von Eckhard Mieder
Ich bin so weit, ich bin bereit. Nachdem ich zwei Wochen lang durch das Waschprogramm „Terreur“ der Debattiermaschine gejagt und rundum geschüttelt und gespült wurde, sehe ich mich nach einer Kalaschnikow um. Die Dinger, las ich, kosten um die 1000 Euro auf dem Schwarzmarkt. Vielleicht lässt sich der Preis runterhandeln. Wahrscheinlich sind die Verkäufer sowieso Kaukasier, Orientalen oder Afrikaner, die haben das Handeln im Blut und genießen es, wenn einer auch Spaß am Feilschen hat. Hey, komm, mach mir einen Preis! Du willst leben, ich will leben! Wo ist das Problem?
Nun weiß ich noch nicht, wo der Schwarzmarkt liegt, um die Ecke oder am Schwarzen Meer (höhö!). Oder er blüht im Bahnhofsviertel, wo ja alles blühen soll, was Drang und Samen hat (höhöhö; es nähert sich die Karnevalszeit allhier). Oder ich frage den freundlichen Perser, der die Trinkhalle in der Nebenstraße betreibt und immer, wenn ich das Kabuffchen betrete, sitzt er vor seinem Rechner und kommuniziert – um Himmels willen, mit wem eigentlich? Er lächelt immer so freundlich, wenn wir uns mit Handschlag begrüßen. Was steckt dahinter, frage ich mich?
Oder neulich der Mann, der in die Bahn einstieg. Noch dazu an der Station Hauptfriedhof (nix höhö!). Er sah aus wie ein Muslim aus dem Bilderbuch, wie ein Muslim aus einer Karikatur. Und hielt ein Köfferchen auf dem Schuss (Schoß!), und seine Augen flitzten hin und her. Ich starrte ihn an. Ich wollte, dass er mir in die Augen blickt. Aber das tat er nicht. Und ich dachte: Wenn der wieder aussteigt und der Koffer bleibt in der Bahn, dann ziehe ich die Notbremse und schreie laut: Raus, raus, Leute, raus!
Als er dann ausstieg, der magere Bursche, und den Koffer mitnahm, es war die Station Deutsche Nationalbibliothek, fiel mir unter anderem ein, dass es in anderen Ländern, etwa in China und Japan, als unschicklich gilt, sich immerzu in die Augen zu blicken. So von fremd zu fremd. Dieser Planet ist echt ein riesiges Teil im Weltall; auf dem leben Populationen, unfassbar, mit Sitten und Gebräuchen und Unsitten und Gebrautem, he, das kriegste einfach nicht unter einen Hut!
Da wird’s dann problematisch mit der Forderung, man möge sich „auf Augenhöhe begegnen“. Welches „man“? Religionen, Ethnien, Rassen, Männer und Frauen, Kinder und Eichhörnchen, LKW- und Fahrradfahrer, Nicht- und Rettungsschwimmer, Opfer und Teppichklopfer?
Zurück zur Kalaschnikow. Und zurück zum Kalten Krieg. Nebbich befand ich mich in dem einen und hatte das andere zur Hand. Das ist ein unbedingter Vorteil, weil ich nicht in den Nahen Osten muss, um mich an der Waffe ausbilden zu lassen.
Was ich auf den Fernsehbildern sehe: Die Dinger sehen aus wie früher. Geschossen habe ich nie gern, und ich war ein sauschlechter Schütze. Aber! Es sind einige Jahrzehnte vergangen. Aber! Die Handgriffe an jener Flinte – sie sind mir während meiner anderthalbjährigen Armeezeit bis zur Blödsinnigkeit eintrainiert worden. Vermutlich beherrsche ich sie noch heute.
Zweitens. Endlich wird eines der Argumente des Dienstes in einer Armee des Friedens begreiflich und wahr. Nebbich wurde mir – und den anderen Dödeln in der Kompanie und Armee – in etwa gesagt: Wollt ihr etwa zusehen, wenn der Feind das Land überfällt und eure Familien bedroht? Die Mütter killt, die Ehefrauen und Freundinnen vergewaltigt, den Kindern das Spielzeug raubt? Die Errungenschaften des Sozialismus waren vielleicht zu abstrakt. Sie zu verteidigen, naja. Aber die Mutter? Die Freundin? Das ungeborene Kind? Der damalige Feind war so eine Art kapitalistischer Russe aus dem Jahre 1945. Nur das habe ich dann doch nicht im Polit-Unterricht gesagt.
Außerdem ist vielleicht was Wahres dran? Wenn ich darüber informiert werde, wie irgendwelche Vollidioten, nee, Höchstkriminelle, nee, Perverse über Menschen, Städte, Staaten herfallen, dann leuchtet mir das Argument der Selbstverteidigung fast schon wieder ein.
Fast. Denn zu den Vollidioten, Höchstkriminellen, Perversen gehören auch die – Waffenbrüder? Die Irak zerstörten, Afghanistan verschlimmbesserten, immerzu Freundbilder montierten, die nach Jahren Feindbilder wurden … Und zu diesen Waffenbrüdern gehören gar meine deutschen Brüder und Schwestern in Uniform? Soll ich mich auch gegen die verteidigen?
Ich habe mich entschlossen: ja. Ich besorge mir eine Kalaschnikow, stelle sie in den Flur neben meine Wohnungstür – oder nehme ich sie mit ins Bett? – und es ist mir egal, wer mich und meine Familie angreift: Ich werde ballern. Falls mir nicht ein Sonderkommando der deutschen Polizei zuvorkommt, die – einem später nie zugegebenen Irrtum folgend – mich für einen Terroristen hält und mit dem gezielten Schuss eines Scharfschützen (trainiert an einer Kalaschnikow? eher nicht) ausschaltet.
Und warum? Weil ich erfasst wurde, wie ich auf dem Schwarzmarkt vom Schwarzmarkthändler Schwarzenegger („Höhö? Kannste dir sparen, diese Scherze, in Zukunft, du Keks!“) eine Kalaschnikow kaufte, um den Freien Westen zu erschießen. Dabei wollte ich wirklich nur mich und meine Frau und …
Schlagwörter: Eckhard Mieder, Kalaschnikow, Schwarzmarkt, Terror