von Manfred Orlick
Die Tragödie „Hamlet“ von William Shakespeare (1564-1616) ist zweifelsohne ein Klassiker der Weltliteratur, die noch heute zu den meistgespielten Theaterstücken rund um den Erdball zählt. Nach den Daten des Deutschen Bühnenvereins lag „Hamlet“ in den letzten Jahren meist unter den Top Ten deutscher Bühnenspielpläne, 2010/11 sogar auf dem dritten Platz. Über kein anderes Werk ist so intensiv nachgedacht, so viel spekuliert und so viel geschrieben worden. An der Enträtselung des Stückes und seines Titelhelden haben sich immer wieder Literaturwissenschaftler, Dichter und Philosophen, ja auch Psychoanalytiker versucht.
Nun hat der Verlag J.B. Metzler ein „Hamlet-Handbuch“ herausgebracht, dessen Erscheinungstermin mehrfach verschoben wurde, das aber jetzt doch pünktlich zum 450. Geburtstag des großen Dramatikers erschienen ist. Es versammelt insgesamt 88 Beiträge von über 70 anerkannten Autorinnen und Autoren der internationalen Shakespeare-Forschung. Die meisten Texte sind in deutscher, einige in englischer Sprache. Wie der Herausgeber Peter W. Marx betont, wurde an den Themen und Fragestellungen des Bandes immerhin fünf Jahre gearbeitet.
Im ersten Abschnitt stehen Aspekte der Ursprungs- und Stoffgeschichte sowie die unterschiedlichen Druckfassungen im Mittelpunkt. Schließlich hatte Shakespeare seinen „Hamlet“ wie alle seine Stücke nicht für den Buchmarkt geschrieben, sondern als Spielmaterial für das Theater. Erst später kamen die Druckfassungen dazu. Auch auf die zahlreichen deutschsprachigen Übersetzungen und Bearbeitungen wird kurz eingegangen.
Das nächste Kapitel widmet sich den Deutungsproblemen der Tragödie. Neben der Deutung und Bewertung des Titelhelden werden hier auch einzelne Figuren näher beleuchtet, wie etwa der Geist, der Norwegerprinz Fortinbras oder Yorick, der nur als stumme Rolle, als Totenschädel auf der Bühne ist. In einem Beitrag wird „Hamlet“ als zeitgeschichtliches Dokument, ja als politisches Stück hinterfragt.
Der dritte Abschnitt „Lesarten“ umreißt auf fünfzig Seiten die wichtigsten Linien der Hamlet-Interpretation. Hierbei wird sowohl auf den jeweiligen geistesgeschichtlichen Standpunkt als auch die Entwicklung des Theaters eingegangen. So entwickelten sich die Lesarten des Stückes von der Rachetragödie über die Melancholiker-Allegorie bis hin zum Psychogramm. Hamlet war Held, aber ebenso Anti-Held. Diese Sichtweisen und Charakterisierungen belegen, dass der Dänenprinz gewissermaßen ein Zeitgenosse jeder Epoche war.
Den vierten und größten Teil des Handbuches (immerhin 400 Seiten) nimmt die Rezeption des „Hamlet“ ein. Den Anfang macht die Theaterrezeption von den Aufführungen im 17. Jahrhundert bis zum Gegenwartstheater. Einige Texte betrachten dabei „Hamlet“ auf der deutschen Bühne, zum Beispiel in der NS-Zeit, in der BRD und der DDR. Auch literarische Fortschreibungen des Hamlet-Stoffes wie Goethes „Wilhelm Meister“ oder Heiner Müllers „Hamletmaschine“. Den Abschluss bilden dann Betrachtungen zu „Hamlet“ in der bildenden Kunst, im Film und in der Populärkunst (nicht zuletzt auch in Karikatur und Werbung).
Komplettiert wird das Kompendium mit einem umfangreichen Anhang mit einem weiterführenden Literaturverzeichnis, das auch Internetressourcen einbezieht, und einem vierteiligen Register. Außerdem lockern einige historische Abbildungen den Text auf, der trotz der vielen Autoren eine gewisse Einheit bildet.
Fazit: In umfassenden Einzelanalysen stellt das Hamlet-Handbuch Shakespeares Werk kompakt oder differenziert vor. Selten ist dieses Meisterwerk der Weltliteratur so umfassend dargestellt worden.
Peter W. Marx (Hrsg.): Hamlet Handbuch, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart und Weimar 2014, 564 Seiten, 79,95 Euro.
Schlagwörter: Hamlet, Manfred Orlick, William Shakespeare