14. Jahrgang | Sonderausgabe | 21. Mai 2012

Lebensspiegelung, gedoppelt

von Bernhard Schuster

Wenn Volker Dittrich noch der Würdigung seiner verlegerischen Tätigkeit bedürfte: allein damit, dass er vor wenigen Jahren dem schriftstellerischen Oeuvre Edgar Hilsenraths mit einer zehnbändigen Werkausgabe zu einer verdienten Renaissance verholfen hat, wäre dies getan. Und zwar selbst dann, wenn diesem Projekt später dank rechtlicher Unstimmigkeiten unglücklicher weise nicht der verdiente Erfolg beschieden war.
Nun hat Dittrich ein Buch vorgelegt, das in Gegenstand und Machart Besonderes versucht und auch meistert. Es vereint die literarisch verarbeiteten Erinnerungen Edgar Hilsenraths mit jenen, die er langen Gesprächen mit dessen Bruder Manfred entnommen hat.
Bei gleichem Schicksal als Kinder – einem kargen Leben mit der Mutter in der Bukowina und dem folgenden jüdischen Überlebenskampf im Ghetto Mogilew-Podolsk – sind die Brüder Hilsenrath nach der Befreiung durch die Sowjetarmee verschiedene Wege gegangen: Edgar zunächst nach Palästina, dann in die USA, wo mit dem Ghetto-Roman „Nacht“ seine ersehnte Laufbahn als Schriftsteller begann, und später zurück ins ursprünglich heimatliche Deutschland. Manfred wählte ebenso die USA zur neuen Heimat, als technikbegeisterter Junge wählte er indes eine gänzlich andere Laufbahn.
Zwei nur in geringeren Teilen gleiche Lebenswege und zudem sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen und -auffassungen fügt Dittrich in temporär gleichen Lebensabschnitten zusammen, sofern sie nicht häufig auch aufeinander stießen. Publizierte Edgar nach und nach berühmt gewordene Bücher wie „Der Nazi & der Friseur“, „Bronskys Geständnis“, „Die Abenteuer des Ruben Jablonski“, „Jossel Wassermanns Heimkehr“ oder „Berlin … Endstation“, wurde Bruder Manfred in Kalifornien ein höchst erfolgreicher Raumforschungs-Ingenieur bei Lockheed.
„Entstanden“, so ist dem Verlagstext zu diesem Buch zuzustimmen, „ ist ein eindringliches und sehr persönliches Porträt der beiden Brüder, in deren unterschiedlichen Lebenswegen sich ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt.“

Volker Dittrich: Zwei Seiten der Erinnerung – Die Brüder Edgar und Manfred Hilsenrath, Dittrich Verlag, Berlin 2012, 254 Seiten, 17,80 Euro

Zu empfehlen aus dem gleichen Verlag ist ebenfalls: Helmut Braun: „Ich bin nicht Ranek.“ Annäherung an Edgar Hilsenrath: Die Odyssee des Edgar Hilsenrath. Biografie, Berlin 2006, 288 Seiten, 19,80 Euro