Macht ein einzelner Raffke alles Erreichte zunichte? Ekelhafter Fall von Vorteilsnahme durch Mandatsmissbrauch in Coburg aufgedeckt
Coburg (ADN-Korr.) Das Vertrauen in die Demokratiefähigkeit der Bürger in den jungen DDR-Bezirken ist unerwartet noch einmal auf eine harte Belastungsprobe gestellt worden. In der fränkischen Stadt Coburg hat der unbewaffnete Arm der sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (ABI) einen widerwärtigen Fall versuchter Vorteilsnahme aufgedeckt. Dem Vizepräsidenten des Stadtparlaments, Rudi Ment, wird vorgeworfen, sein Abgeordnetenmandat missbraucht zu haben, um sich in den Wintermonaten einen privilegierten Zugang zu Treibhausgurken und Knoblauchknollen zu verschaffen. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Verbrechen des M., der in „BRD“-Zeiten rotierendes Vorstandsmitglied der so genannten Grünen in Oberfranken war, diesen unerträglichen Tatbestand sogar noch überschreiten. Schamlos hat sich der mit so viel Vertrauensvorschuss versehene „Volksvertreter“ auch in den unzeitgemäßen Besitz von Süßkirschen, Werder-Ketchup, Rauhfasertapete, konfektioniertem Vogelfutter und Trabant-Auspuffen gebracht.
Sieben im Keller des Hauses vorgefundene Flaschen Meißner Weines, schlüpfrige Aktfotos aus den Zeitschriften „Magazin“ und „Eulenspiegel“, eine noch verpackte Lizenzschallplatte sowie ein funktionstüchtiger (!) Regulator im Schlafzimmer runden das Bild eines Individuums ab, dessen Sinnen und Trachten – befangen in den archaischen Verhaltensmustern des kapitalistischen Wolfsgesetzes – einzig der hemmungslosen persönlichen Bereicherung galt, für die er rücksichtslos die ihm anvertrauten Instrumente der sozialistischen Demokratie eingesetzt und somit geschändet hat.
Allein der geldwerte Vorteil der gehorteten und dem Bevölkerungsbedarf entzogenen Konsumgüter ist unermesslich. Als noch gravierender brandmarkt die Öffentlichkeit allerdings den moralischen Schaden, den M. republikweit angerichtet habe. Der grüne Wendehals habe das Bemühen von Millionen um einen ehrlichen Neuanfang bemühten Menschen in den 50 neuen Bezirken irreparabel diskreditiert. Nicht zu Unrecht befürchten viele ehemalige „Wessis“, mit der Vertrauensbildung gegenüber den Bürgern der Alt-DDR wieder ganz von vorn beginnen zu müssen. Die melodramatische Reue des M. bei seiner öffentlichen Anklage im Nürnberger Frankenstadion „Siegreicher Oktober“ ist von Augenzeugen und Millionen Fernsehzuschauern einhellig als pure Heuchelei entlarvt worden. Aufgebrachte Coburger Bürger hatten sogar schon zu einem Dschihad gegen die Korruption in ihrer Stadt aufgerufen. Durch den relativ unblutigen Einsatz eines kampferprobten Agitatorenkollektivs der SED-Kreisleitung konnten sie aber davon überzeugt werden, daß auch solch rudimentären Erscheinungen marktwirtschaftlicher Raffgier wie die des M. am wirkungsvollsten durch noch höhere Leistungen im sozialistischen Wettbewerb zu Ehren des XVII. Parteitages zu beantworten sind.
Der M. sieht nun in der zum Hochsicherheitstrakt ausgebauten Veste Coburg seiner gerecht unnachsichtigen Bestrafung entgegen. Das Bangen westlich der Elbe aber wird wohl noch längere Zeit anhalten. Auch hier weiß man schließlich: Alle Großmut hat einmal ein Ende.
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