von Armin Osmanovic, Johannesburg
Das Jahr 2012 hat für Jacob Zuma, Südafrikas Staatspräsident und ANC-Parteichef, gut begonnen. Die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag der ältesten Befreiungsbewegung Afrikas, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC), liefen ohne Störung ab. Nach der Suspendierung der Mitgliedschaft des ANC-Jugendligaführers Julius Malema, waren Misstöne befürchtet worden. Malema war aber wie alle anderen ANC-Größen nur nach Bloemfontein gekommen, um zu feiern. Lediglich am Rande gab es kleinere Proteste gegen Zuma und die Suspendierung Malemas.
Vor einigen Wochen schien Zumas politische Zukunft durchaus nicht so sicher. Seine Wiederwahl zum ANC-Vorsitzenden Ende 2012 stand in Frage. Ungewiss schien Zumas Zukunft vor allem, weil sein früherer Unterstützer Malema öffentlich für seine Ablösung trommelte und sich für Südafrikas Vizepräsidenten Kgalema Motlanthe ins Zeug legte. Und auch Wohnungsbauminister und Multimillionär Tokyo Sexwale meldete seine Anwartschaft auf den ANC-Vorsitz an. So sah es aus, als ob Zuma es mit zwei Herausforderern zu tun haben könnte.
Doch Malema stand sich selbst im Weg. Seine auftrumpfende, selbstdarstellerische Art und kontroverse politische Äußerungen, wie der Ruf nach einem Regimewechsel im Nachbarland Botswana, kosteten ihn zunächst viel Sympathie in der eigenen Partei und schließlich auch seine Parteiposten. In einem Disziplinarverfahren wurde Malema im November für fünf Jahre von seiner ANC-Mitgliedschaft suspendiert. Ein Aufschrei in der Partei und vor allem bei der Jugendliga blieb aus. Klarer konnte nicht deutlich werden, dass Malemas Einfluss lange überbewertet wurde.
Tokyo Sexwale, dem seit geraumer Zeit das Streben nach höchsten Ämtern in Partei und Staat nachgesagt wird, hatte sich im November in einem Interview zum ersten Mal selbst ins Gespräch gebracht. Natürlich sei er am Amt interessiert. Mit dem Abtritt Malemas haben sich aber auch Sexwales Chancen verschlechtert, denn beide standen einander nahe. Ohne Malema und ohne die Unterstützung der Jugendliga hat Sexwale keien Chance gegen Zuma.
Motlanthe dagegen hat sich nie öffentlich zu Ambitionen auf den ANC-Vorsitz und die Macht im Staat geäußert. Dabei hatte er schon einmal für einige Monate als Präsident amtiert, nachdem Thabo Mbeki 2007 im Kampf um den ANC-Vorsitz gegen Zuma unterlegen war und danach auch das Amt des Staatspräsidenten geräumt hatte. Parteidisziplin ist für Motlanthe wie für viele alte ANC-Funktionäre, die den Befreiungskampf erlebt haben, oberstes Gebot. Ohne Geschlossenheit hätte der ANC in Südafrika und im Exil nicht gegen das Apartheidregime und dessen Geheimdienste bestehen können.
Motlanthe und Sexwale hätten viel zu verlieren, falls sie Zuma herausfordern und ihm unterliegen sollten. Im Falle Zumas war das anders. Er war von Mbeki als Vizepräsident Südafrikas wegen Korruptionsvorwürfen entlassen worden und hatte nichts mehr zu verlieren, als er gegen Mbeki kandidierte – und gewann.
Heute sitzt Zuma auch fest im Sattel, weil die Linke im ANC, die Gewerkschafter und die kommunistische Partei Südafrikas (SACP), die ihn gegen Mbeki unterstützten, weiter zu ihm halten. Einerseits, wie die Kommunisten aus Überzeugung, da sie seinen realpolitischen Kurs ob in der Wirtschafts- oder Außenpolitik weitgehend teilen, und andererseits, weil kein geeigneter Ersatzkandidat auf der Linken bereit steht.
Die Gewerkschaften, die häufig Kritik üben an der aus ihrer Sicht nur „sozialdemokratischen“ Wirtschaftspolitik sind denn auch gespalten. Viele von ihnen sind mit Zumas Politik einverstanden. Vor allem die Bergbaugewerkschaft NUM setzt weiter auf Zuma. Der linke Flügel im Gewerkschaftslager vertreten durch die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA hätte gerne einen anderen Zuma. Einen Präsidenten, der einer Nationalisierung von Teilen der Wirtschaft offener gegenübersteht. Doch auch die Linken bei den Arbeitnehmervertretern fürchten, dass nach einer Ablösung Zumas ein weitaus rechterer Kandidaten folgen könnte.
Mag die Führungsfrage im ANC auch geklärt sein, ohne Auseinandersetzungen wird das Jahr des ANC-Jubiläums trotzdem nicht verlaufen. Wenn auch nicht um den Chefposten gerungen wird, so wird es in der zweiten Reihe des ANC zum Hauen und Stechen kommen. Denn Einfluss im ANC sichert den Zugang zu Macht und Geld.
Zuma kann sich aber nicht auf der Tatsache ausruhen, dass die Widersacher aus dem Weg geräumt scheinen. Der von Korruptionsaffären geplagte ANC bedarf dringend der Erneuerung. Zuma kündigte denn auch an, die Regierungsarbeit verbessern zu wollen, die Korruption in Regierung und Partei zu bekämpfen und sich mehr und besser um die Probleme des Landes zu kümmern.
Der ANC hat seit Regierungsübernahme von vor fast 18 Jahren viel erreicht. Deutlich mehr Menschen haben Zugang zu Bildung, Gesundheitseinrichtungen, Wasser und Strom und ein anständiges Dach über dem Kopf als zu den Zeiten der Apartheid. Zurückgeworfen wurde Südafrika aber neben genannten Problemen auch durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise. Mehr als eine Million Arbeitsplätze gingen im Land verloren. Die Arbeitslosenquote beträgt offiziell nun 25 Prozent.
Zumas Versprechen auf eine Erneuerung der Partei ist nicht neu. Schon bei Übernahme der Führung im ANC im Jahre 2007, nach siegreicher innerparteilicher Auseinandersetzung mit seinem Vorgänger Thabo Mbeki, hatte Zuma zugesichert, den Nationalkongress neu auszurichten. Mbeki hatte sich immer mehr von vielen Mitgliedern und Wählern des ANC entfernt. Sein Regierungsstil wurde vielfach als abgehoben und arrogant empfunden. Zuma trat mit dem Ehrgeiz an, dies zu ändern. Und in der Tat gelang es ihm, mit einem anderen Politikstil verlorenes Vertrauen in der Partei und vor allem bei Wählern wiederzugewinnen.
Auf Protestierende, die mit lokalen ANC-Vertretern nicht zufrieden waren, ging er als neu gewählter Staatschef offen zu. Seine Regierungsmitglieder forderte er mehrfach auf, die Nähe zur Bevölkerung zu suchen, gerade auch zu den Protestierenden. Zumas Erneuerungsprozess betraf auch die schleichende Afrikanisierung, die Dominanz der schwarzen Südafrikaner im ANC. Er machte deutlich, dass er wie Nelson Mandela an der nicht-rassischen Tradition des ANC, wie sie in der Freiheitscharta von 1955 niedergeschrieben wurde, festhalten würde. Den ANC-Jugendligaführer Julius Malema wies er daher in die Schranken, als der kritisierte, dass zu viele Nicht-Schwarze, wie Finanzminister Pravin Gordhan, die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Landes bestimmen würden.
Zumas neuer Politikstil und sein Versprechen, den ANC wieder näher an den Menschen und ihren Probleme auszurichten, wurden 2009 belohnt. Bei den Wahlen verpasste der ANC, der sich im Wahlkampf demütig und reuig ob seiner Fehler, etwa im Kampf gegen HIV/Aids, gezeigt hatte, die Zweidrittelmehrheit nur knapp. Auch jüngste Umfragen zeigen die weiterhin hohen Vertrauenswerte, die der ANC in der Bevölkerung genießt.
Der begonnene Erneuerungsprozess kann aber nur gelingen, wenn auch unterhalb der nationalen Ebene gegen die Miss- und Vetternwirtschaft effektiv vorgegangen wird. Das Ausmaß dieser Probleme wurde überdeutlich, als in der Provinz Limpopo wegen Schlamperei die Löhne der Beamten nicht mehr gezahlt werden konnten und nationale Behörden die Aufsicht übernehmen mussten. Zuma scheint verstanden zu haben, dass der Kampf gegen das Geflecht von politischer Macht und Geld, gegen das Gestrüpp rivalisierender Fraktionen innerhalb der Partei und auf allen Ebenen im Land fortdauern muss, wenn der ANC das Vertrauen der Bevölkerung, das er im Kampf gegen die Apartheid erworben hat, bewahren will. Andernfalls droht dem ANC das Schicksal vieler anderer Befreiungsbewegungen in Afrika, die in der Regierung scheiterten.
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