von Bernhard Romeike
Linke zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie am besten wissen, wer oder was Linke sind und wer oder was nicht. Besonders gefährlich sind Leute, die behaupten, nur Linke zu sein, und sind es gar nicht. Da muss man – beziehungsweise politisch korrekt frau – besonders gut aufpassen und zwar rechtzeitig! So kam es, dass „Linke“ gegen „Linke Buchtage“ mobilisiert haben, weil die einen „Linken“ die anderen „Linken“ für „Nicht-Linke“ halten, und vice versa.
Die „Linken Buchtage“ haben am vergangenen Wochenende wieder in Berlin stattgefunden, vom 15. bis 17. Juni im Mehringhof. Man blieb eher unter sich. Eine Teilnehmerin berichtete im Blog über den Freitag: „Die Aussteller hatte man erstmalig im 3. Stock untergebracht, da die Räume im ersten Stock renoviert werden. Der Freitag war eher ruhig, aber es kamen Freunde vorbei“, und über den Sonnabend: „Heute war mehr los als gestern.“ Zum Sonntag hieß es schließlich: „Pünktlich um elf Uhr hätten wir nicht am Stand sein müssen, das Publikum kam erst viel später.“ So viel zur Sache selber.
Vorher aber war etlicher Staub aufgewirbelt worden. Die „Linken Buchtage“ waren vor über zehn Jahren als Versuch einer linken Buchmesse begründet worden. Die Zahl der teilnehmenden Verlage hatte sich allerdings mit der Zeit drastisch reduziert; übrig blieb ein Lese-Wochenende mit Diskussion, an dem auch ein paar Verlage teilnehmen. Dazu wollte in diesem Jahr auch der LAIKA-Verlag aus Hamburg gehören. Der publiziert eine ganze Palette originär linker Literatur, darunter eine „Bibliothek des Widerstands“, in dem eine Reihe von Texten über gelebten Widerstand der vergangenen Jahrzehnte versammelt sind, darunter über Angela Davis, die in den USA politisch verfolgt wurde, und über das Chile Allendes. Zum Repertoire gehören Einführungen in das „Kommunistische Manifest“ oder „Staat und Revolution“ von Lenin. Es ist also ein echter linker Verlag, und es ist schon schwierig, ihm das Linkssein abzusprechen. Zum Programm gehört auch eine „Edition Provo“.
Hier erschien bereits im März 2011, herausgegeben von Moustafa Bayoumi, „Mitternacht auf der Mavi Marmara – Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille“. In der Verlagsankündigung heißt es: „In diesem Buch berichten Teilnehmer von den Ereignissen der Nacht im Mai und verknüpfen sie mit ihrer Einordnung der dreijährigen Blockade des Gazastreifens.“ Bekanntlich war in einer internationalen Solidaritätsaktion für die Menschen im eingeschlossenen palästinensischen Gaza-Streifen 2010 versucht worden, die israelische Blockade zu durchbrechen und Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. An der Aktion hatten sich auch Linke aus Deutschland beteiligt, darunter Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Die israelische Marine hatte in internationalen Gewässern die Schiffe aufgebracht und neun Zivilisten erschossen. Darüber nun hatte der LAIKA-Verlag den Band gemacht, zu dem fünfzig Autoren Beiträge geleistet hatten, darunter Noam Chomsky, Henning Mankell, der Historiker Ilan Pappé und zahlreiche israelische und palästinensische Autoren. Das Vorwort schrieb Moshe Zuckermann.
Die Organisatoren der „Linken Buchtage“ hatten nun dieses Buch zum Anlass genommen, dem Verlag am 9. Mai mitzuteilen, dass er nicht teilnehmen dürfe. Es gab im Nachgang das übliche Gestammel, die „Gaza-Hilfsflotille“ habe „die Grenze dessen, was linke Politik bedeutet, nach rechts hin überschritten“, es sei ein „vorgeblicher Hilfslieferungstransport“ gewesen, der „von israelfeindlichen und antisemitischen Parolen“ begleitet wurde. Die Forderung des LAIKA-Verlages, ihm die Ausladung politisch zu begründen, wurde jedoch nicht erfüllt. Daraufhin veröffentlichte der Verlag einen Aufruf, diese „Linken Buchtage“ zu boykottieren. Die Rede war von „Zensur“, „Sackgassenlinken“ und dem „ebenso lächerlichen wie dummen Anspruch einer willkürlichen, dogmatischen Hinterzimmergruppe“ entscheiden zu wollen, „was in linken Verlagen veröffentlicht werden darf und was nicht“. Bereits am 25. Mai gab es eine lange Liste von Unterstützern des Boykotts, darunter Moshe Zuckermann, Moustafa Bayoumi, Tariq Ali, der Filmregisseur Ken Loach, die Politikwissenschaftler Ekkehard Krippendorff und Werner Ruf, der italienische Philosoph Domenico Losurdo und viele andere mehr.
Daraufhin sahen sich die Veranstalter der Buchtage veranlasst, einen Rückzieher zu machen und dem Hamburger LAIKA-Verlag die Teilnahme zuzugestehen. Es hieß, dass ansonsten durch die Absage anderer Verlage und Autoren „das Zustandekommen der Buchtage gefährdet“ sei. In einem zweiseitigen, namentlich nicht gezeichneten Papier der Organisationsgruppe wurden die Antisemitismusvorwürfe erneuert, dann aber die Drehung vollzogen, man wehre sich nicht länger gegen die Anwesenheit des LAIKA-Verlages. „Soviel Konsequenz muss sein“, höhnte die Zeitung junge Welt, und fragte, „warum linke Verlage dem Wächterrat vom Mehringhof durch ihre Buchtagepräsenz weiter ein linkes Mäntelchen verpassen sollen“. Und je mehr solche Fragen gestellt und in der geübten Weise nicht beantwortet werden, desto weniger Leute, die nicht Freunde der Leute am Büchertisch sind, kommen zu den nächsten „Linken Buchtagen“. Das heißt, mit den etwas abgewandelten Worten eines zeitgenössischen Erfolgsautors zu sprechen: „Die Linke schafft sich ab“. Zumindest, wenn sie so „links“ ist.
Schlagwörter: Bernhard Romeike, LAIKA-Verlag, Linke Buchtage