von Axel Fair-Schulz, Potsdam, N.Y.
Dass er die Sowjetunion zu begraben wünschte, daraus machte Ronald Wilson Reagan (1911-2004) kein Hehl. Und am Ende gelang es dem marktradikalen ideologischen Haudegen von Rechts-Außen auch, durch seine Hochrüstungs- und Konfrontationspolitik das Sowjetreich in noch größere wirtschaftliche Bedrängnis zu bringen, als es schon durch eigene planwirtschaftliche Inkompetenz war. Schließlich fiel das sowjetische Kartenhaus recht schnell in sich zusammen und Reagan sah sich als strahlender Sieger der Geschichte. Womit Reagan aber sicher nicht gerechnet hatte, war der schon seit längerer Zeit sichtbare Sachverhalt, dass die neoliberalen Umstrukturierungen und „Reformen“ seiner Amtszeit die USA in eben denselben Strudel mit hineinziehen würden. Nun stehen wir also im Jahre 2011 vor dem Staatsbankrott der USA, durch allerhand finanzpolitische und buchhalterische Tricks vielleicht noch einmal hinausgezögert. Der ideologisch starrsinnige Reagan hätte sich sicherlich ein schöneres Geschenk zu seinem 100. Geburtstag gewünscht. Diejenigen jedoch, für die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte nicht nur leere Worthülsen sind, um die Interessen der Herrschenden auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit zu kaschieren, sehen in dem Zusammenbruch der Reaganomics die Chance zu einem Neuanfang, dem Aufbau einer solidarischen Wirtschaftsordnung für das 21. Jahrhundert.
Für einige Jahre sah es so aus, als ob die unter dem Namen Reaganomics in den neunzehnhundertachtziger Jahren durchgeboxten Strukturveränderungen die besonders in den neunzehnhundertsiebziger Jahren gefallene Profitrate des Kapitals wieder herstellen würde. Dies gelang bis zu einem gewissen Punkt, entfesselte aber zugleich die selbstzerstörerischen Kräfte des Casino-Kapitalismus.
Die amerikanische Wirtschaft wuchs mit ungeheuerer Wucht in den Nachkriegsjahrzehnten, denn Amerikas kapitalistische Konkurrenten in Europa und Asien lagen am Boden und der Machtbereich der Sowjetunion war in puncto Infrastruktur und Produktivität um ein Vielfaches ärmer als die USA. Diese Konstellation änderte sich in den neunzehnhundertsiebziger Jahren mit dem Aufstieg von Japan und der BRD zu wirtschaftlichen Großmächten, die zudem nicht die riesigen Militärausgaben der USA schultern mussten. Die goldenen Jahre des US-Kapitalismus waren damit vorbei. Zwischen den fünfziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war der soziale Aufstieg in die expandierende Mittelklasse Realität für Millionen Amerikaner. Die Gewerkschaften waren seit den Tagen des New Deal unter Präsident Franklin D. Roosevelt in den neunzehnhundertdreißiger Jahren zunehmend erstarkt und die Unabwägbarkeiten des kapitalistischen Marktes schienen vorerst gezähmt. Nun, in den neunzehnhundertsiebziger Jahren, kam es zum wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel weg von den bisher dominierenden Theorien von John Maynard Keynes – die ein regulierend und sozial ausgleichendes Eingreifen des Staates in die Wirtschaft vertraten – hin zu den Spekulationen von neoliberalen Ideologen wie Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises und Milton Friedman. Diese propagierten das Modell eines völlig deregulierten Marktes und laufender Steuersenkungen für die Reichen und Superreichen. Die Gewerkschaften sollten zurückgedrängt und als Verhandlungspartner der Unternehmer entmachtet werden. Am Ende würde eine solche Wirtschaftpolitik, so Ronald Reagan und seine britische Mitstreiterin Margaret Thatcher, zu gewaltigem Wirtschaftswachstum führen und den Lebensstandard aller anheben.
Es ist bezeichnend, dass Reagan seine Amtszeit mit dem Zerschlagen der amerikanischen Fluglotsengewerkschaft begann. Heute sind nur zirka sieben Prozent der in der Privatwirtschaft arbeitenden amerikanischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert. Als Konsequenz sehen wir einen ständig weiter expandierenden Niedriglohnsektor, das Zerfallen der amerikanischen Mittelklasse, einen immer frecheren Raubzug durch die letzten Reste des amerikanischen Sozialstaates und massive Verarmung weiterer Bevölkerungsschichten. Die dominierenden Großkonzerne haben den amerikanischen Staat bis zur drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgeplündert. Und obgleich diese Tendenz mit Ronald Reagans Amtszeit 1981 bis 1989 richtig in Fahrt geriet, haben Republikaner wie die beiden Bushs und die demokratischen Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama diesen langfristig ruinösen Wirtschaftskurs, verbunden mit gigantischen Militärausgaben, fortgesetzt.
Wir brauchen heute mehr denn je eine emanzipatorische und pluralistische Linke, die grundlegende Alternativen zu einer einseitig auf Profitinteressen ausgerichteten Wirtschaftspolitik entwickelt und popularisiert. Denn die Wirtschaft ist für die Menschen da – und nicht umgekehrt.
Schlagwörter: Axel Fair-Schulz, Reaganomics, Ronald Reagan, US-Kapitalimus