17. Jahrgang | Nummer 20 | 29. September 2014

Antworten

John Gring, UNO-Direktor – Sie haben darüber informiert, dass die Vereinten Nationen sich gezwungen sehen, ihre Nahrungsmittelhilfen für die zivilen Opfer des Krieges in Syrien drastisch einzuschränken. Im Oktober könnten nur noch 60 Prozent des dortigen Bedarfs geliefert werden, im November dann lediglich 40 Prozent. Der Grund ist ebenso simpel wie bezeichnend für eine Organisation, die nicht nur ihren Sitz in den USA hat sondern von diesem Gastland dank dessen politischer, ökonomischer und militärischer Omnipotenz auch hochgradig abhängig ist. Nur eben: sie ist auch dessen Gläubiger, denn kaum ein UN-Mitgliedstaat ist ein größerer Schuldner bei der Leistung jener – verpflichtenden! – Finanzbeiträge, dank derer die UNO überhaupt arbeitsfähig ist. Nur gut, dass Washington wenigstens die Zuwendungen für allerlei Kriegseinsätze bislang noch immer hat aufbringen können.

Kabarettsendung „Die Anstalt“, DAS AufklärungsforumBravo! Das was im „normalen“ Journalismus unserer Medien nur noch selten zu finden ist, bieten Sie in der Sendung des ZDF „Die Anstalt“Information, Analyse, Hintergründe, Geschichtsbetrachtung. Es ist eigentlich schwer, die Satire zu finden, Sie bewegen sich so nah an der Realität… Dass diese Art Aufklärung nur noch im Kabarett zu besichtigen ist, lässt aber sehr an der unabhängigen Nachrichtengebung der deutschen Medien und deren journalistischen Ethos zweifeln.

Reinhard Mohr, Stadtphänomenologe – Gäbe es einen fünften apokalyptischen Reiter, er ritte auf einem – Drahtesel. Sie haben das Radfahren als Landplage alttestamentarischen Ausmaßes in unseren Städten identifiziert. „Der Kampfraser, oft in hautenger, windschlüpfriger Montur“ bilde „die Spitze der neuen Massenbewegung“. Er sei der Freibeuter der Straße – ohne Kaperbrief zwar, aber der Schrecken des Asphalts. Daneben kann man auf nicht wenige weitere, nicht minder lästige Pedal tretende Typen treffen, zum Beispiel auf den „homo relox iPhone“: „Etwa auf eine einhändig radelnde alleinerziehende Mutter mit Kind auf dem Rücksitz, die mit der anderen Hand gerade eine SMS an ihren Ex verschickt, um Ort und Zeitpunkt der Übergabe des kleinen Lars-Oliver auszumachen.“ Das „strampelnde Ego“ blähe „sich nicht nur im irrtümlichen Selbstbild seiner moralischen Überlegenheit auf. Nein, auch die schiere Ignoranz von Regeln und Verhaltensweisen, die schon die praktische Vernunft gebietet, sorgt für jene Unbekümmertheit, die nahtlos in Rücksichtslosigkeit übergeht.“ Aus dem „radelnden Liebling der Schöpfung“ werde „so blitzschnell der homo velox blech – das CO2-freie Pendant zum hirnlosen Autobahnraser mit geistigem Bleifuß“. Da kann man eigentlich nur analog wünschen, was von Ihnen in anderem Kontext in diesem Blättchen bereits vor einigen Jahren zitiert worden ist: „Aufhalten könnte ihn allenfalls der kinderfeindliche Fahrer eines extrem leisen Vierzigtonners, der schlecht sieht und gerade ‚Highway to Hell‘ in voller Lautstärke in den Ohrstöpseln seines iPhones hört. Das wäre dann Pech für den“ Radler.

Frank Schirrmacher, Hinterlasser bleibender Notate – In einem Ihrer letzten Texte hielten Sie fest: Jeder wisse, wie man ein Smartphone bedient, aber kaum jemand wisse, wie man es verhindert, von Smartphones bedient zu werden. Einschlägige Experten meinen dazu: Wenn man erst eins hat, kann man es nicht mehr verhindern …

Thomas Darrah, akademischer Gutachter – Ein Forscherkollektiv der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina), dem Sie angehören, hat herausgefunden, dass Verunreinigungen des Trinkwassers infolge von Fracking offenbar meist auf undichte Bohrlöcher zurückgehen. Das Aufsprengen des Gesteins in der Tiefe selbst sei vermutlich in der Regel nicht für die Verschmutzungen verantwortlich. Wir sind beeindruckt davon, zu welch präzisen Ergebnissen wissenschaftlicher Vermutungsdrangdrang zu führen vermag.

Burkhard Jung, Leipzigs spendierfreudiger Dorfschulze – Ihre finanziell klamme Stadt (700 Millionen Euro Schulden) spendiert den Veranstaltern des Deutschen Katholikentages 2016 eine Million Euro; Chapeau! Die nicht einmal fünf Prozent der Leipziger Katholiken werden stolz auf die Messestadt sein. Und die Katholische Kirche, deren Reichtümer – sofern sie nur ans Tageslicht kommen – eine ähnlich märchenhafte Gestalt haben wie sie katholische Liturgien zu eigen sind, sowieso.

Christoph Kramer, kickender Start-up-Philosoph – Wenn das kein Fanal ist für einen erkenntnistheoretischen Quantensprung: Bei der Fußball-WM in zwei Spielen für 44 Minuten im Einsatz, drohen Sie uns nun damit, aus dieser Langzeiterfahrung ein Buch über die Weltmeisterschaft in Brasilien zu verfassen. Ihrem 23jährigen Alter gerecht, sollen es keine Memoiren sein (wie schade) sondern „mehr etwas Philosophisches“.  Und da es Ihnen ausschließlich ums Kognitive geht, haben wir volles Verständnis für die angekündigten Kollateralschäden: „Und ich schreibe jedes Wort selbst, nix Ghostwriter oder so. Wenn Rechtschreibfehler drin sind – egal.“ Sie verkörpern die literarische Zukunft, wetten, dass?

Carl Huttenlocher, Asien-Chef von Highbridge – Ihre Hedgefondsgruppe sowie Sie selbst als Eigner des bislang eher bescheiden erfolgreichen Start-ups Myriad gehört zu jenen privilegierten 70 Großinvestoren, die sich darauf freuen dürfen, vom soeben erfolgten Börsengang des Online-Händler Alibaba munter zu profitieren. Jene 100 Millionen Dollar, mittels derer sich Myriad via Vorzugsaktien bei Alibaba eingekauft hat, lassen dem Vernehmen nach jedenfalls beim Rückfluss eine Verdreifachung erwarten. Weiß der Kuckuck, warum uns dazu das Wortspiel von Alibaba und den 70 Räubern einfällt.

Narendra Modi, Indiens Premier – „Heute wurde Geschichte geschrieben. Wir haben es gewagt, in unbekannte Welten vorzudringen, und haben das schier Unmögliche erreicht“, haben Sie den beeindruckenden Umstand kommentiert, dass neben den USA, der ehemaligen Sowjetunion und der EU Indien jetzt das vierte Land der Erde mit einer gelungenen Marsmission ist. Nun ist es zum einen erfreulich bestätigt zu bekommen, dass extraterrestrische Ambitionen immer weniger das Monopol der bisherigen drei Großen der Weltraumfahrt sind und dass indische Wissenschaftler und Ingenieure allemal zu Gleichartigem in der Lage sind. Nur eben: wäre es – und dies nicht nur Schwellenländern – nicht angeraten, alle Mittel darauf zu konzentrieren, das Leben auf Erden besser und friedlicher zu machen? Eine gemeinsame Raumfahrt als sicher nötige Vorbereitung für zwar extrem ferne aber doch unausweichliche Vorbereitung der Auswanderung von uns Erdlingen in den Raum, gehört sicher auf die Agenda bereits unserer Tage, einem dezentralem Wettbewerb darum liegt aber letztlich doch nur wieder politisches Prestige zugrunde. Als hätten wir davon nicht schon genug.