von Frank Burkhard
Wenn man von Halensee zum KadeWe
Den alten Kudamm runterfährt
dann stellt man immer wieder fest:
Hier ist der Treffpunkt Ost und West!
Berlin ist eine Messe wert!
Rolf Ulrich und Jo Herbst, 50er Jahre
Die „Stachelschweine“, in der DDR einst als „Frontstadt-Kabarett“ verschrien, sind nur einen Monat jünger als die BRD. Eine kleine Truppe um Rolf Ulrich bildete im Oktober 1949 die nach einer Zeitschrift der 20er Jahre benannten „Stachelschweine“, die in den fünfziger Jahren die Situation im geteilten Berlin wie in den beiden deutschen Republiken mit eindeutigen Sympathien für die angebliche westliche Demokratie kommentierte. Bis zum Mauerbau 1961, als so bekannte Kabarettisten wie Wolfgang Neuß, Günther Pfitzmann und Inge Wolffberg, aber auch ein nachmaliger DEFA-Star wie Christine Laszar hier auftraten, kamen noch Besucher aus dem Ostteil Berlins. Nachdem Fernsehübertragungen (oft gemeinsam mit der Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“) die „Stachelschweine“ populär gemacht hatten, wurde das kleine Etablissement, das seit 1965 im Europa-Center residiert, bald zum Pflichtbesuch für jeden westdeutschen Berlin-Besucher, der etwas auf sich hielt. Inzwischen war Wolfgang Gruner (im Fernsehen als „Otto Schruppke“ oder „Fritze Flink“ beliebt) zum kabarettistischen Aushängeschild des Ensembles avanciert und blieb es bis zu seinem Tod vor elf Jahren.
Gruner war es auch, der das typische Kabarett-Theater des „alten Westberlin“ deutlich nach Ostberlin öffnete. So stehen heute mit Birgit Edenharter und Detlef Neuhaus zwei Komödianten an der Spitze des Ensembles, über die man in den achtziger Jahren gern im DDR-Fernsehen lachte. „Gestochen scharf“ heißt das neue, von Matthias Kitter inszenierte Programm, in dem neben Edenharter und Neuhaus auch Kristin Wolf und Holger Güttersberger ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Der wirkliche Vorteil, fast schon ein Alleinstellungsmerkmal der „Stachelschweine“, ist die Ensemble-Arbeit. Während landauf landab zahllose Solo-Kabarettisten unterwegs sind, zeigt man hier witzige Ensemblenummern. Diese Situation nutzten die Autoren Ralf Linus Höke und Volker Surmann aus und formten die vier Kabarettisten zu einer „Partei Die Stachelschweine“, die in den Wahlkampf zieht. Den Gag, sich PDS zu nennen, ließ man sich leider entgehen. Doch auch so ergaben sich natürlich viele Spitzen auf Wahlkämpfer und Parteienwerbung. Die war auch auf einer Videowand zu sehen: „Die LINKE ist mehr“, hieß es da, „wählen Sie mit einem Kreuz zwei Parteien!“ Seitenhiebe auf Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Siegmar Gabriel und natürlich Philipp Rösler (bei dessen alleiniger Namensnennung schon gelacht wird) waren an der Tagesordung. „Benennen wir doch den St. Nimmerleins-Tag in St. Wowereits-Tag um“, hieß es mit Bezug auf das Flughafen-Desaster. Manchmal schien es allerdings, als spielten die Kabarettisten in puncto Improvisation mit angezogener Handbremse. Tagesaktuelle Pointen kamen kaum vor. Schade war auch, dass an Theatermusikern gespart wurde. Die beiden Songs (eine Parodie auf Tim Bendzkos „Welt retten“-Schlager und ein Rentnersong) wurden vom Band begleitet. Mir war das zu wenig. Aber trotzdem ziehe ich die „Partei Die Stacheltiere“ für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst in die engere Wahl. Schon, weil Detlef Neuhaus als Petrus einen herrlichen Parlamentspräsidenten abgäbe!
Schlagwörter: „Die Stachelschweine“, Frank Burkhard, Kabarett