von Martin Zöller, Weltreporter, Rom
Ich habe jetzt auch meinen Doktortitel abgelegt, und das ist in Rom schwer. Denn wo immer man eine Kaffeebar oder einen Haus mit einem Pförtner betritt und nicht ölverschmiert oder ein Säugling ist, wird man ja mit „Dottore“ begrüßt: „Einen Kaffee, Dottore?“, „Ein Tramezzino, Dottore?“, „Auch ihnen einen schönen Tag, Dottore!“. Das lasse ich nach der Erfahrung der letzten Wochen nicht mehr zu: „Ich bin gar nicht Dottore“, wehre ich jetzt ab, „ich habe nie eine Doktorarbeit geschrieben beziehungsweise zusammengestellt.“ Mehr Ehrlichkeit. Das ist ab sofort mein Prinzip. Vor allem auch wegen der Blumentopf-Attacken der letzten Tage. Muss ich sie nicht als Warnung begreifen? Als – ziemlich deutlichen – Fingerzeig von ganz oben? Denn innerhalb weniger Tage sind zwei Blumentöpfe von über mir liegenden Balkonen auf meine Terrasse im Erdgeschoss gefallen und geradezu explodiert. Gut, bei der Primel im Plastikbecher wäre ich mit einem blauen Fleck davongekommen. Aber wie hätte ich wohl ausgesehen nach einer Begegnung mit dem Olivenbäumchen im Terrakotta-Topf aus dem vierten Stock? Ich hätte tot sein können – oder sollen? Klar, es war starker Wind. Tatsache ist aber, dass ich im Haus für die seltsamen Vorgänge der letzten Woche verantwortlich gemacht werde. Den auf den Boden gesprühten „Ti amo“-Schriftzug schiebt mir die Hausgemeinschaft zwar nicht in die Schuhe, wohl aber die eigenwillige Gestaltung der großen Blumentöpfe vor dem Hauseingang. Aber da musste ich einfach handeln. Die gewaltigen Blumentöpfe waren immer unbepflanzt, wer zu Besuch kam, sah nur trockene, braune Erde. Vor einigen Tagen habe ich spätabends unbemerkt aus Steinen ein „!“ inmitten des größten Blumentopfes gelegt, eine Aufforderung zur Bepflanzung. Schließlich auch ein „:-)“ Als mich der Hausmeister fragte, leugnete ich meine Beteiligung. Jetzt – „mehr Ehrlichkeit!“ – werde ich später hingehen und sagen: „Ja, ich war’s und ich will endlich Pflanzen in den verdammten Töpfen!“
Nur wie ich aus der Sache mit meinem Kaffeebarmann Dino wieder rauskomme, weiß ich nicht. Wochenlang hing er mir im Ohr, ich solle ihm doch mal aus Deutschland ein „Stück Berliner Mauer“ mitbringen. „Ja, ja“ sagte ich, aber vergaß es immer wieder. Schließlich griff ich mir auf einer römischen Baustelle einen Mauerrest, malte ihn an und übergab ihn als „Original Mauerstück.“ Ein reines Plagiat. Soll ich auch das beichten? Also, mehr Ehrlichkeit. Aber wie ist das zu schaffen? Ich probier’s. Schade ist es aber schon. Mir hat es immer gefallen, wenn ich mit „Dottore“ begrüßt wurde. Oder mit „Professore!“, um dann gönnerhaft abzuschwächen. „Lassen Sie doch den Professore … nennen Sie mich einfach Dottore!“
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