17. Jahrgang | Nummer 15 | 21. Juli 2014

Antworten

Norbert Röttgen, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages – Auch nach den jüngsten Spionageaffären beim BND und im BMVg, so mahnten Sie ebenso postwendend wie staatsmännisch, dürfte die deutsche Politik „jetzt nicht patzig […] werden“, dürfte keinesfalls „auf die Dummheit der USA mit eigener Dummheit reagieren“ und dieses „Fehlverhalten“ der USA „nicht zum Maßstab der allgemeinen Beziehungen“ zu den USA machen. Dass Sie allerdings nicht auf die Idee kommen, letztere wenigstens einmal kritisch auf den Prüfstand zu stellen – vielleicht im Auswärtigen Ausschuss –, wundert uns gar nicht, waren Sie ja bereits auch auf anderen verantwortlichen Posten (Bundesumweltminister, CDU-Spitzenkandidat in NRW) eine ziemliche Fehlbesetzung.

Thomas de Mazière, konservatives Bundesinnenchamäleon? – Wir gehören nicht zu den Zeitgenossen, die jegliche mentale Entwicklung bei Konservativen grundsätzlich von vornherein für ausgeschlossen halten. Was Sie allerdings in den letzten Monaten im Koordinatensystem des NSA-Skandals an zerebraler Beweglichkeit unter Beweis gestellt haben, ist mit dem Wort evolutionär nur höchst unzulänglich zu beschreiben: Zu Anfang des Jahres polterten Sie, die Überwachung durch die amerikanischen und britischen Geheimdienste sei ohne Maß, die Aufklärung unzureichend. Nach Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses hatten naive Gemüter erwartet, Sie würden den Worten Taten folgen lassen und hinsichtlich mangelnder Aufklärung Abhilfe schaffen. Doch stattdessen ließen Sie verkünden, ihr Ministerium liefere Informationen zur Aufhellung der Geheimdienstmachenschaften nur unter Vorbehalt. Etwas später, anlässlich eines Washington-Besuches, stellten Sie gar klar, dass Sie Snowden als Verräter ansähen, Deutschland ihn an die Vereinigten Staaten ausliefern würde und es ansonsten Wichtigeres gäbe. Und kurz darauf setzten Sie noch einen drauf: Aus Ihrem Hause verlautete, deutsche Beamte dürften die Snowden-Papiere nicht einmal legal lesen, weil das gegen Geheimhaltungsvorschriften verstieße.
Sind Sie also ein Wendehals, ein konservatives Chamäleon, wie unverbesserliche linke Kritikaster Ihnen vielleicht nachsagen? Keineswegs! Aus dem Rahmen fiel schließlich bloß die Bemerkung vom Jahresanfang; alles andere war so, wie man es von Ihnen erwarten durfte, und in solchen Fällen gilt bekanntlich: Exeptions make the rule.

Dirk Nonnenmacher, Unschuldiger – Das Hamburger Landgericht hat Sie und Ihre fünf Vorstandskollegen von dem Vorwurf freigesprochen, sich als früherer Finanzvorstand der HSH Nordbank der Untreue in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht zu haben. Wie kommt es nur, dass wir einen solchen Ausgang ebenso vorausgesehen haben wie jene bei ähnlich gelagerten und in hoher Finanzwelt angesiedelten Fällen; Ackermann lässt grüßen. Wir sind schon unheimlich gespannt darauf, wie die laufenden Ermittlungen gegen die Bosse der Deutschen Bank juristisch enden werden, gegen die derzeit auch ein Vorwurf wegen Prozessbetruges (!) aktenkundig ist.

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP – „Ich kenne von der Linkspartei keine Aussage, in der es um Gesellschaftsveränderung geht – in dem Sinn, die politische Machtergreifung der Arbeiterklasse im Bündnis mit anderen voranzutreiben. Das ist die Voraussetzung, um Produktionsmittel des Kapitals vergesellschaften und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen zu können“, haben Sie jüngst in einem Interview erklärt. Dass „die Arbeiterklasse“ wiederum an einem Bündnis mit Lehrbuch-Kommunisten, und seien diese ganz sicher auch noch so honorig, so wenig Interesse zeigt, gibt Ihnen offenbar bestenfalls insofern zu denken, als sie gewiss nur noch nicht reif ist. „Wünsch Dir was“, hieß einst eine Sendung des DDR-Fernsehens, sie war offenbar dem Leben bleibender entlehnt, als vermutet.

DAK, neugierige Krankenkasse – In einer Studie haben Sie ermitteln lassen, wie es sich mit dem Stress in Deutschland verhält; wer also wie viel hat und warum. Das Ergebnis liegt nun vor und besagt: Es sind die Alleinerziehenden, Arbeitslosen und Studentinnen, die besonders oft unter chronischem Stress leiden. Leitende Angestellte und Beamte hingegen sind weniger belastet. Mal abgesehen davon, dass dies für die Gruppe der Erstgenannten ein todsicherer Karrieretipp ist, bliebe doch, auch auf den Beleg dafür hinzuweisen, dass übersichtlicher Stress am Schreibtisch derzeit erheblich besser bezahlt wird als jener besagter Alleinerziehender, Arbeitslosen und Studentinnen. Man kann einfach nicht alles haben …

Yascha Mounk, Polittheoretiker bei Harvard – In einem Spiegel-Interview haben Sie Ihre Zweifel an Allgültigkeit und Allmacht der Demokratie auch mit dem Zweifel am Souverän der Demokratie, dem Wahlbürger, versehen: „Aufgrund des Internets wäre eine direkte Demokratie heute wieder möglich: Wir müssten einfach nur online über jedes Gesetz diskutieren und dann abstimmen. Nur haben die Leute weder Zeit noch Lust dazu, sich zu den meisten öffentlichen Belangen wirklich eine Meinung zu bilden. Das zeigt auf eine neue Weise, wie hohl das Versprechen der Demokratie ist.“ Und nun?