von Manfred Orlick
Die Rolling Stones sind die Urgesteine des Rock’n’Roll. Zusammen sind die vier Rock-Opas 274 Jahre alt, und noch immer sind sie die aufsehenerregendste Rockband der Welt.
Als am 12. Juli 1962 Mick Jagger, Keith Richards, Brian Jones und Ian Stewart erstmalig im Londoner Marquee Club auftraten, ahnte wohl niemand, dass dies der Anfang einer nunmehr 50-jährigen Rocklegende sein würde. Mit ihrer Musik, ihren ausdrucksstarken Songs und den wohl einzigartigen Bühnenperformances waren die Rolling Stones in den zurückliegenden Jahrzehnten eine der erfolgreichsten Bands.
Daneben waren aber auch Skandale und Exzesse Wegbegleiter ihrer Karriere. Ob ausgestreckte Zunge, lang gestreckter Mittelfinger, Drogenkonsum, Sex oder einfach nur Rumlümmeln: Sie schafften es immer wieder in die Schlagzeilen. Mit ihrem Rebellen-Image waren die Rolling Stones die „bad boys“ der Rockmusik, obwohl sie im Gegensatz zu den eher braven Beatles nicht aus den unteren Mittelschichten stammten, sondern auf eine privilegierte Jugend zurückblicken konnten. Sie hatten überwiegend eine höhere Schule oder ein College besucht und galten als Musterschüler.
Mick Jagger und Keith Richard kannten sich schon aus ihrer Schulzeit in den 50er Jahren, hatten aber keinen engen Kontakt. Während seines Londoner BWL-Studiums spielte Mick Jagger nebenbei in der Blues-Band „Little Boy Blue And The Blue Boys“. Hier traf er wieder auf Keith Richard, und wenig später lernten sie den Gitarristen Brian Jones kennen. Mit dem Pianisten Ian Stewart, dem Drummer Mick Avory und dem Bassisten Dick Taylor gründeten sie die Rolling Stones. Unter diesem Namen hatten sie 1962 ihren eingangs erwähnten ersten Auftritt.
Ein paar Wochen später übernahm Bill Wyman den Bass, und schließlich stieß Drummer Charlie Watts zu der Truppe. 1963 wurde der Manager Andrew Oldham auf sie aufmerksam. Der Gleichaltrige verstand zwar nicht viel von Musik, hatte aber in Bezug auf Marketing und Promotion ein goldenes Händchen. Sehr schnell verpasste er den Rolling Stones einen Plattenvertrag mit DECCA-Records. Bereits im Juni 1963 konnte so die erste Single erscheinen: „Come On“ von Chuck Berry. Danach folgten weitere Songs, vor allem vom Autorenduo Jagger/Richards. Der internationale Durchbruch gelang ihnen schließlich im Sommer 1965 mit „(I Can’t Get No) Satisfaction“ – Platz eins in Großbritannien und den USA. Mit diesem großartigen Song waren die Stones in die Riege der Superstars aufgerückt. Seither haben es alle Ihre Studio-Alben auf den Hauptmärkten USA und Großbritannien in die Charts geschafft – bis auf eines (das erste für den US-Markt produzierte, „England’s Newest Hit Makers“, 1964, Platz 11) unter die jeweils ersten sechs. Mit „Sticky Fingers“ (1971), „Exil On Main Street (1972), „Goats Head Soup“ (1973) sowie Emotional Rescue (1980) gelang Ihnen sogar jeweils das Doppel – Platz eins in den Großbritannien und den USA:
1968 trennten sich die Rolling Stones von Andrew Oldham. Sie wurden nun für zwei Jahre von Allen Klein betreut, der sich später auch um die geschäftlichen Angelegenheiten der Beatles kümmerte. Das Schicksalsjahr 1969 brachte den Stones erhebliche Rückschläge: Brian Jones verließ die Band und ertrank einen Monat später in seinem Swimmingpool. Er wurde durch Gitarrist Mick Taylor ersetzt. Außerdem hatte die Band zu einem Konzert die „Hell’s Angels“ als Ordner angeheuert. Daraus wurde eine brutale Aktion, in der einer der Angels-Ordner einen schwarzen Konzertbesucher niederstach.
Anfang der 70er Jahre gründete die Band ihr eigenes Label „Rolling Stones Records“. Seitdem ist die legendäre „Zunge“ das Markenzeichen der Gruppe und als Logo auf jeder Platte zu sehen. 1974 übernahm Ron Wood Mick Taylors Stelle. Insgesamt waren die 70er Jahre aber weitgehend durch Skandale geprägt, sodass sich die Gerüchte um die Auflösung der Stones mehrten – nicht zuletzt weil die Bandmitglieder immer stärker als Solomusiker auftraten.
Obwohl sie 1986 den Grammy für ihr Lebenswerk erhielten und einige erfolgreiche Tourneen durchführten, gehören auch die 80er Jahre nicht zu ihren besonders erfolgreichen. Dazu trugen massive Spannungen innerhalb der Band aufgrund von Differenzen zwischen Richards und Jagger bei. Erst 1989 konnten die Stones mit „Steel Wheels“ wieder an alte Erfolge anknüpfen und füllten mit ihrer 140-Millionen-Dollar-Mega-Tour die Stadien der Welt.
1993 verließ Bill Wyman die Band aus persönlichen Gründen. Auf den folgenden Platten und Tourneen spielte der Bassist Darryl Jones, der allerdings nicht als offizielles Bandmitglied gilt.
Die Rolling Stones erstürmten nun wieder die Spitzenplätze der Charts und das mit einem Durchschnittsalter von fünfzig Jahren. Außerdem setzten sie ihre Welttourneen in riesigen Stadien fort, die seitdem von Gigantomanie und Perfektionismus geprägt sind. Im August 2005 starteten die Stones zu ihrer bisher letzten Welttournee „A Bigger-Bang-Tournee“, bei der sie unter anderem auch in Shanghai auftraten. Die gewaltige Tournee hat diverse Rekorde gebrochen. Nie wurde vorher mit Live-Rockmusik mehr Geld verdient, nie verkaufte eine Band mehr Tickets, nie waren Bühnen so aufwändig konstruiert und nie waren die logistischen Herausforderungen so groß.
Eigentlich hatte die nach Millionen zählende Stones-Fan-Gemeinde rund um den Erdball auch für das 50-jährige Bühnenjubiläum eine großartige Tournee ihrer Idole erwartet. Doch wie bereits zu Anfang des Jahres bekannt wurde, wollen die frühestens 2013 wieder live auftreten. Dabei kursieren auch Gerüchte um Richards Gesundheitszustand. Doch eine äußerst positive Überraschung könnte die nächste Tournee bringen: Bassist Bill Wyman will nach zwanzig Jahren wieder zur Band zurückkehren.
Aber bis dahin müssen sich die Fans mit dem Jubiläums-Bildband „The Rolling Stones: 50“ trösten, der ab 9. Juli 2012 im Handel erhältlich sein soll. Er enthält zahlreiche Fotografien und Dokumente sowie begleitende Texte der Bandmitglieder. Für September ist außerdem die Veröffentlichung eines Dokumentarfilms über die 50-jährige Bandgeschichte vorgesehen. Jagger, Richards, Watts und Wood fungierten bei deren Herstellung als Executive Producers.
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