von Sergei Michalkow
Der Igel hatte einst zu seinem Wiegenfeste
Den Hasen auch im Kreise seiner Gäste,
Und er bewirtete sie alle auf das Beste.
Vielleicht ist auch sein Namenstag gewesen,
denn die Bewirtung war besonders auserlesen.
Und gradezu in Strömen floß der Wein,
Die Nachbarn gossen ihn sich gegenseitig ein.
So kam es denn, daß Meister Lampe bald
Zu schielen anfing – er verlor den Halt.
Er konnte nur mit Mühe sich erheben
Und sprach die Absicht aus, sich heimwärts zu begeben.
Der Igel war ein sehr besorgter Wirt
und fürchtete, daß sich sein Gast verirrt.
„Wo willst du hin mit einem solchen Affen?
Du wirst den Weg nach Hause
nicht mehr schaffen.
Und ganz allein im Wald
dem Tod entgegen gehen.
Denn einen Löwen, wild,
hat jüngst man dort gesehen.“
Dem Hasen schwoll der Kamm, er brüllt in seinem Tran:
„Was kann der Löwe mir? Bin ich sein Untertan?
Es könnte schließlich sein, dass ich ihn selbst verschlinge.
Den Löwen her, ich ford’re ihn vor die Klinge!
Ihr werdet seh’n wie ich den Schelm vertreibe,
Die sieben Häute, Stück für Stück, zieh ich ihm ab von seinem Leibe
Und schicke ihn dann nackt nach Afrika zurück!“
Und so verließ der Hase also bald
Das fröhlich laute Fest, und er begann im Wald
Von einem Stamm zum anderen zu schwanken
Und brüllt dabei die kühnlichsten Gedanken
Laut in die dunkle Nacht hinaus:
„Den Löwen werde ich zerzausen,
Wir sah’n in dem Wald schon ganz andre Tiere hausen
Und machten ihnen doch den blutigen Garaus!“
Infolge des geräuschvollen Gezeters
Und des Gebrülls des trunk’nen Schwerenöters,
Der sich mit Mühe durch das Dickicht schlug,
Fuhr unser Löwe auf mit einem derben Fluch
Und packt den Hasen grob am Kragen:
„Du Strohkopf, willst es also wagen,
Mich zu belästigen mit dem Gebrüll? –
Doch warte mal, halt still!
Du scheinst mir ja nach Alkohol zu stinken!
Mit welchem Zeug gelang es dir, dich derart sinnlos zu betrinken?“
Sofort verflog der Rausch dem kleinen Tier,
Es suchte rasch, sich irgendwie zu retten:
„Sie, wir, nein ich… Oh, wenn Sie Einsicht hätten –
Ich war auf einem Fest und trank viel Alkohol…
Doch immer nur auf Euer Gnaden Wohl!
Und Eurer guten Frau und Eurer lieben Kleinen!
Das wäre doch, so wollte es mir scheinen,
Ein trift’ger Grund, sich maßlos zu besaufen!“
Der Löwe ging ins Garn und ließ den Hasen laufen.
Der Löwe war dem Schnaps abhold
Und haßte jeden Trunkenbold.
Jedoch betörte ihn, wie dem auch sei,
Des Hasen Speichelleckerei.
Deutsch von Bruno Tutenberg.
Der im Jahre 2009 verstorbene Journalist, Dichter und Schriftsteller Sergei Wladimirowitsch Michalkow war im Zweiten Weltkrieg Frontberichterstatter. Er verfasste Kinderbücher, zahlreicher Gedichte und diverse Drehbücher sowie andere Texte, darunter die der Hymnen der Russischen Föderation und der Sowjetunion. Michalkow hätte am 13. März 2013 seinen 100. Geburtstag gefeiert.
Die kongeniale Vortragsfassung von Eberhard Esche von 1965 – aus der legendären Reihe „Jazz, Lyrik,Prosa“ lässt sich unter YouTube durch Eingabe von „esche+hase“ aufrufen.
Schlagwörter: Eberhard Esche, Sergei Michalkow