von Frank Burkhard
Das etwa 50 km östlich von Frankfurt/Oder gelegene Łagów wird auch die „Perle des Lebuser Landes“ genannt. Hier wurde vor 47 Jahren das nunmehr älteste polnische Filmfestival, der Lebuser Filmsommer, gegründet, der sich dem ost- und mitteleuropäischen Film widmet. In diesem Jahr fand er zum 44. Mal statt, eine sportliche Leistung, denn der langjährige Chef Andrzej Kawala muss oft bis zur letzten Minute um Zuschüsse und Sponsoren kämpfen.
In diesem Jahr hatte er einige Leckerbissen zu bieten, die schon mit einem 100 Jahre alten Film begannen. Etwas in Vergessenheit geraten war die Tatsache, dass der Hollywood-Regisseur Michael Curtis („Casablanca“) seine Laufbahn als Mihály Kertész im ungarischen und österreichischen Film begonnen hatte. Sein Film „A tolonc“ (Das Exil) mit Lily Berki sowie Mari Jászai, der bedeutendsten ungarischen Darstellerin ihrer Zeit, entstand 1914 im heute in Rumänien gelegenen Cluj und Umgebung. Auch wenn es eine Groschenromangeschichte um Liebe, Verbrechen, Diebstahl, Versöhnung im Stil der Zeit war, frappierte neben der Spielfreude der Darsteller die Qualität der filmischen Rekonstruktion.
Aus der aktuellen ungarischen Produktion lief in Łagów unter andferem der grotesk-bissige und deutlich zivilisationskritische Streifen „Parkolo“ (Parkplatz) von Bence Miklauzic. Zwei Besessene treffen aufeinander: Legio(när) ist Pächter eines Parkplatzes und liebt die Tauben, die bei ihm nisten, begräbt sie, wenn die Katze wieder zugeschlagen hat. Imre, ein Unternehmer aus der Nachbarschaft, besteht darauf, seinen geliebten Ford Mustang auf den Taubengräbern zu parken. Als Legio es ihm verweigert, kommt es zu einem verbissenen Psycho-Krieg zwischen den Männern. Am Ende ist einer der beiden tot.
Schöne Entdeckungen gab es auch vom polnischen Film. „Carte Blanche” von Jacek Lusinski erzählt die authentische Geschichte eines Literaturlehrers in Lublin, der erblindet und diese Tatsache vor seiner Umwelt verbirgt, weil er um seinen Job fürchtet. – Viele poetische Bilder hat „Onirica“ von Lech Majewski, der in Łagów mehrere Filmforen bestritt. Er porträtiert einen jungen Mann, der seine Familie bei einem Unfall verloren hat. Der führt philosophische Gespräche mit seiner Tante, die um Dantes Werk kreisen. Majewski findet metaphernreiche Bilder von Taube und Schlange. Spektakulär auch, wenn der (verstorbene) Vater den Boden in einer real-Kaufhalle umpflügt und am Schluss eine Kirche von der Sintflut bedeckt wird.
Die traditionell guten Beziehungen des Lebuser Filmsommers mit dem Verein Kommunales Kino Cottbus e.V. fanden ihren Ausdruck in dem deutsch-polnischen Projekt „Kennenlernen und verstehen – Geschichte und Gegenwart in der deutschen und polnischen Filmkunst“.
Auch deutsche Filme – vorrangig von Studenten aus Berlin und Babelsberg – wurden gezeigt.
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