16. Jahrgang | Nummer 15 | 22. Juli 2013

Crossover – und über die Maßen verführerisch

von Gabriele Muthesius

Um Konzertkarten des Ensembles „Salut Salon“, das bisweilen ebenso treffend wie unzureichend als Kammermusik-Quartett apostrophiert wird, kümmert man sich am besten früher als später, denn die gehen weg wie warme Semmeln. Das neue Programm der vier virtuosen Hamburger Grazien hatte am 22. Juni Premiere am Thalia Theater der Hansestadt; die Tournee durchs Land beginnt in Kürze.
Für dieses Jahr hat Berlin allerdings bedauerlicherweise keinen Auftrittstermin abbekommen. Dass sich kein hiesiger Veranstalter rechtzeitig darum bemüht haben sollte, ist angesichts der Extraklasse von Angelika Bachmann (Violine, singende Säge, Melodica), Iris Siegfried (Violine), Sonja Lena Schmidt (Violonchello), Anne-Monika von Twardowski (Klavier, Bandoneon, Melodica) sowie Oskar (Violine, Violonchello), dem Mann für die Quote, schlechterdings nicht vorstellbar. Daher begab sich die Rezensentin an die Alster und wurde für mehrstündige Staus auf Hin- wie Rückfahrt zwar für die von unzureichendem ökologischen Bewusstsein zeugende Nutzung eines PKWs gewissermaßen auf dem Fuße abgestraft, sonst jedoch in jeder mit Kunstgenuss und intelligentem Entertainment zu assoziierenden Hinsicht mehr als nur entschädigt.
Die vier Damen sind ja nicht nur Ausnahmekönnerinnen auf ihren Instrumenten und eine Augenweide – diesen möglicherweise sexistisch missinterpretierbaren Ausdruck zu verwenden, wagt die Rezensentin nur, weil sie Rezensentin ist –, sie liefern zugleich witzig-pointierte Conferencen, und zwar alle vier quasi im Umlaufverfahren, und sie verfügen über Singstimmen vorzüglicher Qualität. Bis hin zur Parodie volkstümelnder Jodelei kennen die Künstlerinnen nur einen Maßstab: professionelle Perfektion. Das ebenso schlichte, wie raffiniert-elegante, sehr ästhetisch auch mit Farben spielende, zur Pause wechselnde Bühnenbild rahmte die Performance des Quartetts überaus passend ein.
„Die Nacht des Schicksals“ ist das neue Programm betitelt und bietet von gediegener Klassik über Chansons bis zu fein persifliertem Comedy-Klamauk – Statler und Waldorf von den Muppets mit einem „Gastauftritt“ aus der Loge – vieles, nur eines expressis verbis nicht: Eine Antwort auf die Frage, ob es so etwas wie Schicksal überhaupt gibt, und wenn ja, was es denn sei. Statt dessen starten die Damen im (Bühnen-)Nebel mit Mussorgskis „Nacht auf dem kahlen Berge“ und lassen sogleich ein weiteres Schauerstück folgen – Saint-Saëns‘ „Danse Macabre“. Diesem Auftakt gesellt sich später noch Liszts „Mephisto-Walzer Nr. 1, ,Der Tanz in der Dorfschenke‘“ zu. Ein Edgar-Allan-Poe-Memorial wird der Abend trotzdem nicht. Dafür sorgen allein solche Einlagen wie ein TV-Medley mit den Titel-Akkorden von Tagesschau, Tatort, Derrick und anderen Fernseh-Dauerbrennern, wobei die Sprechtexte zu und zwischen den einzelnen Melodien an Esprit den musikalischen Darbietungen in nichts nachstehen. Zu großer Form läuft das Ensemble nicht zuletzt wieder bei Alt-Meister Piazolla auf, dieses Mal mit zwei Stücken vertreten (Verano porteño und Resurrección del Angel). Und wer den Titel „Green Hornet“ nur von der Filmmusik zu Tarantinos „Kill Bill“ oder in der zugegebenermaßen mitreißenden Fassung von Mnozil Brass kennt, der wird vielleicht überrascht sein, wie Salut Salon sich dabei ganz ohne Blech aus der Affäre zieht. „Dichter dran“ am Original, dem „Hummelflug“ von Rimski-Korsakow aus dessen Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“, sind die vier dabei allemal. Als Zugabe – wie schon bei früheren Gelegenheiten – spielten die Damen samt Oskar „We’ll meet again“. Und auch das war erneut ganz im Sinne des Publikums.

Tournee-Daten unter www.salutsalon.de.