer als Frauen? Das belegt auch die Statistik: Der deutsche Mann ist im Schnitt gut 1,80 Meter groß, das weibliche Durchschnittswesen hingegen 1,64 Meter.
Natürlich gilt das nicht in jedem Fall: Die wahrscheinlich größte Frau der Welt soll die Niederländerin Trijntje Corneliusdochter Keever gewesen sein, deren relativ kurzes Leben von 1616 bis 1633 währte. Ihr Spitzname: „de Groote Meid“, das große Mädchen. Sie war mit 2,54 Meter die größte jemals gemessene Frau und dürfte auf sämtliche Männlein, die ihr im ausgewachsenen Zustand begegneten, ziemlich von oben herab geblickt haben. Um längenmäßig ihren ultimativen Meister zu finden, hätte Trijntje noch zwei Jahrhunderte weiter leben müssen. Der „höchste“ jemals gemessene Mann wandelte nämlich von 1918 bis 1940 auf dem Planeten: der Amerikaner Robert Pershing Wadlow. Im „Guinness Buch der Rekorde“ ist er mit 2,72 Meter gelistet.
Ja, und mag es auch machomäßig und sexistisch klingen: Selbst der alte Stammtischschnack stimmt: Männliche Gehirne sind im Schnitt ebenfalls größer, um rund ein Zehntel. Das sollte allerdings nicht einmal medizinische Laien überraschen, denn sonst würden ja die durchschnittlichen Proportionen von Körper zu Gehirn bei Männlein und Weiblein ziemlich auseinanderfallen.
Mit der Denkfähigkeit jedoch hat – entgegen mancher Stammtischmeinung – die schiere Größe des menschlichen Gehirns nach herrschender wissenschaftlicher Ansicht nichts zu tun. Das gilt auch für große Geister. Albert Einstein (1879-1955) etwa: Dessen Körpergröße ist in seinem Schweizer „Dienstbüchlein“ von 1901 mit 1,71 Meter angegeben. Er war nach heutigen Maßstäben demnach eher klein, konkret: kurz. Seine geistigen Leistungen jedoch …
Umgekehrt: Der oben als Riese eingeführte Robert Pershing Wadlow hätte den erwachsenen Geistestitanen Einstein zwar schon im Alter von sieben oder acht Jahren körperlich deutlich überragt. Von einer überdurchschnittlichen Begabung bei ihm wird indes nichts berichtet. Er arbeitete zweitweise als Verkäufer von Magazinen, in seiner Freizeit sammelte er Briefmarken.
Ganz witzig all dies, aber was soll uns das hier? Nun, weil eine an deutschen, aber auch ausländischen Universitäten sowie in gewissen gesellschaftlichen Kreisen durchaus nicht seltene Denkrichtung allen Ernstes behauptet: Männer und Frauen seien von Geburt gleich und würden nur durch Erziehung und gesellschaftliche Umstände in ihre Rollenbilder gedrängt. Gender Mainstreaming lautet das allgemeine Stichwort dazu.
Nun wird der Begriff selbst durchaus sehr unterschiedlich definiert. Die EU denkt dabei eher an die Gleichberechtigung der Geschlechter, und das ist auch völlig OK.
Aber gleiche Rechte müssen ja nicht völlig gleiche Ausgangssituationen voraussetzen. Vor allem nicht in der Biologie. Jeder Basketballer ist ein Beleg für die Unterschiedlichkeit biologischer Voraussetzungen. Und ein Mensch wird nicht länger oder kürzer dadurch, dass man ihn anders erzieht. Genetische Ausrüstung und Ernährung spielen hier die Hauptrollen.
Aber ist der oben beschriebene Unterschied in der Körpergröße noch leicht überprüfbar, wird es bei den mentalen Eigenschaften schon deutlich schwieriger. Hirnforscher sind durchaus nicht einer Meinung, welche männlichen oder weiblichen Eigenschaften genetisch angelegt sind oder gar ob es in dieser Hinsicht Unterschiede von Natur aus gibt.
Der Hirnforscher Manfred Spreng etwa, der bei einem Kongress christlicher Führungskräfte in Hamburg auf Gender Mainstreaming einging, widerspricht vehement der Auffassung vieler Gender-Vertreter, dass die Geschlechterrollen vom biologischen Geschlecht unabhängig seien. Spreng leitet immerhin die Abteilung Physiologische Akustik und Informatik am Institut für Physiologie und Biokybernetik der Universität Erlangen-Nürnberg. Seiner Auffassung nach ist der Unterschied der Geschlechter im Hirn angelegt. Das „präoptische Areal“ beim Mann sei doppelt so groß ausgebildet wie bei der Frau. Diese Hirnregion ist für Tiefschlaf-Perioden mitverantwortlich. Frauen könnten daher oft lebenslang Probleme mit erholsamem Tiefschlaf haben, Männer hätten dieses Problem seltener. Frauen seien dadurch anfälliger für Depressionen. 25 Prozent der Frauen seien davon betroffen, Männer nur zu 12 Prozent. Auch der emotionale Bereich von Mann und Frau sei unterschiedlich. Frauen litten doppelt so häufig an Angststörungen wie Männer. Dagegen seien Frauen eher multitasking-fähig. Zudem könnten sie Signale rascher erkennen. Nach den Erkenntnissen der Hirnforschung könnten sich die Geschlechter allein aufgrund ihres unterschiedlichen Gehirnaufbaus physiologisch gesehen nie vollständig verstehen: „Schon die Farbwahrnehmung ist bei der Frau anders“, so jedenfalls Spreng.
Im Übrigen ist der Professor diplomatisch: Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sollten als Ergänzung wahrgenommen werden. Er empfiehlt, bei der Erziehung männliche und weibliche Stärken besser zu integrieren. Gender Mainstreaming hingegen ignoriere häufig die biologisch-medizinischen Ergebnisse der Hirnforschung. Das führe letztendlich zu gesundheitlichen Einschränkungen wie zum Beispiel Depressionen. Eine Zwangsangleichung der Geschlechter sei mit einem Identitätsverlust verbunden, so Spreng.
In eine ähnliche Kerbe haut auch ein Praktiker, der Krefelder Neurologe und Psychiater Burkhard Voß. Zum Kerngedanken des Gender Mainstreaming, der „Idee, dass das Geschlecht ein soziales Konstrukt ist, dass man frei wählen kann“, meint er: „Gemäß dieser Ideologie gibt es angeblich kein biologisches Geschlecht, alles ist von der Gesellschaft geprägt. Das hat etwas mit der postmodernen Philosophie zu tun, in der die Subjektivität im Vordergrund steht und eine Objektivität letztlich nicht existiert. Die Gender-Ideologie schafft Probleme, die es ohne sie nicht gäbe.“ Der auch als Buchautor in Erscheinung getretene Akademiker („Deutschland auf dem Weg in die Anstalt. Wie wir uns kaputtpsychologisieren“) sieht das Thema zudem als Teil einer ganzen gesellschaftlichen Strömung: „Es gibt bestimmte Zeitgenossen, da wird das Gespräch zum Selbstzweck. Dann geht es nicht mehr darum, was man tut und wie man es tut, sondern ausschließlich darum, wie man sich dabei fühlt. Die Gefahr dabei ist, dass das Leben in den Hintergrund rückt. Dafür gibt es den Ausdruck Übertherapie. Diese Verhaltensweise nervt mich sicher, und ich bringe es professionell zur Sprache, wenn Patienten nur um sich selbst zirkeln.“
Wer sich je in die Gedankenwelt militanten Gender Mainstreamings eingelesen hat, der wird dem Mediziner nur schwerlich widersprechen können.
Auf dem Weg zum Ziel allgemeiner und vor allem auch praktizierter Gleichberechtigung der Geschlechter jedenfalls lenkt Gender Mainstreaming schnell auch auf Nebenkriegsschauplätze ab. Etwa wenn durch penetrantes Insistieren, Einklagen und ähnliches suggeriert wird, dass die Chancen von Frauen davon abhingen, dass zum Beispiel an Begriffe wie Studenten oder Bürger in jedem denkbaren Fall ein „_Innen“ oder etwa noch Kruderes angehängt wird.
Nachsatz: Laut Paragraph 93 ff. im 9. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) muss in Betrieben mit mindestens fünf Behinderten eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden. Wählbar sind dabei alle nicht nur vorübergehend Beschäftigten, wenn sie am Wahltag volljährig sind und dem Betrieb schon mindestens sechs Monate angehören. Also auch Nicht-Behinderte.
Bei der Öffentlichen Hand hingegen ist die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten (wahlweise auch: Frauenbeauftragte, Beauftragte für Chancengleichheit, Frauenbüro, Gleichstellungsamt, Gleichstellungsstelle oder Frauenvertreterin) gemäß § 16 Bundesgleichstellungsgesetz und entsprechender Landesgesetze hingegen bis hinab zur Kommune ausschließlich auf Frauen beschränkt.
Sind also Frauen noch gehandicapter, äh, schutzbedürftiger als Schwerbehinderte, ist man versucht zu fragen. Und ganz praktisch: Wenn etwa im „Büro für Gleichstellung von Frauen und Männern“ der Stadt Düsseldorf mit immerhin knapp 600.000 Einwohnern zwar sechs Damen sitzen und man, wie im Januar 2015, die „Beauftragte für die Belange von Lesben und Schwulen und Transidenten der Stadt Dortmund“ einlädt, über ihre Arbeit zu berichten, um „ein weiteres Zeichen für gesellschaftliche Teilhabe, Gleichstellung, Anti-Diskriminierung und gegen Homo- und Transphobie“ zu setzen, dann ist daran gar nichts auszusetzen. Aber wenn die grundsätzliche Ausgrenzung der zweitgrößten Bevölkerungsgruppe in Deutschland zum konstituierenden Fundament der Gender MainstreamingerInnen wird, wohin soll das eigentlich führen? Irgendwann zum nächsten Geschlechterkampf – unter umgekehrten Vorzeichen?
Schlagwörter: Gender Mainstreaming, Geschlecht, Geschlechterrolle, Septentrionalis